Pflege
Bis 2030 fehlen 76.000 Kräfte – Wöginger: Reform kann Problem lösen

Sehen in Bundespflegereform die Chance, dass der Fachkräftemangel in der Pflege bewältigt werden kann: Oberösterreichs Soziallandesrat Wolfgang Hattmannsdorfer und ÖVP-Klubobmann August Wöginger. | Foto: Land OÖ/Margot Haag
  • Sehen in Bundespflegereform die Chance, dass der Fachkräftemangel in der Pflege bewältigt werden kann: Oberösterreichs Soziallandesrat Wolfgang Hattmannsdorfer und ÖVP-Klubobmann August Wöginger.
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Mit der in ersten Teilen Anfang Juli beschlossenen Bundespflegereform könne sich der gravierende Mangel an Pflegekräften laut Experten wettmachen lassen, sagte ÖVP-Klubobmann August Wöginger in einem Hintergrundgespräch mit Oberösterreichs Soziallandesrat Wolfgang Hattmannsdorfer.

OBERÖSTERREICH. Drei große Ziele seien in den zwei Jahre dauernden Verhandlungen über die Pflegereform verfolgt worden, so Wöginger: "Das Wichtigste war, das Personal zu halten und wieder neues zu gewinnen." Weiters ging es laut dem ÖVP-Klubobmann darum, pflegende Angehörige zu unterstützen und drittens die Bedingungen in den Pflegeberufen zu verbessern, etwa durch die Erweiterung der Berufskompetenzen. 

Sozialberufe wurden berücksichtigt

Soziallandesrat Hattmannsdorfer sieht in den Maßnahmen der Pflegereform einen Meilenstein: "Für Oberösterreich zählt, dass die Sozialberufe nicht gegenüber den Gesundheitsberufen benachteiligt werden. Denn in der Langzeitpflege in Oberösterreich üben etwa drei Viertel der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen Sozialbetreuungsberuf aus", so Hattmannsdorfer. Die Sozialberufe seien erst auf Druck aus Oberösterreich in der Pflegereform berücksichtigt worden – Klubobmann Wöginger habe die "oberösterreichischen Interessen eingebracht."  Hattmannsdorfer hatte in der Begutachtungsfrist aber auch in Allianz mit dem Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) "eine Erweiterung der Kompetenzen und ein Ausbildungsstipendium für die Fachsozialbetreuungsberufe für die volle Dauer der Ausbildung“ gefordert.

Weitere Verhandlungen gefordert

Hattmannsdorfer sieht die bereits beschlossenen Maßnahmen als Teilerfolg, fordert aber einen unmittelbaren Start der Verhandlungen zum zweiten Pflegepaket, um weitere Verbesserungen zu erreichen. Konkret gehe es etwa darum, dass Heimhelfer Augentropfen verabreichen, Personen mit Verbänden waschen oder sturzgefährdete Heimbewohner zum WC begleiten dürfen. Auch die Kompetenzen der Pflegefachassistenz und Diplomierter Pflegefachkräfte soll erweitert werden. Zudem müsse das tatsächliche Einstiegsalters in die Pflegelehre, das derzeit bei 17 Jahren liege, gesenkt und die "alte" Ausbildung zur Diplomierten Gesundheits- und Krankenpflegekraft ohne Matura über das Jahr 2024 hinaus erhalten werden.

Maßnahmen im Milliarden-Paket

Insgesamt umfasst das rund eine Milliarde schwere Pflegepaket, von dem Teile erst im Herbst beschlossen werden, laut Wöginger und Hattmannsdorfer 20 Maßnahmen – hier ein vom Sozialressort des Landes OÖ erstellter Überblick:

