Reichenfels
Windrad-Befragung könnte Gemeinde um Millionen bringen
Die Bürgerbefragung zur Windkraft in Reichenfels hat nicht nur keine Auswirkungen auf geplantes Windradprojekt – bei einem "Nein" der Bevölkerung droht der Gemeinde ein hoher finanzieller Entgang. Es geht um mehrere Millionen Euro.
REICHENFELS. Im Jahr 2026 sollen auf der Peterer Alpe in Reichenfels acht Windräder des österreichischen Windparkbetreibers „ImWind“ in Betrieb gehen. Derzeit läuft die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP), die im Herbst dieses Jahres abgeschlossen werden soll. Für viel Aufsehen sorgt die Bürgerbefragung, die von der Reichenfelser SPÖ mit Unterstützung der FPÖ im Gemeinderat durchgebracht wurde und bei der die Bürger am 11. September ihre Meinung über den Windpark kundtun können.
Kein Einfluss auf Bau
Was auf dem ersten Blick wie eine gute Sache klingt, wirft bei näherer Betrachtung allerdings Zweifel an der Sinnhaftigkeit des Vorhabens auf. „Die Bürgerbefragung hat keinerlei Einfluss darauf, ob ein Windpark gebaut wird oder nicht“, stellt Bürgermeister Manfred Führer (ÖVP) klar. Ein klares „Nein“ der Bevölkerung würde den Bau nicht verhindern, denn Bauinstanz ist nicht die Gemeinde, sondern das Land Kärnten.
„Verzichten auf Millionen“
Darüber hinaus geht es für Reichenfels um viel Geld: „Spricht sich die Bevölkerung mehrheitlich gegen die Unterstützung der Windkraft durch die Gemeinde aus, ist unsere einzige Handhabe, dass der Gemeinderat dem geplanten Partnerschaftsvertrag mit Kelag und ImWind nicht zustimmt. Das bedeutet aber, dass wir auch auf die vereinbarten Entschädigungszahlungen verzichten“, so Führer. Wie hoch diese wären, will der Bürgermeister aufgrund einer Verschwiegensheitsklausel nicht sagen – nur so viel: „Es wäre jährlich mehr als ein Drittel unseres gesamten Bedarfszuweisungsrahmens. Dieser liegt jährlich bei ungefähr 320.000 Euro. Das zusätzliche Geld könnten wir für Investitionen in der Gemeinde und damit für die Bürger verwenden. Rechnet man das auf 20 Jahre, würden wir auf einige Millionen Euro verzichten.“
Schaden für Gemeinde
Für den Windparkbetreiber hingegen hätte ein „Nein“ der Bevölkerung kaum Auswirkungen. Theoretisch könnte die Gemeinde der Firma verbieten, Gemeindestraßen auszubauen. Dies könnte notwendig werden, um etwa mit schweren Lkw Baumaterial auf die Peterer Alpe zu fahren. Allerdings handelt es sich bei der sogenannten „Kerstenbergstraße“, die als Zufahrt zur Peterer Alpe gebraucht wird, noch um keine vollständig vermessene „offizielle“ Gemeindestraße. Sie wird zwar teilweise von der Gemeinde mitbetreut, steht aber im Besitz mehrerer Grundstückseigentümer. „Wir können ImWind nicht verbieten, die Straße zu benutzen. Die Firma muss sich diesbezüglich nur mit den jeweiligen Grundstückseigentümern verständigen“, erklärt der Bürgermeister. Mit anderen Worten: Spricht sich die Reichenfelser Bevölkerung gegen die Unterstützung der Windkraft durch die Gemeinde aus, wäre die Gemeinde der einzige Verlierer bei der Sache.
Stimmungsbild
Initiator der Bürgerbefragung ist der Reichenfelser Vizebürgermeister Peter Pletz (SPÖ): „In erster Linie geht es darum, ein Stimmungsbild der Bevölkerung zu erheben, unabhängig davon, ob die Befragung Einfluss auf das derzeitige Projekt hat.“ Damit die Bevölkerung eine fundierte Entscheidung treffen kann, erhalten die Reichenfelser Haushalte dieser Tage ein Anschreiben von Seiten der Gemeinde, in dem die Vor- und Nachteile eines Windkraftprojektes noch einmal veranschaulicht werden. Pletz: „Mein größtes Anliegen ist es, dass sich die Bürger die Zeit nehmen, sich darüber zu informieren und eine vernünftige Entscheidung treffen. Je höher die Wahlbeteiligung ist, desto besser kommt der Wille der Bürger zum Ausdruck.“
"Ergebnis akzeptieren"
Dass es für die Gemeinde um viel Geld geht, bestätigt auch Pletz: „Natürlich wäre der Partnerschaftsvertrag mit ImWind ein großer Vorteil für uns. Wir wollen aber auch nicht komplett gegen den Willen der Menschen arbeiten.“ Was geschehen würde, wenn sich die Mehrheit gegen die Windkraft entscheidet, vermag der Vizebürgermeister zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu sagen: „Wir warten jetzt erst einmal das Ergebnis ab. Ich erwarte mir aber, dass sowohl Gegner als auch Befürworter das Ergebnis akzeptieren.“ Ähnlich äußert sich die FPÖ: "Wir wollen, dass die Bevölkerung miteingebunden wird und dass nicht über die Köpfe der Bevölkerung entschieden wird", sagt Gemeinderat Georg Steinkellner.
"Erwarten deutliche Zustimmung"
KI Kelag International-Chef Bernd Neuner über die Bürgerbefragung.
Woche Lavanttal: Herr Neuner, hätte ein klares „Nein“ der Bevölkerung für die Abwicklung des Projekts irgendwelche Folgen?
Bernd Neuner: Gerade angesichts der aktuellen Herausforderungen – Stichwort unsichere Versorgung mit fossilen Energien beziehungsweise Abhängigkeit von Gasimporten aus Russland und Klimawandel – erwarten wir eine deutliche Zustimmung. Es geht um die Versorgungssicherheit und die Freiheit von fossilen Energieträgern und damit auch um die sichere Zukunft der nachfolgenden Generationen. Das Bewusstsein in der Bevölkerung spricht aufgrund der derzeitigen Energiekrise für mehr nachhaltige Energie aus der Region, für mehr Sicherheit und ein Ende der Abhängigkeit von Öl, Gas und Kohle aus dem Ausland. Der Ausbau der erneuerbaren Energien hat daher sehr hohes öffentliches Interesse. Rechtlich bindend wäre das Ergebnis der Befragung jedenfalls nicht.
Welche Argumente würden Sie einem unentschlossenen Reichenfelser Bürger vermitteln?
Energiekrise und Klimawandel zwingen zum sofortigen Handeln. Einsparen von Energie und Ausbau der Erneuerbaren – jeder Bürger, jede Region in Kärnten kann und muss einen Beitrag leisten. Kärnten braucht die Windkraft insbesondere für die Stromversorgung im Winter. Photovoltaik alleine kann die notwendigen Ziele bei Weitem nicht erreichen. Ökostrom aus der Region für die Region zur Sicherung der Versorgung, für die Stabilisierung der Strompreise, zur Sicherung der Wirtschaft und der Arbeitsplätze. Die Gemeinde und deren Bürger profitieren langfristig.
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