Psychosomatik
Seelisches Ungleichgewicht kann sich am Essverhalten zeigen
Viele Menschen denken, dass Übergewicht etwas mit Disziplin und Konsequenz zu tun hat. Tatsächlich sei es oft ein äußeres Zeichen für seelisches Ungleichgewicht, berichtet jetzt Walter Neubauer. Er ist Leiter der Abteilung Psychosomatik für Erwachsene am Klinikum Wels-Grieskirchen.
OÖ. Neben der Magersucht und Bulimie stellt die Binge-Eating-Störung ein komplexes Krankheitsbild dar.
„Bei Binge Eating handelt es sich um eine psychisch bedingte Essstörung, bei der Betroffene unverhältnismäßig große Nahrungsmengen in kurzer Zeit zu sich nehmen – obwohl sie gar kein oder nicht ein derart starkes Hungergefühl verspüren. Betroffene verfügen über eine geringe Konfliktfähigkeit, sie haben einen hohen Perfektionsanspruch, nehmen ihr eigenes Körperbild aber verzerrt wahr. Gefühle können nicht gut differenziert werden. Deshalb nehmen sie auch kein Sättigungsgefühl wahr", erklärt Neubauer.
Merkmale seien zum Beispiel ein wesentlich schnelleres Essen als üblich, Essen bis zum unangenehmen Völlegefühl und Schuldgefühle, Ekel oder Verzweiflung nach einer Essattacke. Betroffen seien in Oberösterreich ungefähr 20.-30.000 Menschen, meist zwischen 20 und 30 Jahren.
Konflikte anders als über das Essen regulieren
Das Department für Psychosomatik für Erwachsene am Klinikum Standort Grieskirchen versucht bei der Behandlung, dass Stress, Konflikte und unangenehme Gefühle anders als über das Essen reguliert werden.
„Die Binge‐Eating‐Störung kann mit einer Art Suchtverhalten verglichen werden – was die Therapie umso schwieriger gestaltet, da Nahrung ja nicht wie etwa Alkohol oder Nikotin aus dem Tagesablauf gestrichen werden kann. Vordergründig geht es nicht um eine starke Gewichtsreduktion, sondern um das Wiedererlangen eines kontrollierten Essverhaltens“, sagt Neubauer. Behandelt werde meist mit stationärer Psychotherapie - am Klinikum Wels-Grieskirchen zehn Wochen lang, abwechselnd mit jeweils zwei Wochen im Krankenhaus und zwei Wochen zu Hause. Therapiert wird in Einzel- und Gruppensitzungen, mit Spannungs- und Gefühlsregulation, aber auch mit Ernährungsberatung, Bewegung und Entspannung. Auf freiwilliger Basis wird eine Nachsorgegruppe angeboten.
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