Ellmau
Schnecken als nachhaltiger Proteinlieferant – mit Video

Simone Embacher erklärt, auf was es ihr bei der Weinbergschneckenzucht ankommt.

ELLMAU. Am Fuße des Wilden Kaisers sind einige Tiere zuhause. Unter anderem auch die  Weinbergschnecken der "Kaiserschnecke KG". Simone Embacher betreibt seit 2019 gemeinsam mit Wolfgang Kaufmann Tirols derzeit einzige Schneckenzucht in Ellmau. Während der Pandemie war es für das junge Unternehmen nicht einfach, da die Gastronomie ihre Abnahmemengen reduzieren musste. Trotzdem nutze Embacher die Zeit, um ihren Betrieb in Ruhe weiterzuentwickeln. Mittlerweile blickt sie in ihren zwei Gehegen auf mehrere 10.000 Tiere. Angefangen hat sie mit rund 500 Stück.

Weinbergschnecken sind wertvolle, nachhaltige Proteinlieferanten, die noch dazu bei uns heimisch sind. | Foto: Christoph Klausner
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Nachhaltig & nahrhaft

2017 weckte ein Artikel in einer Gourmetzeitschrift das Interesse Embachers. Daraufhin fing sie an zu recherchieren, und was sie dabei in Erfahrung brachte, gefiel ihr. Einerseits brauchen die Tiere nicht viel Platz und kaum Wasser, andererseits sind sie auch leicht zu ernähren. Neben reichlich Kalk bekommen die "Kaiserschnecken" auch Gemüse- und Obstreste von MPreis. Für Embacher eine Win-Win-Situation, da dadurch unverkäufliche Lebensmittel noch gerettet werden. Generell verwerten Weinbergschnecken zuerst das, was weg muss, weiß die Expertin:

"Die Nachtschnecke geht immer zuerst auf das frischeste Pflanzerl, die Weinbergschnecke hingegen nimmt, was gerade beim Verwelken ist."

Zusätzlich hat das Schneckenfleisch einen viermal größeren Proteinanteil pro Gramm als Rindfleisch. Unterm Strich für Embacher alles nachhaltige Argumente, um auf die Schnecke zu setzen.

Simone Embacher genießt die Arbeit im Freien. Für sie ist es "beruhigend, denn Schnecken zu zusehen." | Foto: Christoph Klausner
  • Simone Embacher genießt die Arbeit im Freien. Für sie ist es "beruhigend, denn Schnecken zu zusehen."
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Früher in aller Munde

Viele Menschen haben Schnecken nicht auf ihrem Ernährungsradar. Das möchte Embacher ändern. Immerhin handle es sich um ein "Superfood", das noch dazu heimisch ist. 

"Wir haben im Mittelalter teilweise mehr Schnecken gehabt als Frankreich. Über die Jahre wurde sie eigentlich in allen gesellschaftlichen Schichten geschätzt - sie war ein hochwertiger Proteinlieferant für arme Leut' genauso wie für Adelige,"

betont die Züchterin. Geschmacklich seien die Schnecken von der Konsistenz her zwischen Muschel und Oktopus, mit einer natürlichen Wald-Note. Heute gibt es viele Möglichkeiten, wie man Schnecken zubereiten kann: Klassisch mit Kräuterbutter, mit Meerrettich oder auch gebacken auf einem Sommersalat.
In freier Natur stehen die Weichtiere heute unter Schutz. Sie haben von Haus aus viele Feinde, wie z. B. Spinnen, Käfer, Mäuse, Füchse oder Vögel haben, erklärt Embacher. Absammeln würde die Situation noch zusätzlich verschärfen und ist daher verboten.

