Stadtplanung für Fußgänger:innen
Linz muss Rumänien werden!

Bulevardul Eroilor in Cluj-Napoca. Der Gehsteig nimmt einen großen Teil des Raumes ein. Fußgänger:innen haben mehr Platz als Autos. Es ist genug Platz für einen Radstreifen.
23Bilder
  • Bulevardul Eroilor in Cluj-Napoca. Der Gehsteig nimmt einen großen Teil des Raumes ein. Fußgänger:innen haben mehr Platz als Autos. Es ist genug Platz für einen Radstreifen.
  • hochgeladen von Tobias Watzl

Linz muss Rumänien werden? Was verbirgt sich denn hinter dieser Forderung?

Ich war kürzlich in Rumänien und habe mir die dortige Kultur, aber auch die Stadtplanung in diversen rumänischen Städten angeschaut. Dabei sind mir einige Dinge aufgefallen, bei denen wir uns in Österreich und speziell in Linz etwas abschauen können.

Aber ist Rumänien nicht ein armes Ostblockland, in dem alles verfallen ist?

In der Tat ist Rumänien das Land mit dem zweitniedrigsten Medianeinkommen in der EU. Nur in Bulgarien ist das Medianeinkommen noch geringer. Allerdings ist Rumänien seit 2007 in der EU und die Infrastruktur im Land wird seither sukzessive mit Hilfe von EU-Förderungen verbessert.

Die Städte, die ich besucht habe sind mittlerweile durchaus mit österreichischen Städten vergleichbar und wie eingangs erwähnt sind einige Aspekte sogar besser umgesetzt worden. Es gibt jedoch ein großes Stadt-Land-Gefälle. In ländlichen Dörfern gibt es auch heute noch viele Schotterstraßen welche tatsächlich den Kauf eines Allradfahrzeuges rechtfertigen. Pferdefuhrwerke sind ebenfalls noch alltäglicher Anblick auf den ländlichen Straßen. In diesem Artikel möchte ich jedoch darauf fokussieren, was wir uns von rumänischen Städten abschauen können und das sind vor allem zwei große Themen.

Platz für Fußgänger:innen

Ich habe mir die Städte Oradea, Cluj-Napoca (gesprochen "Klusch") und Brașov (gesprochen "Braschow") angesehen. Was einem als Linzer in allen 3 Städten sofort auffällt: Die Breite der Gehsteige. Ein Großteil der Gehsteige in Rumänien ist viel breiter als hierzulande, insbesondere an den breiten Hauptverkehrsstraßen. Dort sind Gehsteige bis zu 4.5 m, mancherorts sogar 6 m breit. Zum Vergleich: In Linz sind viele Gehsteige in der Innenstadt nicht breiter als 2 bis 2.5 m. In manchen Nebenstraßen geht es sich dann aber doch nicht aus die Gehsteige breiter als 2 m zu bauen. Aber wenn die Gehsteige schon "nur" 2m breit sind, dann wird in Rumänien wenigstens darauf verzichtet, Schilder, Parkautomaten, Anschlusskästen, Ladesäulen und andere Hindernisse darauf zu stellen. Mit anderen Worten: Die 2 m können komplett von Fußgänger:innen genutzt werden. Die Schilder werden einfach vor und nach den Parkbuchten montiert. Zusätzlich sorgen an bestimmten Stellen kleine Poller dafür, dass niemand auf dem Gehsteig parken kann.

Diese breiten Gehsteige führen auch zu einer weiteren interessanten Beobachtung: E-Scooter stören nicht in Rumänien. Wenn der Gehsteig ohnehin schon so breit ist, dass ein E-Scooter niemals den ganzen Gehsteig blockieren kann, dann stören diese Gefährte auch nicht besonders. Außerdem gibt es auf den Gehsteigen Fahrradbügel, wo die E-Scooter problemlos abgestellt werden können. Insgesamt erscheint die Disziplin der Nutzer:innen in Rumänien besser als jene der Österreicher:innen.

Durch die breiten Gehsteige ist es auch kein Problem, dass vielerorts kaum Radinfrastruktur vorhanden ist. Cluj ist jetzt erst dabei, ein Radnetz zu schaffen. Es gibt zwar teilweise schon gute Radwege und wo immer Straßen umgebaut werden wird auch die Radinfrastruktur, oft auf Kosten von Autospuren, ausgebaut, dennoch beschränken sich die Radwege derzeit auf einen kleinen Bereich im Zentrum. Vielerorts fahren Leute deshalb auf dem Gehsteig. Weil die Gehsteige aber so breit sind, gibt es keine großen Konflikte zwischen Fußgänger:innen und Radfahrer:innen. Wo es Radstreifen gibt, werden diese mit ordentlich Farbe markiert, damit auch jeder erkennt, dass hier mit Radfahrer:innen zu rechnen ist. In Linz hingegen gibt es vielerorts das Problem, dass Radwege nicht als solche zu erkennen sind, weil keine Bodenmarkierungen vorhanden sind.

Einen noch stärkeren Schritt hat die Stadt Oradea an der ungarisch-rumänischen Grenze gemacht. In Oradea wurde ein Großteil der inneren Stadt zur Fußgängerzone umgewandelt. So kann man vom Autoverkehr ungestört flanieren und in einem der vielen Gastgärten der Stadt einen Kaffee genießen. Das besondere: Teilweise wurden die Straßen aufgerissen und durch Wiese ersetzt. Das ist auch gut für das Stadtklima. Insbesondere in den heißen Sommermonaten speichern Asphalt und Beton viel Hitze. Das macht Innenstädte oft besonders heiß. Deshalb ist es wichtig, die Städte an den Klimawandel anzupassen und abzukühlen.

