Alliiertenviertel
Wien will mit "Gufos" bis 2040 aus Gas aussteigen
Der Umstieg auf Fernwärme im Alliiertenviertel ist in vollem Gange. Viele der erforderlichen Arbeiten passieren dabei im Untergrund. Entscheidend dabei sind sogenannte Gufos. MeinBezirk.at war vor Ort, um mit einem Experten der Wien Energie einen Blick hinter die Kulissen zu wagen.
WIEN/LEOPOLDSTADT. Die Litfaßsäule hinter dem Ernst-Happel-Stadion kann mehr als nur Werbung. Denn öffnet man eine versteckte Tür, geht es über eine Leiter sechs Meter in die Tiefe. Während an der Oberfläche die Autos an der Kreuzung abzweigen, passiert dasselbe mit unserer Energie im Untergrund. Möglich macht das eine rund 50 Quadratmeter große, sogenannte Gebietsumformerstation (kurz: Gufo).
Insgesamt 600 Gufos gibt es in Wien, welche sich nicht nur unterhalb von Litfaßsäulen, sondern auch von Plätzen oder Straßenzügen befinden. Während man von ihrer Arbeit an der Oberfläche nichts merkt, sind sie für die Versorgung mit Fernwärme unabdingbar. Denn nur mit ihrer Hilfe werden Gebäude letztlich versorgt. Hierfür entnehmen sie das bis zu 145 Grad Celsius heiße Wasser aus dem zentralen Fernwärmenetz, auch Primärleitung genannt. Wenn die Gufos das Wasser dann an die Verteilernetze (Sekundärleitungen) wieder abgeben, hat es genau die nötigen 60 zu 90 Grad Celsius, welche es für Warmwasser und Heizwärme in den Haushalten braucht.
"Unser Fernwärmenetz ist mit ungefähr 1.300 Trassenkilometern eines der größten innerhalb Europas", erläutert Dominik Pernsteiner von Wien Energie bei einem Lokalaugenschein gegenüber MeinBezirk.at. Pernsteiner ist der technische Koordinator des Programms "Raus aus Gas", laut dem Programm soll die Bundeshauptstadt bis 2040 seine Abhängigkeit von Öl, Gas und Kohle überwunden haben.
Fernwärme spielt dabei eine wesentliche Rolle – und das nicht nur aus finanzieller Hinsicht. "Für sie spricht, dass sie nachhaltig, regional und sehr praktisch ist. Und bis 2040 wird sie komplett klimaneutral erzeugt", so der Experte. Derzeit werden rund 40 Prozent des Wiener Endenergieverbrauchs für Heizung und Warmwasser mit Fernwärme gedeckt. Es ist geplant, die Fernwärme weiter auszubauen und den Einsatz von fossilfreien, erneuerbaren Quellen und die Nutzung von bestehenden Abwärmequellen weiter zu erhöhen. Ein Beispiel einer Abwärmequelle ist etwa die Wärme, welche bei der Produktion der Manner-Schnitten in Hernals entsteht und genutzt wird.
Pioniergebiete machen den Anfang
Um den Ausbau der Fernwärme bis 2040 so effizient wie möglich zu schaffen, hat man vier Pioniergebiete ausgewählt: das Alliiertenviertel (2.), die Rossau (9.), die Gumpendorfer Straße (6.) und den Huber-Block (16.). Laut Pernsteiner würden sich diese wesentlich voneinander unterscheiden, wodurch man unterschiedliche Informationen gewinnen möchte.
Ein Grätzl mit vielen Altbauten und damit Gas-Thermen sowie Gasetagenheizung ist das Alliiertenviertel. "Dort haben wir den strategischen Fernwärmeausbau bereits gestartet", so der Experte. Aktuell errichtet man dort eine Gebietsumformerstation, um das Alliiertenviertel mit "erneuerbarer und regionaler Fernwärme" versorgen zu können. Diese soll doppelt so groß wie jene beim Ernst-Happel-Stadion werden. Aber auch die nötigen Leitungen werden im Untergrund verlegt. Eine Großbaustelle ist deshalb etwa in der Nordbahnstraße im Gange.
In zwei Phasen sollen die Pioniergebiete Schritt für Schritt auf Fernwärme umgestellt werden. Dabei bereitet Wien Energie die Fernwärmeanschlüsse für die Gebäude vor, ob sie angeschlossen werden, entscheiden dann die Hauseigentümer. Im Falle des Alliiertenviertels sollen zunächst 60 Gebäude bis 2026 umgestellt werden, danach sind die weiteren rund 200 an der Reihe.
Effizient umsteigen
Anhand der vier Pioniergebiete will man Erfahrungen sammeln, um diese für den Umstieg in der restlichen Stadt zu nützen. "Hierbei ist es wichtig, Synergien zu nutzen und möglichst vieles auf einmal zu machen", erläutert Pernsteiner. So werden die Straßenarbeiten nicht nur für das Alliierten-, sondern auch für das angrenzende Nordbahnviertel durchgeführt. Eine ähnliche Synergie gibt es etwa in der Gumpendorfer Straße, wo man den Fernwärmeausbau gemeinsam mit der anstehenden Straßensanierung durchführt.
Ein wesentlicher Punkt dabei sei die Zusammenarbeit einzelner Akteure. "Wir arbeiten hier eng mit der Stadt und den zuständigen Magistraten zusammen, um uns auszutauschen und voneinander zu profitieren", erläutert Pernsteiner. So verlegt man die Fernwärmeleitungen im Alliiertenviertel im Zuge von Sanierungsmaßnahmen der MA 28 in der Springergasse, wobei die Gebäude auch direkt angeschlossen werden können – sofern sich die Hauseigentümer dafür entscheiden. Aber auch abseits davon sei Kommunikation das A und O. Wichtig sei der Wien Energie auch der Austausch mit den Bewohnenden der betroffenen Grätzln: "Man merkt, dass das Interesse da ist, viele Menschen kommen zu den Baustellen, um Fragen zu stellen und sich zu informieren."
Bisher habe man gute Erfahrungen sammeln können. Dabei zeigt sich Pernsteiner auch hinsichtlich des Gesamtumstiegs in Wien optimistisch. "Die bislang gesammelten Erfahrungen und das Interesse der Menschen stimmen mich positiv und wir werden den Weg raus aus Gas bis 2040 gemeinsam weiter gehen", so der Experte.
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