In der "Kaiserschnecken"-Zucht gibt es heimische wie auch mediterrane Weinbergschnecken. | Foto: Christoph Klausner
  • In der "Kaiserschnecken"-Zucht gibt es heimische wie auch mediterrane Weinbergschnecken.
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Wie die Schnecke auf den Teller kommt

Derzeit befinden sich die Schnecken gerade in der Eiablage. Im Herbst, wenn die Temperaturen unter 8 Grad Celsius fallen, ist die Zeit für die Ernte. Embacher erklärt, dass die Schnecken dann aufhören zu essen, ihren Darm noch einmal entleeren und sich dann in den Winterschlaf begeben. In diesem Stadium werden die Tiere dann in kochendes Wasser gegeben. Somit würden die Tiere nicht viel mitbekommen. Mit dieser sanften Art der Tötung kann auch die ansonsten sehr tierliebende Züchterin leben. Sind die Tiere tot, werden sie anschließend einzeln aus dem Haus gezogen. Dann werden die Innereien entfernt, alles fest eingesalzen, abgewaschen und zu guter Letzt kocht man die Schnecken rund 2,5 Stunden bei geringer Hitze im Gemüsefonds.

Die selbstgemachten Töpfereien von Simone Embacher eignen sich für die Zubereitung. Die Schnecken einfach in die Form legen, dann beispielsweise mit Kräuterbutter bestreichen und im Ofen fertig backen. | Foto: Christoph Klausner
  • Die selbstgemachten Töpfereien von Simone Embacher eignen sich für die Zubereitung. Die Schnecken einfach in die Form legen, dann beispielsweise mit Kräuterbutter bestreichen und im Ofen fertig backen.
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Embacher ist auch wichtig, dass die Köchin bzw. der Koch hinter dem Produkt steht. "Wenn etwas nicht gut zubereitet ist, fällt das auf die Schnecke zurück und das will ich nicht", so die Züchterin. Daher setzt sie auch auf regionalen, nachhaltigen Vertrieb, obwohl sie sogar schon einmal eine Anfrage von der Côte d'Azur bekommen hat.

Schnecken können wochenlang ohne Wasser auskommen. Sie bilden dann ein Häutchen, damit sie nicht austrocknen.  | Foto: Christoph Klausner
  • Schnecken können wochenlang ohne Wasser auskommen. Sie bilden dann ein Häutchen, damit sie nicht austrocknen.
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Verrücktes Liebesspiel

Klein, aber oho. Das trifft auf jeden Fall auf die Schnecken zu. Nicht nur, dass sie ihr eigenes Haus reparieren können. Schnecken sind Zwittertiere, die unter anderem einen Kalkpfeil in ihrer Schulter aufbewahren. Daher kommt auch das Sprichwort "Von Armors Peil getroffen". Bei der Paarung feuern sie diesen Kalkpfeil nämlich ab, der wiederum eine stimulierende Wirkung beim Gegenüber hervorruft. Dadurch gelangen die Samen schneller zum Ziel. Wird allerdings ein Organ getroffen, dann kann die Geschichte auch tödlich enden.

Schneckenschleim in der Kosmetik

Was viele nicht wissen: Je nach Untergrund oder auch Situation produziert die Schnecke verschiedene Schleimarten. Ist Gefahr in Verzug, dann wird unter anderem Stressschleim ausgestoßen. Dieses schaumige Gemisch ist laut Embacher in der Kosmetikindustrie aufgrund seiner zellerneuernden Eigenschaften heiß begehrt und in vielen Anti-Aging-Produkten enthalten. Für Sie selbst ist der Verkauf von Stressschleim aber keine Option, da sie die Tiere nicht permanent stressen und melken möchte. 

Mediterrane vs. heimische Schnecke

In der "Kaiserschnecken"-Zucht befinden sich mediterrane sowie heimische Weinbergschnecken. Die "Einheimische" braucht drei Jahre bis zur Geschlechtsreife. Zudem pflanzt sie sich weniger fort, wenn viele Artgenossen um sie herum sind. Die Mediterrane hingegen ist bereits nach einem Jahr geschlechtsreif und reguliert auch ihren Fortpflanzungstrieb nicht, daher ist sie besser zur Zucht geeignet. Dafür ist die "Einheimische" wiederum besser an den Tiroler Winter angepasst. Sie produziert nämlich einen isolierenden Kalkdeckel, bevor sie sich in der Erde eingräbt und ihren frostigen Winterschlaf beginnt. Die Mediterranen hingegen würden das Überwintern im Freien nicht überstehen. Sie müssen in der kalten Jahreszeit daher ins Kühlhaus, wo es konstante drei Grad hat.

Weitere Beiträge aus der Gemeinde Ellmau findest du hier.
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Weitere Infos zur "Kaiserschnecke" findest du hier.

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