Öffentliche Orte, die zum Aufenthalt einladen

Und damit kommen wir zum zweiten Thema. Denn in der Innenstadt von Oradea gibt es nicht nur aufgerissenen Beton, sondern auch Bänke zum Sitzen. Richtig viele Bänke. Warum ich so etwas banales wie Sitzbänke erwähne? Weil im Linzer Zentrum ein massiver Mangel an Sitzmöglichkeiten ohne Konsumzwang herrscht. Insbesondere in der Landstraße gibt es kaum bis gar keine Sitzmöglichkeiten. Besonders für ältere Menschen oder Menschen, die nicht gut zu Fuß unterwegs sind, kann es ein Problem sein, wenn die nächste Sitzmöglichkeit zu weit weg ist. Auch die Haltestellen des öffentlichen Verkehrs in Linz bieten oft nur wenige Sitzmöglichkeiten.

In Cluj hingegen stehen die Sitzmöglichkeiten oft einfach so an der Straße. Es ist zwar nicht unbedingt notwendig, aber teilweise haben diese Möbel sogar USB-Anschlüsse, damit man unterwegs mal das Smartphone aufladen kann.

Auch wenn Brașov sicher die für Fußgänger:innen unfreundlichste der 3 Städte ist, so ist man trotzdem auch hier noch besser dran als in Linz. Parallel zu den großen Straßen gibt es Wege, auf denen man als Fußgänger:in ungestört und mit viel Platz unterwegs ist, teilweise beschattet durch Bäume in den Parks. Es ist, als würde die Schubertstraße für den Autoverkehr gesperrt, mit Bäumen bepflanzt und einzig dem Fußverkehr gewidmet.
Eine weitere interessante Eigenheit rumänischer Städte konnte ich ebenfalls in Brașov beobachten. Viele der Parks sind als öffentliche Freizeiteinrichtungen konzipiert. Es gibt eine BMX-Bahn, Outdoor Tischtennistische (nagelneu und gereinigt, nicht mit Moos überwachsen), einen Calisthenics Park und viele Spielgeräte für Kinder. Außerdem gibt es noch Foodtrucks gleich um‘s Eck. Das alles gibt es auch in Linz. Der Unterschied: In Rumänien muss man dazu nicht irgendwo an den Stadtrand fahren, sondern es gibt all das nur 430 m Luftlinie vom Hauptplatz der Stadt entfernt.

Ein letzter, aber nicht unwichtiger Punkt sind öffentliche Toiletten und Wasserspender. Die meisten WCs sind kostenlos nutzbar. In Linz hat man vielerorts ein Problem, wenn man gerade kein Kleingeld eingesteckt hat. In Rumänien nicht. Die Qualität der WCs schwankt stark, von makellos bis kaum benutzbar, aber auch hier hat Linz im Vergleich definitiv noch Ausbaubedarf. Was in Cluj auch gut funktioniert ist, dass die WCs ordentlich mit Schildern angeschrieben sind und somit auch für Tourist:innen einfach zu finden sind.
Fix montierte Wasserspender gibt es an vielen Orten in den Städten, insbesondere in Parks. Das ist toll, wenn man an einem heißen Tag unterwegs ist und gerade kein Getränk mithat oder sich nichts kaufen möchte. Auch das ist Teil der Anpassung an den Klimawandel und auch hier sollten wir in Linz darüber nachdenken, in jedem Park zumindest zwei Wasserspender bereitzustellen.

Abschließend kann man sagen, dass es bei der Gestaltung des öffentlichen Raumes in unserer Stadt einiges gibt, was wir uns von Rumänien abschauen können. In Rumänien ist der Aufenthalt im öffentlichen Raum richtig angenehm, wenn man es mit Linz vergleicht. Es ist an der Zeit, dass auch unsere Stadt zu einem gemütlichen Ort wird. In Rumänien ist zwar auch noch nicht alles perfekt, wenn jedoch eine Straße renoviert wird, so wird sehr viel Wert auf die Aufenthaltsqualität für Fußgänger:innen gelegt. Ich würde mir wünschen, dass wir das in Österreich auch so handhaben.

Anzeige
1:46
1:46

WKOÖ Maklertipp
Rechtsschutzversicherung: Sichern Sie Ihr Recht!

Eine Rechtsschutzversicherung schützt Sie vor den Folgen von vielen möglichen Konfliktfällen – vor allem finanziell.  Es gibt viele Gründe für einen Streit vor Gericht: Angenommen, Ihr Vermieter erhöht den Mietzins in ungerechtfertigter Weise, Ihr Hund läuft einem Biker vor das Rad, Ihnen wird nach einem Verkehrsunfall das Schmerzensgeld verwehrt oder Ihr Arbeitgeber zahlt die Überstunden nicht. Von all diesen Fällen haben Sie schon gehört oder Sie haben sogar schon selbst eine solche oder eine...

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

UP TO DATE BLEIBEN

Aktuelle Nachrichten aus Linz auf MeinBezirk.at/Linz

Neuigkeiten aus Linz als Push-Nachricht direkt aufs Handy

BezirksRundSchau Linz auf Facebook: MeinBezirk.at/Linz - BezirksRundSchau

ePaper jetzt gleich digital durchblättern

Storys aus Linz und coole Gewinnspiele im wöchentlichen MeinBezirk.at-Newsletter


Du willst eigene Beiträge veröffentlichen?

Werde Regionaut!

Jetzt registrieren

Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.