Adolf-Hitler-Platz, Barrikadenstraße und Kaiserin-Zita-Ring: Wiens verschwundene Straßennamen
Mit einem neuen Buch erinnert der Historiker Peter Autengruber an verschwundene Wiener Straßennamen.
WIEN. Taubenfüttern am Adolf-Hitler-Platz, mit dem J-Wagen zum Stalinplatz oder ein Überqueren der Donau auf der Kronprinz-Rudolf-Brücke – was kurios klingt, waren einst in Wien offizielle Straßennamen. Der Wiener Historiker Peter Autengruber hat nun die interessantesten Bezeichnungen, die aus dem Wiener Stadtbild verschwunden sind, in dem Buch "Verschwundene Wiener Straßennamen" zusammengefasst.
"Das Buch beginnt im Jahr 1421 mit einem Plan des damaligen Judenviertels", erklärt Autengruber den Aufbau. "Dort sind Straßennamen wie `Gesslein als man vom Schulhof hin zu den weißen Brüdern geht´vermerkt. Danach geht es zeitlich allerdings von 1848 weg, da man ab dieser Zeitspanne gut sieht, dass es eine politische Zäsur gibt. 1918, 1934 und 1938 sind neue Straßenschilder Ausdruck politischer Machtverhältnisse."
Waren einst die Habsburger auf den Wiener Stadtplänen massiv vertreten, startete 1918 unter dem sozialistischen Gemeinderat Robert Danneberg eine große Umbenennungsdiskussion. Zwar wurde beschlossen, die Geschichte der Habsburger in Wien nicht auszulöschen, aber doppelte Benennungen wie etwa Erzherzog-Karl-Platz und Erzherzog-Karl-Straße auszudünnen.
"Überrascht hat mich, dass der Gaußplatz einst Mathildenplatz hieß. Mathilde war die Tochter des Erzherzogs Albrecht, der seiner Tochter das Rauchen verbot", erzählt der Historiker die tragische Geschichte der Erzherzogin. "Sie hat heimlich eine Zigarette geraucht und diese, als überraschend ihr Vater kam, am Kleid ausgedämpft. Das Kleid fing Feuer und die 18-Jährige erlag einige Tage später ihren schweren Verbrennungen." Weniger verwunderlich hingegen die Benennung nach heute noch berühmten Habsburgern: Die Reichsbrücke hieß einst Kronprinz-Rudolfsbrücke, der Kärntner Ring Kaiserin-Zita-Ring und die Stadionbrücke wurde 1876 als Kaiser-Joseph-Brücke eröffnet.
1848, Dollfuß und Hitlerjunge Quex
Straßen und Plätze nach lebenden Personen außerhalb des Kaiserhauses zu benennen, war schon zu Zeiten der Eingemeindung der Vorstädte unüblich. "Auch im Revolutionsjahr 1848, als die Revolutionäre aufgerufen haben, der neuen Zeit auch neue Straßennamen zu geben, wurde nicht nach Revolutionären benannt", so Autengruber. "Es gab die Barrikadenstraße im ersten Bezirk und der Michaelerplatz hieß Constitutionsplatz. Aus alten Zeitungsartikeln geht hervor, dass die Revolutionäre die Straßenschilder einfach mit Papier überklebt haben. Aber sie hingen ja auch nur über den Sommer, im Oktober war die Revolution schon wieder vorbei."
Etwas länger hingen die Schilder der ersten Republik. Aber auch die Tage des Karl-Marx-Platzes und des Dollfußplatzes waren gezählt. "Es ist interessant, mit welcher Gründlichkeit die Nationalsozialisten im Straßennetz vorgegangen sind. Es wurden rasch jüdische Namen auf den Straßenschildern getilgt und Gassen nach `Blutzeugen´, das waren `Opfer der Bewegung´, die von den Nationalsozialisten zu Helden stilisiert wurden, benannt." So hieß der Favoritner Victor-Adler-Platz einst Horst-Wessel-Platz und die Penzinger Zichygasse wurde nach Herbert Norkus, dessen Tod dem Film "Hitlerjunge Quex" als Vorlage diente, benannt.
Fragwürdige Schilder hängen noch
Auch nach dem Zweiten Weltkrieg setzte man in der sowjetischen Besatzungszone deutliche Zeichen im öffentlichen Raum. So wurde der Schwarzenbergplatz in Stalinplatz, die Reichsbrücke in Brücke der Roten Armee und die Floridsdorfer Brücke in Malinowskibrücke umbenannt. Verschwanden die russischen Straßenbezeichnungen 1956 wieder, hielten sich andere fragwürdige Namen deutlich länger – manche bis heute.
"Es stellt sich die Frage, wo eine rote Linie überschritten ist", so Autengruber. "Pfarrer Deckert, nach dem der Vorplatz der Weinhauser Kirche im 18. Bezirk bis Dezember 1989 benannt war, war ein bekennender Antisemit. Und das weit über den damals im ausgehenden 19. Jahrhundert verbreiteten Antisemitismus hinaus. Auch die Sebastian-Brunner-Gasse im 13. Bezirk wurde nach einem Antisemiten benannt, aber nie umbenannt."
Zur Sache
"Verschwundene Wiener Straßennamen" von Peter Augruber ist in der Edition Winkler-Hermaden erschienen, hat 120 Seiten mit zahlreichen Abbildungen und Pläne und kostet 19,90 Euro.
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