Pfarre und Private bieten Wohnraum für Flüchtlinge an

Günther Egerbacher, BH Christian Bidner, Landesrätin Christine Bauer, Bgm. Hannes Juffinger, Markus Prauchart und Bernadette Mair (v. l.) beim Kirchenwirt in Thiersee.
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  • Günther Egerbacher, BH Christian Bidner, Landesrätin Christine Bauer, Bgm. Hannes Juffinger, Markus Prauchart und Bernadette Mair (v. l.) beim Kirchenwirt in Thiersee.
  • hochgeladen von Sebastian Noggler

THIERSEE (nos). Bürgermeister Hannes Juffinger wandte sich per Email an die Bürgermeister des Bezirks, das Dekanat, sowie an die Bevölkerung von Thiersee und lud für Montag, den 17. November, zu einem Informationsabend rund um das Thema Asyl und Flüchtlingsunterbringung mit Landesrätin Christine Bauer, Bezirkshauptmann Christian Bidner sowie Bernadette Mair und Markus Prauchart von der Flüchtlingskoordination des Landes.
Rund 70 Thierseer folgten der Einladung ihres Ortschefs, darunter beinahe der komplette Gemeinderat. Hinzu kamen noch einige Gemeinderäte aus dem Bezirk, Walchsees Bürgermeister Dieter Wittlinger und sein Amtskollege aus Langkampfen, Andreas Ehrenstrasser. Auch Pflichtschulinspektorin Margarethe Egger kam nach Thiersee.

"Die Asyproblematik hat uns bis vor einigen Wochen nur im TV betroffen gemacht, bis dann irgendwann im August ein Anruf von der Bezirkshauptmannschaft kam, dass man ein Unterbringungsangebot aus der Gemeinde bekommen habe", erklärte Juffinger einleitend und rekapitulierte den weiteren Verlauf und die aufgetretenen Probleme aus Sicht der Gemeinde. Besonders, dass die ärztliche und psychosoziale Betreuung vor Ort anfangs nicht funktioniert habe, sei ärgerlich gewesen, so Juffinger. "Viele Einsätze des Rettungsdienstes in Landl wären damit vermeidbar gewesen", meinte der Bürgermeister. Auch die "häufigen Wechsel" des Betreuungspersonals im Landgasthof zur Post führten zu Schwierigkeiten, da die Mitarbeiter dadurch nur schlecht erreichbar waren. Dies habe sich allerdings rasch gebessert. Die Gemeinde hätte auch geplant einen "Tag der offenen Tür" im Flüchtlingsheim zu veranstalten, was aber aufgrund der häufigen Belegungswechsel wieder verworfen wurde.

Mehrere Wohnungen angeboten

Nachdem der Bürgermeister am 30. Oktober über das Land informiert wurde, dass das Innenministerium den Vertrag in Landl nicht mehr verlängern wolle, sei für ihn klar gewesen: "Jetzt bringen wir uns ein und suchen Unterkünfte im Ort."
Ein großzügiges Angebot kam dabei von Pfarrer Franz Wenninger. Er bot zwei Objekte in der Pfarre an, darunter ein Pfarrhaus und eine Wohnung am Bäckenbichl. Auch zwei Privatleute meldeten freie Wohnungen über die BH an die Asylkoordination. Bürgermeister Jufinger stellte "die nächste frei werdende Wohnung in Vorderthiersee" von der Gemeinde aus in Aussicht.
Zudem forderte er die Anwesenden auf, den Abend zu nützen um von den Experten vor Ort offene Fragen klären zu lassen, um eventuell weitere Wohnungsangebote für Flüchtlinge zu sammeln. Die Thierseer Nachbarschaftshilfe zeigte seinen Angaben nach bereits Bereitschaft zur Unterstützung der Flüchtlinge im Ort.

