Freeriden mit Köpfchen: SAAC Basic Lawinencamp in St. Anton

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Die wichtigste Lektion beim SAAC Basic Camp in St. Anton am Arlberg war: Wenn Frau Holle nicht mitspielt, muss man auch mal auf Fahren im Gelände verzichten. Was jedoch nicht heißt, dass man sich dem Thema Lawinen, Risikomanagement und Verschüttetensuche nur theoretisch annähern könnte. Weit gefehlt!

SAAC Basic Camps – das sind kostenlose zweitägige Lawinencamps mit vielen Backgroundinfos und hohem Praxisanteil für Off-piste Fans auf Ski oder Snowboard. Bergführer und Snowboardpros informieren in den verschiedensten Gebieten in den österreichischen Alpen über alpine Gefahren abseits der gesicherten Pisten. Ein Muss also für jeden, der „powder-süchtig“ ist und jeden Neuschnee nutzt, um sich im Gelände auszutoben. Ich war beim Camp im traditionellen Wintersportort St. Anton am Arlberg mit dabei und kann nur sagen: Daumen hoch!

Kostenloses Leihmaterial

Bei Sonnenschein und nicht zu tiefen Temperaturen ging es am Sonntag nach der Materialausgabe am Parkplatz mit der Galzigbahn ins Skigebiet. Die Notfallausrüstung wie Schaufel, Sonde und Lawinenverschüttetensuchgerät (LVS-Gerät) konnte man gratis ausleihen, sollte man kein eigenes Equipment haben. Generell ist der ganze Spaß dank zahlreicher Sponsoren an den beiden Tagen kostenlos, nur das Liftticket muss gegebenenfalls bezahlt werden.

Am zweiten Tag sollte nun draußen das umgesetzt werden, was am Vorabend im dreistündigen Theorieteil von den beiden Bergführern Stefan und Johannes vermittelt wurde:
Kurzweilig und interessant führten uns die beiden in der Tourismuszentrale von St. Anton durch das Basiswissen in Sachen Risikomanagement beim Freeriden. Gerade zu Beginn der Saison ist es wichtig, sein eigenes Urteilsvermögen (wieder) zu schärfen, die Komplexität des Themas zu erfassen und vor allem das Bewusstsein für das Risiko zu erhalten, welches Freeriden im Gebirge mit sich bringt.

Erst Theorie, dann Praxis

Immer wieder wurden uns einige teils schockierende, teils haarsträubende Videos gezeigt von Fällen, wo es im Gelände leider schief gegangen ist und Skifahrer/Snowboarder zu leichtsinnig und unkritisch unterwegs waren.

In der Theorie befassten wir uns außerdem mit dem Lawinenlagebericht, Planungs- und Entscheidungshilfen für die Routenwahl, den geeigneten Maßnahmen im Gelände, der richtigen Ausrüstung (und wie man damit umgeht) und natürlich dem korrekten Vorgehen, wenn der Ernstfall eintritt. Für richtige Antworten auf ein paar „Spezialfragen“ gab es immer wieder kleine Preise wie T-Shirts, Mützen oder Müsliriegel.

Wir haben gelernt, dass jeder Freeride-Tag mit dem LVS-Check beginnt, so auch unserer im Skigebiet von St. Anton. Sind die Batterien voll, funktioniert das Gerät? Wenn nein: Das war’s dann für heute. Denn nur mit voll einsatzfähigem Sende- und Suchmodus kann man im Ernstfall Leben retten - das von anderen und auch das eigene. Nachdem wir den Check durchgeführt haben, kann es losgehen. Wir sind eine Gruppe bestehend aus acht Snowboardern, die von Johannes durchs Skigebiet geführt werden und immer wieder anhalten, um uns die „Theorie“ vom Vortag nun in der Realität anzuschauen.

Wir lernen, wie man das Gefälle eines Hangs richtig einschätzt, analysieren von weitem bereits abgegangene Lawinen, prüfen die Hangausrichtung und schauen uns den aktuellsten Lawinenlagebericht an.

Den ganzen Vormittag sind wir unterwegs, immer wieder auch mit Abstechern links und rechts der Piste, wo es eben die dünne Schneedecke zulässt. Wir erfahren, dass die Unfallgefahr bei wenig Schnee viel höher ist als bei viel Schnee. Wir üben, beim Abfahren im Gelände stets genug Abstand zwischen einander zu lassen, um die Schneedecke zu entlasten. Es wird uns nahegelegt, niemals einfach ohne Plan irgendwelchen Spuren hinterherzufahren, nur weil sie da sind. Regelmäßig stoppen wir an bestimmten Sammelpunkten (nein, nicht mitten auf der Piste), um die weitere Routenwahl abzustimmen.

Rettung von Verschüttungsopfern

Ruckzuck ist schon Mittagspause, wir genießen die Sonne auf der Hüttenterrasse und ruhen uns aus. Denn am Nachmittag suchen wir uns einen Platz abseits des Trubels, um mit den LVS-Geräten die Suche nach einer verschütteten Person zu simulieren. Wir vergraben einen Rucksack mit LVS-Gerät im Sendemodus und beginnen zu suchen. Und suchen. Und suchen. Natürlich geht man auch hier systematisch vor, aber unter Zeitdruck und Stress kann dies schon unangenehm lange dauern. Vor allem, wenn man weiß, dass eine Person nur knapp 20 Minuten überleben kann, wenn sie einmal verschüttet wurde.

Hat uns das Gerät im Suchmodus dann möglichst nahe an das Signal geführt, wird sondiert, dann gegraben. Jeder der Teilnehmer durchläuft die einzelnen Schritte mehrfach, denn nur mit Übung kann man hier im worst case schnell reagieren. Jeder hofft natürlich, niemals in eine solche Situation zu geraten, aber man kann nie wissen.

Das Camp hat praxisorientiert und mit hohem Spaßfaktor vermittelt, worauf es beim Freeriden auch ankommt: Mit offenen Augen und angeschaltetem Hirn unterwegs zu sein, nicht einfach drauflos zu fahren sondern aufmerksam und auch mal kritisch zu sein. Wenn das jeder beherzigt, haben wir alle noch viele viele grandiose Winter mit haufenweise Powder vor uns.

Danke an Stefan, Johannes und das restliche Bergführer-Team vom SAAC für den Einsatz und Euer Know-How.

Wer auf diese beiden spannenden und lehrreichen Tage noch etwas drauflegen will, der sollte sich die SAACnd Step Kurse anschauen, die 5 Tage dauern und in denen man in kleineren Gruppen noch intensiver in das Thema einsteigt.

Wo: Skigebiet, Sankt Anton am Arlberg auf Karte anzeigen
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