Interview
"Der Platz gehört neu und fair verteilt"

Lorenz Potocnik führt die Liste "Linz-plus" im Gemeinderat an.  | Foto: BRS/Diabl
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Lorenz Potocnik (Linz-plus) zieht im BezirksRundSchau-Sommergespräch Bilanz über das erste Jahr mit der eigenen Liste, und spricht zu Bürgermeister Luger, Verkehrsreferent Hajart, Radwege, falsche Bäume und die Ukraine-Krise.

LINZ. Nach seinem Bruch mit den Neos hat Lorenz Potocnik mit der Liste "Linz-plus" bei der Gemeinderatswahl im Herbst zwei Mandate erreicht.

Linz-plus ist jetzt bald ein Jahr im Gemeinderat. Was ist Ihre bisherige Bilanz?
Zufriedenstellend. Wir haben 26 Anträge gestellt, davon sind einige in die Gänge gekommen, wie die Community Nurses oder der integrative Spielplatz. Es ist nicht so, dass alles „gemüllt“ wird. Es macht Spaß mit meiner Kollegin Renate Pühringer und dem Team, wenngleich ich auch schon ein bisschen müde bin. Es ist außerdem zermürbend zu sehen, dass immer noch Klaus Luger Bürgermeister ist. 

Was ist der Unterschied zur vorigen Gemeinderatsperiode, als Sie noch die Neos-Fraktion angeführt haben?
Wir waren ein Mandat stärker und bei Abstimmungen das Zünglein an der Waage, also realpolitisch mächtiger. Was jetzt eindeutig besser ist: Wir arbeiten hervorragend zusammen ohne diese internen Schwierigkeiten, die wir von Anfang an bei Neos hatten.

Wie ist die Rolle von Linz-plus unter all diesen Fraktionen im neuen Gemeinderat?
Wir sind Ideen- und Impulsgeber. Und bei der Kontrolle sind wir die prägnantesten. 

"Das pickt an mir dran"

Die verkehrsberuhigte Domgasse haben Sie schon vor Jahren gefordert, aber der Wandel hat es jetzt erfolgreich initiiert. Was ist da passiert?
Das hängt mit meiner Geschichte zusammen. Ich habe sechs Jahre lang gnadenlos Opposition gemacht und das pickt an mir dran. Die Zeit ist aber auch reifer geworden und das Thema Verkehrsberuhigung bekommt mit Martin Hajart neuen Schwung. Markus Hein war damals noch nicht so weit.  

Linz-plus ist als Bürger:innenbewegung angetreten. Wie breit und aktiv ist die Basis nach dem Wahlkampf noch?
Das Kernteam trifft sich fast jede Woche, das ist wirklich sehr verbunden. Das gibt allen viel Kraft. Vom weiteren Umfeld gibt es einzelne, die sehr aktiv sind.

"Für Luger ist das eine Super-Position"

Wie läuft das freie Spiel der Kräfte im Gemeinderat?
Für Luger ist es momentan sehr bequem zu regieren, weil er mit jedem Einzelnen eine Mehrheit hat. Er spielt eine Dreier-Mühle und das kann man am Auftreten der Stadtsenatsmitglieder gut beobachten. Er zähmt sie wunderbar. Für Luger ist das eine Super-Position.

Was ja nicht heißt, dass es nicht funktioniert?
Aus seiner Sicht würde ich das auch so machen. Schade ist, dass die anderen ihre Souveränität verloren haben. Im Endeffekt sind sie alle schaumgebremst. 

"Hajart hat den Mund sehr voll genommen"

Verkehr ist eines Ihrer Kernthemen. Wie macht sich der neue Verkehrsreferent Martin Hajart?
Hajart hat den Mund sehr voll genommen, aber er muss sich noch beweisen. Da gebe ich ihm mehr als hundert Tage, da gebe ich ihm ein Jahr. Da arbeiten andere Kräfte im Hintergrund und ob er die „overrulen“ kann, ist die Frage. Er bringt auch vom ganzen Stil etwas Frisches rein. Die ÖVP hatte schon lange nicht mehr so eine Spitze. 

Mit „Mund voll nehmen“ meinen Sie Hajarts Ansage, Linz zur Radfahrstadt machen zu wollen.
Es ist nicht so, dass man einfach einen Radweg baut, sondern man muss irgendwo etwas wegnehmen. Der Platz gehört neu und fair verteilt, anders geht es einfach nicht. Und ob er sich da gegen Wirtschaftskammer, ÖVP-Kernthemen, Autolobby oder parkende Anrainer durchsetzen kann, weiß ich nicht. 

Potocnik würde das "Mindset" in der Stadtplanung vom passiven Reagieren hin zu einem selbstbewussten, souveränen, pro-aktiven Agieren verändern. | Foto: BRS/Diabl
  • Potocnik würde das "Mindset" in der Stadtplanung vom passiven Reagieren hin zu einem selbstbewussten, souveränen, pro-aktiven Agieren verändern.
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Für die Stadtplanung ist nun Dietmar Prammer verantwortlich. Was halten Sie von ihm?

