Umfrage
Sollen die Wolfsberger "Nazi-Straßen" umbenannt werden?
Grüne und FPÖ für Umbenennung, ÖVP und SPÖ wollen Zusatztafeln. Bürgermeister Hannes Primus plädiert aber für eine Neubewertung aufgrund neuer historischer Erkenntnisse.
WOLFSBERG. Die Debatte um historisch belastete Straßennamen, also Straßenbezeichnungen, die mit der Zeit des Nationalsozialismus in Verbindung stehen, beschäftigt Städte in ganz Österreich. Zuletzt kam in Graz Leben in die Sache: KPÖ, Grüne und SPÖ haben die Umbenennung solcher Straßen mehrheitlich beschlossen. Und auch in Villach entschloss sich der Gemeinderat im vergangenen März mehrheitlich für neue Namen.
2014 beschäftigte sich eine Expertenkommission mit den Wolfsberger Straßennamen. Die sechs identifizierten belasteten Straßennamen sind im Buch „Wolfsbergs dunkelstes Kapitel“ (2015) des Historikers Alexander Verdnik aufgelistet.
Zwangssterilisationen
Besonderen Handlungsbedarf sieht Verdnik bei der Dr.-Arthur-Rainer-Straße. Rainer wurde im Juli 1940 von der Reichsstatthalterei Kärnten mit der „Unfruchtbarmachung von Männern und Frauen“ beauftragt, doch bis zuletzt war unklar, ob er Zwangssterilisationen durchgeführt hat. Nun ist Verdnik bei seinen Recherchen im Kärntner Landesarchiv (Sanitätsabteilung 18, Verhütung erbranken Nachwuchses/Schwangerschaftsunterbrechungen) auf eine neue Quelle gestoßen, die Rainer als einen von fünf für Sterilisationen zuständige Ärzte aufführt. „Damit steht zweifellos fest, dass Rainer mit Zwangssterilisationen beauftragt war“, so Verdnik.
Goebbels als Kunde
Weitere belastete Straßen sind der Lobisserweg, benannt nach dem Künstler Switbert Lobisser, der in seinen Werken Hakenkreuze abbildete und NS-Größen wie Goebbels und Hess zu seinen Kunden zählte, sowie die Perkonigstraße, die nach dem NS-Schriftsteller Josef Friedrich Perkonig benannt ist. Der Zoologe Konrad Lorenz, nach dem ein Weg benannt ist, beteiligte sich ab 1941 an rassenbiologischen Untersuchungen.
Sonderfall Gassersteig
Ein Sonderfall ist der Gassersteig, der nach dem damaligen Bürgermeister Gregor Gasser benannt wurde. Jedoch waren vier seiner Söhne entweder am Juliputsch beteiligt oder hatten in der NS-Zeit höhere Positionen inne. „Warum der Gassersteig nicht Gregor-Gassersteig oder auch völlig anders benannt wurde, ist bis heute unklar“, so Verdnik. Auch der Franz-Krassnig-Weg hat NS-Vergangenheit. Krassnig war langjähriges NSDAP-Mitglied.
„Wirklich ein Problem“
Auch im Wolfsberger Gemeinderat wurde das Thema bereits besprochen, zwei Anträge der Grüne wurden abgelehnt. Doch die Fraktion will sich weiterhin für die Umbenennung einsetzen: „Auf den ersten Blick wirkt das Thema für viele sehr theoretisch“, sagt Grünen-Bezirkssprecher Michael Hirzbauer. „Es ist bedeutsam, Bewusstsein zu schaffen – auch in Wolfsberg haben wir hier wirklich ein Problem. Straßennamen sind ein Aushängeschild des öffentlichen Raums. Es gibt Städte, in denen es mehr Nazi-Benennungen gibt als Straßen, die nach Frauen benannt sind, zum Beispiel Salzburg. Damit zeigen wir, dass uns Frauen weniger wichtig sind, als an ehemaligen Nationalsozialisten festzuhalten. Die Außenwirkung und die Symbolik des öffentlichen Raums geraten in Schieflage, die eigene Geschichte bleibt unreflektiert und verfälscht.“
FPÖ für Umbenennung
Auch die FPÖ in Wolfsberg spricht sich ausdrücklich für die Umbenennung aus: „Straßen, die direkt mit NS-Funktionären in Verbindung stehen, sollten meines Erachtens umbenannt werden“, sagt FPÖ-Stadträtin Isabella Theuermann. „Diese Ehre sollte nämlich Personen vorbehalten sein, die sich dies durch ihr Handeln verdient haben. Bürgerinnen und Bürger, die in den betroffenen Straßen wohnen, sollten in Folge selbst Vorschläge machen, wie die Straßen künftig heißen sollen. Da die Umbenennung von der Gemeinde beantragt wird, sollten sämtliche Kosten, die den betroffenen Bürgern dadurch entstehen, von der Gemeinde übernommen werden.“
ÖVP will Zusatztafeln
Keine Umbenennung, dafür aber Zusatztafel mit einer entsprechenden Erklärung, wünscht sich die ÖVP: „Dieses Thema wurde schon vor einigen Jahren im Gemeinderat ablehnend behandelt. Die ÖVP Wolfsberg hat 2021 einen Antrag im Gemeinderat eingebracht, in dem wir Zusatztafeln für personenbezogene Namen vorgeschlagen haben, da viele Namen im Lauf der Zeit in Vergessenheit geraten sind. Damit kann bei belasteten Straßennamen eine entsprechende Erklärung hinzugefügt werden. Eine Umbenennung ist unserer Meinung nach nicht notwendig, da die Kosten und der bürokratische Aufwand zu berücksichtigen sind“, so ÖVP-Stadtrat Josef Steinkellner.
Neubewertung
Auch Bürgermeister Hannes Primus spricht sich für Zusatztafeln aus: „Im Sinne der Erinnerungskultur hat sich allgemein die Auffassung durchgesetzt, historisch belastete Straßennamen nicht umzubenennen, sondern mit Zusatztafeln zu versehen und damit den geschichtlichen Hintergrund sichtbar zu machen. In Wolfsberg wurden 2013 durch Experten alle 127 auf Personen lautende Straßennamen untersucht, wobei nur für die Bezeichnung Gassersteig der Zusatz eines Vornamens empfohlen wurde. Ein unmittelbarer Handlungsbedarf im Gemeinderat wurde damals aber nicht erkannt. Wenn nun durch Historiker neue Informationen zu geschichtlich belasteten Namen aus der NS-Zeit vorliegen, so sollte das neu bewertet werden.“
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