Landstraße
Evangelische Pauluskirche verhüllt antisemitische Fenster
Die evangelische Pauluskirche im dritten Bezirk räumt jetzt mit ihrer Vergangenheit auf. Am 8. Oktober werden die Fenster, die antisemitisches Bildprogramm zeigen, feierlich verhüllt.
WIEN/LANDSTRASSE. Nicht jedes Denkmal oder Kunstwerk aus der Vergangenheit lässt in den Gemütern der Nachwelt Stolz aufkommen. Wo manch anderer unter den Tisch kehrt, klärt die evangelische Pauluskirche am Sebastianplatz 4 über die Hintergründe ihrer bunten Fenster auf.
Am Sonntag, 8. Oktober um 17 Uhr werden hier etwa 15 Fenster feierlich verhüllt. Der Hintergrund: die Fenster wurden vom nationalsozialistischen Künstler Rudolf Böttger hergestellt und zeigen antisemitische Motive.
"Die Fenster wurden in den 1960er Jahren in den noch jungen Kirchenbau nachträglich eingebaut", so Pfarrerin Elke Petri. Leider zeigen diese ein antisemitisches Bildprogramm, das den Zeitgeist des NS-Regimes widerspiegelt.
Dunkelbunte Hintergründe
Petri bezeichnet die eigentlich farbenfrohen Fenster als "dunkelbunt". Während die Fenster neutestamentliche Episoden darstellen, würde man auf den zweiten Blick ein fragwürdiges Bildprogramm erkennen.
Jesus würde als arischer Jüngling dargestellt, kleine Mädchen sehen aus, als kämen sie direkt aus dem Bund Deutscher Mädel. "Und schließlich werden Juden in den Kirchenfenstern verletzend dargestellt", so Petri – etwa mit grauen, fratzenhaften Gesichtern.
Schon lange befasst sich die Pfarrgemeinde mit der Frage, weshalb Böttger den Auftrag trotz Berufsverbots bekommen hatte. Der Künstler bekannte sich auch nach dem Zweiten Weltkrieg zum Nationalsozialismus. Der Verein "Memory Lab – Evangelisches Erinnern" prüft diese Fragen inzwischen wissenschaftlich.
Glaube Liebe Hoffnung
Die Pfarrgemeinde distanzierte sich 2003 von den antisemitischen Darstellungen. Man brachte eine Gedenk- und Erklärtafel an. "Mit Scham stellen wir fest, dass sich unsere Kirchen für das Schicksal der Juden und ungezählter anderer Verfolgter unempfindlich zeigten", heißt es im Text der Tafel unter anderem.
Das aktuelle Leitungsgremium hat nun beschlossen, dass diese Tafel nicht mehr genügt. Es wurde der Entschluss gefasst, die Fenster auszubauen. Bis es so weit ist, werden die Fenster mit bunten Stoffbahnen verhüllt. Diese wurden von den Jugendlichen der Pauluskirche in künstlerischer, pädagogischer und theologischer Begleitung gestaltet.
"Sie haben an den Werten Glaube, Hoffnung und Liebe gearbeitet", so Petri, "Und miteinander erarbeitet, welche Aktionen damit verbunden sind." Das Ergebnis wird in einem Verhüllungs-Gottesdienst präsentiert.
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