"Keine politische Lösung für Syrien"

SPÖ-Bezirksvorsitzender Benedikt Lentsch (li.) mit dem renommierten Politikwissenschaftler Gerhard Mangott.
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LANDECK (otko). Die SPÖ und das Renner Institut Tirol luden vergangenen Mittwoch zu einem Stammtisch in das Hotel Schrofenstein. SPÖ-Bezirksvorsitzender LA Benedikt Lentsch konnte mit Univ.-Prof. Dr. Gerhard Mangott einen der renommiertesten Politikwissenschaftler Österreichs nach Landeck holen. Der gebürtige Fließer lehrt und forscht an der Universität Innsbruck im Fachbereich Internationale Politik, ist Autor zahlreicher Bücher und ist der "Russland-Experte" schlechthin.

Einigermaßen befriedet

In seinem Vortrag "Der bewaffnete Konflikt in Syrien" kam Mangott zum Schluss, dass die militärische Situation einigermaßen pazifiziert sei, aber aufgrund der verschiedenen politischen Interessen der involvierten ausländischen Mächte (Russland, Türkei, Iran) zeichnet sich keine politische Lösung ab. "Inzwischen ist der Konflikt in Syrien in der medialen Berichterstattung in den Hintergrund geraten. Der Korea-Konflikt und der transatlantische Konflikt finden inzwischen mehr Beachtung", konstatierte der Experte. Ausgebrochen ist der Krieg im Rahmen des "Arabischen Frühlings" vor mehr als sieben Jahren als in der Provinz Daraa Leute gegen die Verhaftung von Kindern demonstrierten, die Parolen gegen die Regierung von Baschar al-Assad geschrieben hatten.
Syrien erlebte in den 2000er Jahren eine massive wirtschaftliche Krise, die zusammen mit dem hohen Bevölkerungswachstum auch zu einer sozialen Krise führte. Zudem gab es eine Dürreperiode. Dies alles führte zu Protesten gegen das autoritäre und korrupte Assad-Regime. Die Regierung ging gegen die Proteste mit Gewalt vor und im April 2011 wurden reguläre Streitkräfte eingesetzt. Viele Soldaten desertierten zur so genannten "Freien Syrischen Armee". "Dieser innere bewaffnete Konflikt  wäre längst zu Ende, hätten sich nicht ausländische Kräfte eingemischt", betonte Mangott.

Einmischung von außen

Allen voran wollten die Golfmonarchien (Saudi-Arabien, Katar, VAE) Assad stürzen, der ein Verbündeter des Irans ist. Dazu floss viel Geld an die sunnitischen und dschihadistischen Milizen. Auch Russland, ein alter Verbündeter mit einer Marinebasis in Syrien, griff sehr früh auf der Seite Assads in den Konflikt ein. "Russland gab der Assad-Regierung einerseits politischen Schutz, indem es 12 Vetos im Sicherheitsrat einlegte, und andererseits militärischen Schutz durch Waffenlieferungen. Trotz Druck war Assad aber zu keinen politischen Reformen beriet. Zentrales Motiv Russlands war Verhinderung eines libyschen Szenarios", skizzierte der Experte. Nachdem sich das Kriegsglück Assads im Jahr 2015 Negative gedreht hatte – der Islamische Staat und die al-Nusra-Front eroberten große Gebiete – griff Russland direkt in den Konflikt ein. "Inzwischen kontrolliert das Assad-Regime durch die Hilfe des Irans, irakischer Milizen und der libanesischen Hisbollah wieder alle Großstädte und den Großteil des Gebietes westliche des Euphrats", so der Experte.

Vier gleichzeitige Kriege

Laut Mangott gibt es in Syrien vier gleichzeitige Kriege. Den ersten Krieg gegen die Opposition hat Assad mit ausländischer Hilfe beinahe gewonnen. Den zweiten Krieg führen die USA mit ihren kurdischen Verbündeten gegen den Islamischen Staat – auch dieser ist beinahe gewonnen. Der dritte Krieg hat 2016 mit den Vorstoß der Türkei auf kurdisch kontrolliertes Gebiet begonnen. Hohes Eskalationspotential hat der vierte, verdeckte Krieg Israels gegen iranisch-schiitische Milizen.
Der Konflikt hat inzwischen 520.000 Todesopfer und 12,8 Millionen Flüchtlinge gefordert (davon 7 Millionen Binnenflüchtlinge). "Von allen Konfliktparteien wurden das Völkerrecht und das humanitäre Völkerrecht massivst verletzt. Es gab schwere Kriegsverbrechen. Das internationale Recht hat dadurch massiven Schaden genommen und wurde von den Großmächten zu Grabe getragen", stelle der Politikwissenschaftlicher fest. Angesprochen auf die Rolle der USA und der EU in den Konflikt meinte er: "Die EU kritisiert die Verletzung des Völkerrechts bei anderen Staaten, nicht aber bei den Verbündeten und das macht unglaubwürdig. Die Gesamtstrategie der USA unter Präsident Trump ist völlig unklar. Aktuell sollen die Kräfte aus Syrien abgezogen werden, was sich aber schnell wieder ändern kann", so Mangott abschließend.

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