  1. Gehaltszuschlag für Beschäftigte: Mehr Gehalt für alle Beschäftigten in der Pflege: Der Bund stellt zur Attraktivierung des Pflegeberufs bis Ende 2023 insgesamt 570 Millionen Euro für die Erhöhung der Gehälter von Diplomierten Gesundheits- und Krankenpflegerinnen und -pflegern, Pflegeassistentinnen/Pflegeassistenten, Pflegefachassistentinnen/Pflegefachassistenten sowie für Heimhilfen und Behindertenbegleiterinnen und –begleiter zur Verfügung. Die Auszahlung könnte voraussichtlich als monatlicher Gehaltsbonus erfolgen. Die Mittel werden gemeinsam von den Ländern und Sozialpartnern verteilt.
  2. Entlastungswoche Pflege: Dringend benötigte Erholung bringt eine zusätzliche Entlastungswoche. Als Maßnahme des Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerschutzes erhalten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Pflegeassistenz, der Pflegefachassistenz und im gehobenen Dienst ab dem 43. Geburtstag eine zusätzliche Entlastungswoche. Diesen Anspruch haben alle als Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer beschäftigten Pflegekräfte, unabhängig von der Dauer ihrer Betriebszugehörigkeit, zusätzlich zur fünften Urlaubswoche.
  3. Nachtarbeit: In allen Pflegeheimen (stationäre Langzeitpflege) wird es künftig generell zwei Stunden extra Zeitausgleich für Nachtdienste geben, die mindestens sechs Stunden dauern.
  4. Kompetenzerweiterungen gibt es für Pflegeassistentinnen/Pflegeassistenten und Pflegefachassistentinnen/Pflegefachassistenten: Sie dürfen künftig beispielsweise Infusionen anschließen und Injektionen geben.
  5. Die Befristung des Berufs der Pflegeassistenz bis Ende 2024 wird aufgehoben. Schon jetzt ist aufgrund der Zwischenevaluierung klar, dass diese Tätigkeiten weiter gebraucht werden.
  6. Der Zugang zum Pflegeberuf in Österreich für ausländische Pflegekräfte wird erleichtert. Für abgeschlossene Ausbildungen und Alter (bis 50 Jahre) gibt es mehr Punkte. Wer in Österreich eine Pflegeausbildung absolviert hat, darf dann hier auch in der Pflege arbeiten.
  7. Pflegelehre: Es wird im Bereich Pflege zusätzlich zu den bisherigen Ausbildungen – vorerst als Pilotprojekte – in ganz Österreich eine Pflegelehre geben. Sie wird vier bzw. drei Jahre dauern und mit einem Lehrabschluss als Pflegefachassistenz oder Pflege-assistenz enden. Er ermöglicht auch den Zugang zur Ausbildung zur/zum Diplomierten Gesundheits-und Krankenpflegerin und -pfleger an einer Fachhochschule. Im vierten Lehrjahr soll das Lehrlingseinkommen ca. 1.500 Euro pro Monat betragen.
  8. Überführung der Schulversuche zu Pflegeassistenzberufen ins Regelschulwesen: Im Rahmen eines Schulversuchs werden an dreijährigen berufsbildenden mittleren Schulen und fünfjährigen berufsbildenden höheren Schulen seit 2020/21 österreichweit insgesamt rund 600 Schülerinnen und Schüler ausgebildet. Ab dem Schuljahr 2023/24 soll diese Ausbildungsform in das Regelschulwesen übernommen werden.
  9. Ausbildungsbeitrag: Wer eine Erstausbildung in einem Pflegeberuf macht, erhält einen Ausbildungsbeitrag von zumindest 600 Euro netto pro Monat für Ausbildungen in Gesundheits- und Krankenpflegeschulen und Fachhochschulen. Auszubildende in Sozialbetreuungsberufen und an berufsbildenden Schulen bekommen 600 Euro für einen Teil der Ausbildungszeit, insbesondere Praktika. Der Bund stellt den Ländern zu diesem Zweck insgesamt 225 Millionen Euro für drei Jahre zur Verfügung, um zwei Drittel der so entstehenden Kosten abzudecken.
  10. Pflegestipendium: Personen, die an einer vom AMS geförderten Ausbildung zum Umstieg in einen Pflegeberuf wie Pflegeassistenz, Pflegefachassistenz oder an einer Schule für allgemeine Gesundheits- und Krankenpflege teilnehmen, erhalten ab 2023 ein Pflegestipendium. Das Pflegestipendium wird zumindest 1.400 Euro pro Monat betragen. Beim AMS werden bis zu 1.000 zusätzliche Ausbildungsplätze vergeben.