Tolle Erfahrungsberichte und Initiativen

Nicht nur Landesrätin Christine Bauer zeigte sich davon berührt was dann folgte: Günther Egerbacher, der ehemalige Direktor der Volksschule Thiersee, erzählte von seinen Eindrücken, die er seit Anfang September in den Deutschkursen sammeln konnte, die er in Landl für die dort untergebrachten Kinder und einige Erwachsene gibt. Etwa 120 Unterrichtseinheiten bot Egerbacher an und konnte nur Positives über die Bemühungen und die Motivation der Flüchtlinge berichten. Mittlerweile seien die Kinder auf die Schule vorbereitet, können bereits Druckschrift lesen und schreiben und kennen das westliche Zahlen- und Datumssystem. "Integration heißt für mich, dass alle einen Schritt aufeinander zugehen", redete er zum Abschluss seinen Mitbürgern noch einmal ins Gewissen.
Auch Bauhofleiter Josef Fankhauser konnte nur Gutes von der Zusammenarbeit mit den Flüchtlingen berichten, seit vor zwei Wochen die Anfrage des Bürgermeisters kam, ob man im Bauhof die Möglichkeit hätte einige Asylwerber zu beschäftigen.
"Dass nach dem schlechten Einstieg durch Begegnung etwas tolles entstanden ist", fiel Landesrätin Bauer besonders positiv auf. Auch sie bekräftigte die Forderung nach einem "guten Miteinander" und mehr Einfühlungsvermögen für die überstandenen Strapazen und oft tragischen Fluchtgeschichten. Sie wolle von Seiten des Landes die Initiativen in Thiersee gerne unterstützen und dankte den Bürgern für ihren Einsatz. Auch für die Forderung der Bezirks-Pflichtschulinspektorin Margarethe Egger nach Zusatzstunden für die Lehrer zur gezielten Förderung von Flüchtlingskindern zeigte Bauer Verständnis.
Bezirkshauptmann Christian Bidner lobte den entstandenen Dialog in Thiersee und erklärte offen seine Verärgerung über die "gehässige Seite" der Gesellschaft: "Ich ärgere mich immer über diese ständige Verknüpfung von Asyl und Kriminalität." Die Realität würde immer wieder beweisen, dass dies nicht der Fall sei, er würde sich "positive Gegenbeispiele" in den Medien wünschen und "ich würde den Menschen bei uns schon raten nachzudenken. Nachzudenken über die Gnade des Geburtsortes – das ist nicht unser Verdienst und kein Grund für moralische Überlegenheit, Hohn oder Zynismus!"

"Dankenswerte Bereitschaft"

Bernadette Mair und Markus Prauchart von der Asylkoordination des Landes Tirol standen den Anwesenden zur Klärung offener Fragen bereit. "Der Beginn für Landl war nicht einfach", stellte Mair fest, "trotz dieser Anfangshürden nun eine solche Bereitschaft in der Gemeinde zu finden ist sehr dankenswert." Beide hielten den Anwesenden noch einmal vor Augen, dass gerade die Einschränkung des Zugangs zum Arbeitsmarkt für Flüchtlinge prekäre Verhältnisse hervorrufe. Die sogenannten "Drei-Euro-Jobs", über die Gemeinden Flüchtlinge beschäftigen können seien eine wichtige Initiative, bei der "die Gemeinden sehr kreativ werden können", so Mair.

In Österreich wird zwischen einer "orgnisierten Unterbringung" und einer "individuellen Unterbringung" unterschieden. Erstere sind Häuser mit über zehn Flüchtlingen, die vom Land gesamt angemietet werden und wo Verpflegung und Betreuung zentral organisiert wird. Wenn Asylwerber eine gewisse Zeit dort verbracht haben und nachweislich mit Deutschkenntnissen, freiwilligen Arbeitsleistungen und Ähnlichem "punkten" können, gibt es die Möglichkeit zur "individuellen Unterbringung" in Wohnungen. Dann treten sie selbst als Mieter auf, bekommen über die Grundversorgung einen Mietzuschuss, der "höchstens die Hälfte ihres monatlichen Einkommens" betrage. Eine vierköpfige Familie, zwei Erwachsene mit zwei Minderjährigen, bekomme derzeit 820 Euro pro Monat als Grundversorgung, der Mietzuschuss betrage also höchstens 410 Euro monatlich. Walchsees Bürgermeister Dieter Wittlinger interessierte sich auch für die Art der Mietverhältnisse, wollte wissen wie diese befristet werden. "Wir sind an längerfristigen Verträgen interessiert, aber wir sind auch die Letzten, die euch Schwierigkeiten machen würden", entgegnete Landesrätin Bauer. Üblicherweise würden Mietverträge, wie auf dem Markt gängige Praxis, auf ein bis drei Jahre befristet, erklärten die Asylexperten des Landes. Diese würden auch immer wieder verlängert, da sich in Tirol hier selten Probleme ergeben würden. "Uns wurden aus dem ganzen Bezirk immer wieder Wohnobjekte von Privaten angeboten", freuten sich Mair und Prauchart.

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