Ich glaube, vom Fach versteht er noch nicht sehr viel, aber er hat Potenzial. Ich könnte mir vorstellen, dass er seine Arbeit in den nächsten Jahren gut machen wird.

Was würden Sie konkret anders machen?
Man müsste das Mindset der Stadtplanung komplett umdrehen, vom passiven Reagieren hin zu einem selbstbewussten, souveränen, pro-aktiven Agieren. Das zweite Thema ist Ebelsberg, das gehört endlich in die Gänge gebracht. Dort kann ein wirklicher Stadtteil entstehen.

Aber die Verkehrsfrage ist noch nicht geklärt. 
Die ist doch längst geklärt. Das Problem ist, dass die Stadt kein Geld hat und die Infrastruktur nicht zahlen kann.

Wie kommen die Leute dann in die Stadt?
Mit der Straßenbahn, einer Verbindung zur Schnellbahn und auf einem Radschnellweg. Viele werden auch im Umfeld arbeiten. Der dritte wichtige Punkt ist, Schluss mit den Umwidmungen von Grünland. Das ist nicht nötig, wir haben zehntausende Quadratmeter Baulandflächen, die mobilisiert gehören. Schluss mit dieser Luger-Doktrin, wonach wir alles machen, Hochhäuser bauen, Grünland umwidmen, das ist einfach ein Wahnsinn. Köln hat zum Beispiel eine eigene Baulücken-Agentur, die sich darum kümmert.  

"Das ist eine ungerechte Investition"

Sie haben die Baumpflanzungen im Rathausviertel nicht unterstützt. Warum?
Das ist eine ungerechte Investition. Warum machen wir das nicht im Neustadtviertel oder Andreas Hofer Park-Viertel, wo viele Menschen wohnen und es richtig heiß wird. Warum hübschen wir die Innenstadt auf? Linz betreibt zu viel „Greenwashing" und setzt Geld falsch ein, für teure Prestigeprojekte, wie dieses mitten in der Innenstadt.

Auch dort sind viele Menschen unterwegs.
Wir müssen uns aber um die Leute kümmern, die in ihren Wohnungen nicht mehr schlafen können. Hitzeinsel heißt nicht, dass es am Tag dort so heiß ist, sondern, dass es in der Nacht nicht mehr abkühlt. Ältere können daran sterben. Dort gehören die Bäume hin.

Lorenz Potocnik führt die Liste "Linz-plus" im Gemeinderat an.  | Foto: BRS/Diabl
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Uns steht ein ungemütlicher Herbst bevor. Die Teuerung könnte zu sozialen Verwerfungen führen. Soll und kann die Stadt helfen?
Es steht außer Frage für mich, dass man den Leuten, die wirklich existenziell bedroht sind, hilft – auch als Stadt und auch wenn es Millionen kostet. Wir geben so viel Geld für sinnloses Zeug aus, wie Stadien oder Autobahnen, dass wir für die wirklich wichtigen Dinge fast keine Spielräume mehr haben. Unser Vorschlag: Ein Beauftragter, der sämtliche Entscheidungen auf Armutsgefährdung prüft und diese Prüfung den Gemeinderäten als Entscheidungsgrundlage zur Verfügung stellt.  

Sie haben in den letzten Monaten viel Zeit in das Ukraine-Hilfsprojekt SUNUA gesteckt. Was macht das mit einem?
Für mich persönlich ist das eine gewaltige Bereicherung. Ich habe gesehen, was eine kleine Gruppe an Menschen zivilgesellschaftlich bewegen kann, wenn man unkompliziert und pragmatisch arbeitet. 

"Wir haben Flüchtlingen das Leben erleichtert"

Sie haben privat geholfen. Haben der Staat und die großen Organisationen ihre Aufgaben nicht erfüllt?
Unsere Arbeit war nicht überlebensnotwendig, aber wir haben den Flüchtlingen das Leben in einer schwierigen Situation erleichtert. Wir haben 600 Leute in Wohnungen untergebracht und sie täglich mit Essen, Kleidung und Hygieneartikeln versorgt. Die Grundversorgung hat zum Teil zwei bis drei Monate gebraucht, um anzulaufen. Da haben die Großen nicht performt. 

Corona, Energie, Teuerung und natürlich Klima: Die Krisen werden immer mehr. Wie optimistisch sind Sie eigentlich, dass die Menschheit diese Herausforderungen noch rechtzeitig bewältigt?
Wir Menschen tun uns wahnsinnig schwer, etwas vorauszusehen und dementsprechend zu handeln. Anscheinend brauchen wir den Schock. Das stimmt mich auch optimistisch. Es wird die nächsten Jahre wehtun, aber wir werden gestärkt herauskommen.

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