Im Gespräch
Stadler: "Wir haben ein unvollständiges Bild von Afrika"

In Afrika gebe es sehr viele kleine und mittlere Unternehmen, dafür weniger Konzerne - so erklärt Prof. Christian Stadler die strukturellen Unterschiede im Vergleich zu den Industrieländern. (Symbolfoto) | Foto: Pixabay
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  • In Afrika gebe es sehr viele kleine und mittlere Unternehmen, dafür weniger Konzerne - so erklärt Prof. Christian Stadler die strukturellen Unterschiede im Vergleich zu den Industrieländern. (Symbolfoto)
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Christian Stadler, Professor für Strategisches Management an der Warwick Business School, erklärt, dass es in Afrika sehr viele Unternehmer gibt, die mit innovativen Ansätzen vorangehen. 

NIEDERNDORF/WÖRGL. Hunger, Dürre und Krieg - das sind oft die Bilder, die man mit Afrika assoziiert. Allerdings gibt es da noch viel mehr, wie Professor Christian Stadler von der Warwick Business School im Gespräch mit den BEZIRKSBLÄTTERN zu erzählen weiß. Dieser beschäftigt sich schon seit längerem mit dem afrikanischen Kontinent und dessen Besonderheiten. Vor allem aus wirtschaftlicher Sicht entspreche die westliche Wahrnehmung oft nicht der Realität. Hier möchte Stadler ansetzen und mit seiner anstehenden Vortragsreihe mit dem Titel "Afrika startet durch" für mehr Klarheit sorgen. Dafür wird der gebürtige Niederndorfer in den nächsten Wochen und Monaten unter anderem in Mailand, Dubai und in den USA gastieren. Den Auftakt macht Stadler allerdings am Dienstag, den 15. Februar um 19:00 Uhr im Tagungshaus Wörgl.

Laut Professor Christian Stadler würden sehr viele Afrikanerinnen und Afrikaner Eigenschaften mitbringen, die ihnen bei der Gründung eines Unternehmens zugute kommen.  | Foto: Warwick Business School
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Viel "FinTech" 

Afrika sei im "FinTech"-Bereich sehr weit, erklärt Stadler. So wurde beispielsweise 2007 mit "M-Pesa" das erste weltweit funktionierende mobile Zahlungssystem eingeführt. Darauf würden auch heute noch viele Innovationen aufbauen. An der Universität in Nairobi habe er den Gründer Geoffrey Otieno kennengelernt, der via App ermöglicht, dass Gelder für Trauerfeiern eingesammelt werden - die Zahlungen würden dabei wieder über "M-Pesa" abgewickelt werden. So entstand ein Geschäftsmodell, welches sozusagen afrikanische Traditionen und moderne Technologien zusammenführt.

Gegenseitige Unterstützung

Auch bei der Finanzierung beschreitet man in Afrika andere Wege. Bankkredite weisen oftmals Zinsen in der Höhe von rund 20 Prozent aus. Daher werden viele Unternehmer von Bekannten und Verwandten aus dem Ausland mit Geldern unterstützt. Auch Menschen, die im Ausland eher schlecht bezahlte Jobs verrichten,  würden regelmäßig Geld nach Hause schicken. Stadler hat sich selbst die Geldflüsse angesehen: Rund 70 Milliarden US-Dollar würden jährlich durch Überweisungen von im Ausland tätigen Afrikanern ins Land fließen. Die Entwicklungshilfen könne man mit rund 49 Milliarden US-Dollar und die Investments aus dem Ausland mit rund 46 Milliarden US-Dollar beziffern. Das zeige auch, dass es für viele ganz normal ist, ihre Familien finanziell zu unterstützen. 

Für viele Afrikaner, die im Ausland arbeiten, ist es ganz normal regelmäßig Geld nach Hause zuschicken. (Symbolfoto) | Foto: Pixabay
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Mehr Urlaub könnte helfen

Auf die Frage hin, wie westliche Länder Afrika am besten helfen könnten, meint Stadler, dass man versuchen müsse, das Wirtschaftsleben dort anzukurbeln.

"Ich bin nicht zuversichtlich, dass man mit Entwicklungsgeldern allein einen Aufschwung herbei führen kann",

so Stadler. Viele Hilfsgelder würden einerseits von der dahinterstehenden Organisation selbst verbraucht, andererseits sind die Gelder auch oftmals an Bedingungen geknüpft, die kontraproduktiv seien. So kommt es vor, dass man von einigen Ländern nur finanzielle Unterstützung bekommt, wenn man im Gegenzug gewisse Aufträge wiederum an genau diese Länder vergibt, obwohl es günstigere Anbieter auf dem Markt gebe. Aber auch als "Durchschnittsbürger" kann man seinen Beitrag leisten, so Stadler, der auf das attraktive Urlaubsangebot verweist und gleichzeitig betont, dass auch die Sicherheit in vielen Gegenden durchaus gewährleistet sei. 

Vertrauen ist die Basis

Was nicht unerwähnt bleiben darf, ist die unternehmerische Vielfältigkeit der Afrikaner. Es gibt laut Stadler sehr viele kleine Geschäfte und Betriebe, die oftmals von ein und derselben Person gemanagt werden. Als Beispiel nennt der Professor eine Lehrerin, die mit einem Kleidergeschäft angefangen hat und nun neben einem Bücherladen beispielsweise auch ein Studentenwohnheim besitzt. Während man sich in Europa oftmals auf das Geschäftsmodell fokussiere, welches am besten läuft, werde in Afrika diversifiziert. Allerdings begrenzt man den Tätigkeitsbereich oft auf einen Ort bzw. auf eine Region - das habe den Vorteil, dass die Kunden den Betreiber persönlich kennen und umgekehrt. Auch die Tatsachen, dass es meist keinen Verein für Konsumentschutz gibt und der gerichtliche Weg bei geschäftlichen Auseinandersetzungen oftmals mühsam ist, würden diese regionalen Strukturen verstärken.

Von Niederndorf in die Welt

Stadler stammt aus Niederndorf und promovierte 2002 in Geschichte an der Universität Innsbruck. Danach widmete sich der mittlerweile 45-Jährige vermehrt den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Unter anderem befasste er sich am Institut für Strategisches Management mit der Fragestellung, wie Unternehmen langfristig erfolgreich werden bzw. sein können. Von 2007 bis zum Jahreswechsel 2009/10 war Stadler an einem US-Collage tätig. Dort forschte er zu Themen im Bereich der Erdölindustrie. Im Anschluss ging es für den umtriebigen Wissenschaftler nach England, wo er als Dozent in Bath begann. Ein ausschlaggebender Grund für England war, dass einem mehr Freiraum in der Forschung gewährt wird als in Österreich, so Stadler. Zudem würden dort junge Lehrende viel weniger mit Verwaltungsaufgaben belastet. Seit 2012 ist er an der Warwick Business School tätig, wo er 2019 auch zum ordentlichen Professor ernannt wurde.

Was man aus Manga-Comics ableiten könne 

"Ich habe ein Faible für ungewöhnliche Sachen", scherzt Stadler, als er erzählt, dass er zum Beispiel auch versuchte, japanischen Manga-Zeichnungen seinen Erschaffern zuzuordnen und daraus ihre nächsten Comics abzuleiten. Sein Fazit: Kreative würden nicht immer das Gleiche machen. Es kam oft vor, dass auf einen sehr erfolgreichen Comic eine komplett neue Geschichte folgte. Allerdings sei auch zu bemerken, dass - wenn sich ein Comic als Flop herausstellte - auf altbewährte Muster zurückgegriffen wurde. (klau)

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