  11. Erleichterungen bei der Zuwanderung von ausgebildeten Fachkräften: Sie erhalten einfacher die Rot-Weiß-Rot-Card, also die Arbeitserlaubnis samt Aufenthaltstitel. Außerdem erleichtert die Bundesregierung die Anerkennung von ausländischen Ausbildungen. Die hohen Qualitätsstandards bleiben laut Regierung sichergestellt. Pflegekräfte erhalten die Möglichkeit, als Pflegeassistenz oder Pflegefachassistenz tätig zu werden, bis die Nostrifikation abgeschlossen ist
  12. Durchlässigkeit erhöhen: Es wird ein bedingter Rechtsanspruch auf Weiterbildung im Berufsleben geschaffen. Menschen in der Pflege können zukünftig in der Arbeitszeit eine weiterführende und/oder kompetenzerweiternde Ausbildung absolvieren. Das AMS ersetzt der Dienstgeberin/dem Dienstgeber 75 Prozent der Lohnfortzahlung.
  13. Pflegekarenzgeld: Künftig besteht drei Monate Rechtsanspruch auf Pflegekarenz statt bisher ein Monat. Voraussetzung ist, dass dieser Rechtsanspruch in einem Kollektivvertrag oder einer Betriebsvereinbarung vorgesehen ist. Die Antragsfrist auf Pflegekarenzgeld wird auf einen Monat verlängert, auch wenn die Maßnahme bereits beendet wurde. Zusätzlich wird die Frist zur Antragstellung bei noch laufender Pflegekarenz auf bis zu zwei Monate verlängert.
  14. Zuwendungen für die Ersatzpflege: Förderfähig ist künftig schon eine Ersatzpflege über ein Wochenende (mindestens drei Tage), nicht erst, wenn die Ersatzpflege eine ganze Woche dauert. Das hilft pflegenden Angehörigen, wenn sie aufgrund von Krankheit, Kur, Urlaub oder sonstigen Gründen vorübergehend verhindert sind.
  15. Pflegekurse für pflegende Angehörige: Es werden Zuwendungen zu den Kosten von Pflegekursen für pflegende Angehörige ermöglicht.
  16. Ausweitung des kostenlosen Angehörigengesprächs auf fünf Gesprächstermine.
  17. Entfall der Anrechnung der erhöhten Familienbeihilfe auf das Pflegegeld: Die erhöhte Familienbeihilfe wird nicht mehr auf das Pflegegeld angerechnet. Von dieser Maßnahme profitieren rund 45.000 Personen, die 60 Euro pro Monat mehr erhalten.
  18. Demenz-Zuschlag: Für die Einstufung zum Pflegegeld bei Menschen mit schweren psychischen Behinderungen oder Demenz werden künftig statt 25 Stunden 45 Stunden pro Monat extra angerechnet. Damit stehen 20 Stunden zusätzlich pro Monat für die Pflege und Betreuung zur Verfügung. Dadurch wird in den meisten Fällen auch das Pflegegeld erhöht.
  19. Angehörigenbonus: Ab Pflegestufe 4 erhalten pflegende Angehörige und Personen im Pensionsalter eine jährliche Sonderzuwendung in der Höhe von 1.500 Euro ab dem Jahr 2023.
  20. Förderung der 24h-Betreuung: Durch eine Verbesserung der arbeitsrechtlichen Bedingungen soll eine Attraktivierung der unselbstständigen Beschäftigung der 24h-Betreuung geschaffen werden. Die 24h-Pflege könnte künftig für bis zu drei Personen im gleichen Haus im Anstellungsverhältnis zu einer öffentlichen Körperschaft oder gemeinnützigen Organisation möglich sein. Dazu werden die Sozialpartner ersucht, ein Modell zu vereinbaren – insbesondere, um eine EU-konforme Arbeitszeit sicherzustellen. In diesem Zusammenhang sollen auch die Zuschüsse zur 24h-Betreuung erhöht werden. Für eine Anpassung der Zuschüsse sind 16 Millionen Euro reserviert. Dies muss mit den Bundesländern abgeklärt werden. Ein konkretes Modell soll im Herbst 2022 umgesetzt werden. Die selbstständige 24h-Betreuung ist davon unberührt und bleibt zusätzlich bestehen.
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