Corona-Krise
So geht es Linzer SexdienstleisterInnen im zweiten Lockdown
SexdienstleisterInnen hat die Corona-Krise besonders hart getroffen. Auch weil sie kaum Unterstützung bekommen. Schuld sind die Kriterien für Hilfe und nach wie vor bestehende Vorurteile. Wir haben mit zwei Expertinnen darüber gesprochen.
LINZ. "Es wird zu existenziellen Schwierigkeiten kommen", sagt Elke Welser angesichts des zweiten Lockdowns. Sie leitet die Beratungsstelle LENA der Caritas in Linz, wo SexdienstleisterInnen Rat, Unterstützung und Begleitung finden. In Corona-Zeiten ist dieses Angebot besonders gefragt, denn der Virus und die damit verbundenen Maßnahmen haben die Branche hart getroffen.
Plötzlich ohne Einkommen
Bis 1. Juli waren Bordelle und Laufhäuser geschlossen und die Frauen und Männer ohne Einkommen. Viele haben die Situation falsch eingeschätzt, sind erst nicht in ihre Herkunftsländer zurückgefahren und dann hier festgesessen. Als Selbstständige zahlen sie Miete für die Zimmer, in denen sie nicht nur arbeiten, sondern oft auch wohnen. Auch wenn mancher Betreiber wohl darauf verzichtet hat, waren viele, die keine Rücklagen oder daheim jemanden zu versorgen hatten, auf Hilfe angewiesen. Hilfe, die der Härtefallfonds der Bundesregierung offenbar nur spärlich geboten hat. Warum, das hat JKU-Juristin Elisabeth Greif untersucht.
Erschwerter Zugang zu Härtefallfonds
Als neue Selbständige haben SexdienstleisterInnen eigentlich Anspruch auf Unterstützung. In der Praxis haben sie diese jedoch nur in den seltensten Fällen bekommen. Das liegt an einer Vielzahl von Erfordernissen, die den Zugang für SexdienstleisterInnen erschweren. Zunächst ist die Bürokratie kompliziert. "Schon für mich als Juristin war es nicht ganz leicht, durchzublicken", sagt Greif. Mit mangelnden Sprachkenntnissen hat man ohne Hilfe kaum eine Chance. Dann haben viele keine Steuernummer, die aber Voraussetzung für einen Antrag ist. Das liegt laut Greif daran, dass sie bis vor wenigen Jahren pauschal über den Bordellbetreiber besteuert wurden. Auch komme es vor, dass Finanzämter SexdienstleisterInnen einfach keine Steuernummer geben. Ähnlich verhält es sich mit einem Konto bei einer inländischen Bank. Auch das ist eine Voraussetzung, die viele nicht erfüllen, weil sie entweder immer nur kurz im Land sind oder Banken ihnen kein Konto geben würden. "Das sind alles Missstände, auf die soziale Organisationen schon lange hinweisen und die sich jetzt in der Corona-Krise besonders auswirken", sagt Greif.
"Verschämter Umgang in Österreich"
Das bestätigt auch Elke Welser von LENA. "Die Mehrheit kann diese Kriterien nicht erfüllen", so Welser. Es habe aber auch KlientInnen gegeben, die Hilfe bekommen haben. Greif sieht die Ursache der Misere in einem verschämten Zugang zur Sexarbeit in Österreich. Es brauche auf rechtlicher Ebene einen Umgang frei von Vorurteilen und Stigmatisierung. Juristisch ist Sexarbeit seit einigen Jahren nicht mehr sittenwidrig. Das müsse man dann aber auch stringent durchziehen und Sexarbeit als eine Tätigkeit wie alle anderen behandeln. "Wie bei vielen gesellschaftlichen Problemen ist Corona ein Brennglas, das diese Missstände sichtbar macht", so Greif.
Hoffnung auf kurzen Lockdown
Nun ist wieder Lockdown und die SexdienstleisterInnen stehen abermals ohne Einkommen da. Und wieder sind laut Welser sehr viele in Linz geblieben und warten – in der Hoffnung, dass der Lockdown auch für sie nur bis 6. Dezember dauert. Die Beratungen bei LENA erfolgen derzeit per Telefon, Skype oder auch über den Signal-Messenger. Es sei eine prekäre Situation. Die Caritas unterstützt KlientInnen, die sich in einer Notlage befinden, mit Spar-Gutscheinen oder einem Zugang zu Lebensmittelausgabestellen. "Sie melden sich aber nur dann, wenn es wirklich ganz schlimm wird", sagt Welser. Man schäme sich dafür, Hilfe annehmen zu wollen. "Aber wir versuchen diese Hürden kleiner zu machen", so Welser.
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