Bergretter Hannes Kocher
"Die Hangneigung wird oft komplett ignoriert"

- Hannes Kocher: "Wir Bergretter müssten nicht so oft Lawinen-Verschüttete bergen, würde eine gute Tourenplanung durchgeführt."
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Schon in den ersten Tagen des neuen Jahres gab es im Lungau einige Lawinenabgänge, nach denen eine Ausrückung der Einsatzkräfte notwendig war. Vorkommnisse gab es beispielsweise in Thomatal, in Mauterndorf oder auch in Zederhaus. "Alles eigentlich vermeidbare Einsätze, wenn eine gute Tourenplanung durchgeführt wird!", betont Hannes Kocher, Bezirksleiter der Bergrettung Lungau. "Besonderes Thema ist die Hangneigung", wird er nicht müde zu betonen. Uns hat er erklärt, wie man eine Tour vernünftig und planvoll angeht.
LUNGAU. Warum waren zuletzt so viele Einsätze der Bergrettung notwendig?
HANNES KOCHER: "Nun, es wären alles eigentlich vermeidbare Einsätze gewesen, wenn eine gute Tourenplanung durchgeführt worden wäre. Besonderes Thema, was von den Leuten oft komplett ignoriert wird, ist die Hangneigung. Diese kann man sich zuvor in facheinschlägigem Kartenmaterial – analog auf Papier, online oder via Apps – anschauen."
Hat sich heuer der Typus des Tourengehers – heuer vielleicht auch wegen Corona – verändert?
KOCHER: "Ja, es sind mehr Anfänger unterwegs. Der Skitourensport wird mehr und mehr zur Trendsportart. Unter den Neulingen sind oft schlechte Skifahrer; Freizeitsportler ohne alpine Erfahrung, die keine Notfallausrüstung, geschweige denn einen Biwaksack, mithaben."
Was gilt es also vor dem Aufbruch zu einer Tour zu beachten?
KOCHER: "Tourenplanung ist das A und O. Bei all dem ist es wichtig sich zu fragen: Erstens, wer geht – zum Beispiel kleine oder große Gruppe, Anfänger oder Erfahrene et cetera. Zweitens, wann geht man: hier meine ich die Tageszeit, denn zum Beispiel nachmittags besteht im Spätwinter beziehungsweise im Frühling die Gefahr von Nassschneelawinen. Und drittens: Wohin geht man – Länge der Tour, Hangneigung und so weiter. Von diesen Voraussetzungen ausgehend, sollte man sich dann den Wetter- sowie den Schneebericht anschauen. Außerdem sind die Angaben des Lawinenwarndienstes auf www.lawine.at aufmerksam zu lesen. Darüber hinaus gibt es diverse Apps, wie etwa 'Snowsafe' – diese ist gratis –, wo die aktuelle Lawinenlage analysiert wird und wo man übrigens auch die Hangneigung abrufen kann. Wer kein Internet hat, der soll zumindest den Lawinenwarnbericht in den aktuellen Tagesmedien lesen."
Wie viele Warnstufen gibt es?
KOCHER: "Fünf, wobei vor allem die Stufen zwei (mäßig) und drei (erheblich) von den Wintersportlern vielfach unterschätzt werden; ich warne davor, dies zu tun!"

- Hannes Kocher ist der Leiter der Bergrettung im Lungau. Er weiß, wie eine Schitour geplant gehört, und was zu beachten ist, wenn man in der Natur unterwegs ist.
- Foto: Hannes Kocher
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Welche Ausrüstung muss mit auf den Berg?
KOCHER: "Ich empfehle unterschiedliche warme Bekleidungsschichten. Ein Rucksack muss mit auf Tour – darin verstaut sind Wechselwäsche, etwas zu trinken und eine Jause; weiters ist eine Notfallausrüstung im freien Gelände so gut wie Pflicht. Dabei handelt es sich um: Lawinenverschüttetensuchgerät (LVS), Sonde, Schaufel, Erste-Hilfe-Packerl mit Rettungsdecke, ein Handy für Notrufe sowie einen Biwacksack."
Was halten Sie von Airbag-Rucksäcken?
KOCHER: "Grundsätzlich ein gutes Tool, aber nicht unumstritten, weil man sich zu überschätzen beginnt und in gefährliche Hänge eher einfährt. Besser als ein Airbag ist eine ordentliche Planung und der Hausverstand."
Was ist vor dem unmittelbaren Abmarsch zu beachten?
KOCHER: "Das LVS-Gerät einschalten, auf seine Funktion kontrollieren und den Gruppencheck machen; dann stetig die bereits im Vorfeld via Karten studierte Hangneigung direkt vor Ort neu einschätzen und beurteilen. Ein Beispiel: Bei Warnstufe drei sollte man auf Hänge mit über 35 Grad Neigung – hier gilt nicht ein Teilstück, sondern der gesamte Hang – verzichten! Diese Beurteilung nennen wir 'Stop or Go'-Methode."

- Hannes Kocher: "Bereits beim Aufstieg die Abfahrtsvariante festlegen und wenn möglich die gleiche Strecke für die Abfahrt wählen, weil beim Aufstieg ist man vorsichtiger. Wichtig: Hangneigung unterwegs immer wieder kontrollieren!"
- Foto: Hannes Kocher
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Haben Sie Tipps für unterwegs?
KOCHER: "Bereits beim Aufstieg die Abfahrtsvariante festlegen und wenn möglich die gleiche Strecke für die Abfahrt wählen, weil beim Aufstieg ist man vorsichtiger. Wichtig: Hangneigung unterwegs immer wieder kontrollieren! Und: Ist man in der Gruppe unterwegs, dann unbedingt Sicherheits- und Entlastungsabstand halten: ein Richtwert beim Aufstieg sind mindestens 20 Meter. Die Abfahrt erfolgt einzeln und unter Beobachtung der Bergkameraden."
Ein Abschlusswort!?
KOCHER: "Schitourengeher sollten sich immer vor Augen halten: Mache ich bei der Planung alles richtig, dann erübrigt sich vieles und die Tour wird zum Genuss.“
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