60 und kein bisschen müde
Sportlegende Christoph Etzlstorfer feiert runden Geburtstag

Jubilar Christoph Etzlstorfer wird es nicht langweilig – der gebürtige Linzer hat viele Funktionen inne und leistet wichtige Arbeit für den Behindertensport.  | Foto: BRS/Flecker
9Bilder
  • Jubilar Christoph Etzlstorfer wird es nicht langweilig – der gebürtige Linzer hat viele Funktionen inne und leistet wichtige Arbeit für den Behindertensport.
  • Foto: BRS/Flecker
  • hochgeladen von Clemens Flecker

Christoph Etzlstorfer feiert in wenigen Tagen seinen 60. Geburtstag. Im Gespräch mit der BezirksRundSchau blickt der zweifache Sportler des Jahres Oberösterreich auf sein bewegtes Leben und seine erfolgreiche Karriere zurück.

BRS: Herr Etzlstorfer, Gratulation zum runden Geburtstag. Wie begehen Sie Ihren Ehrentag?
Etzlstorfer: Für meinen Geburtstag habe ich keine größere Feier geplant. Ich denke, es ist heutzutage keine besondere Leistung mehr, älter zu werden. Deshalb feiere ich meinen Sechziger auch nur im engsten Familienkreis.

Mit dem Handbike feierte der Linzer tolle Erfolge – bei den Paralympics 2004 gab es Gold im Zeitfahren sowie Bronze im Straßenlauf. | Foto: Franz Baldauf
  • Mit dem Handbike feierte der Linzer tolle Erfolge – bei den Paralympics 2004 gab es Gold im Zeitfahren sowie Bronze im Straßenlauf.
  • Foto: Franz Baldauf
  • hochgeladen von Clemens Flecker

Die Liste Ihrer Erfolge im Behindertensport könnte kaum länger sein. Welchen Erfolg würden Sie besonders hoch einordnen?
Der Weltmeistertitel 1990 im Marathon war für mich eine tolle Bestätigung. Da ich mein Trainingsprogramm selbst zusammenstellte, empfand ich eine doppelte Befriedigung. Einerseits, weil ich das Training so gestalten konnte, um ein hohes Leistungsniveau zu erreichen – andererseits, weil ich als Sportler auch fähig war, es im Wettkampf umzusetzen. Die Paralympics-Medaillen waren ebenfalls sehr schön – da war es auch immer egal, ob in Gold, Silber oder Bronze.

Zwei weitere wichtige Erfolge für mich waren die Wahlen zum Sportler des Jahres in Oberösterreich. Ich war der erste Behindertensportler in Österreich, der diese Auszeichung erhalten hat – und das vor Sportstars wie Andi Goldberger oder Hannes Trinkl. Das habe ich damals schon als sehr große Wertschätzung für mich persönlich und den Behindertensport im Allgemeinen empfunden. Der zweite Sieg bei der Sportlerwahl 2004 ist mir in besonderer Erinnerung geblieben – damals fand die Ehrung im voll besuchten Posthof in Linz statt. Dann auf der Bühne erneut zum Sportler des Jahres ausgezeichnet zu werden, das war ein echter Gänsehautmoment für mich.

Sie sind seit 42 Jahren querschnittgelähmt. Wie kam es zu dieser Verletzung?
Ich war damals 17 Jahre alt und in der 4. Klasse der HTL Paul-Hahn-Straße. Im Turnunterricht sind wir Saltos gesprungen, die ich damals recht gut beherrscht habe. Bei einem Versuch habe ich mich aber überdreht und landete mit dem Kopf voran auf der Matte. Ich brach mir dabei einen Wirbel, der das Rückenmark verletzte und so die Querschnittlähmung verursachte.

Ganze acht Meistertitel hamsterte Etzlstorfer (re.) mit dem Team Upper Austria im Rollstuhlrugby ein.  | Foto: Sandra Winzer
  • Ganze acht Meistertitel hamsterte Etzlstorfer (re.) mit dem Team Upper Austria im Rollstuhlrugby ein.
  • Foto: Sandra Winzer
  • hochgeladen von Clemens Flecker

Wie haben Sie diese schwierige Herausforderung gemeistert?
Es war ein gravierender Einschnitt in mein Leben. Als junger Mensch wollte ich auf eigenen Beinen stehen und unabhängig werden – plötzlich war das genaue Gegenteil der Fall. Im Rehazentrum in Bad Hering habe ich dann alles gelernt, was man als frischer "Querschnittler" lernen muss. Also alltägliche Dinge wie Körperpflege, das Einladen des Rollstuhls ins Auto und viele andere Dinge. Nach viereinhalb Monaten kam ich bereits zurück nach Linz, was für damalige Verhältnisse ein sehr kurzer Zeitraum war. Für normal dauerten solche Reha-Aufenthalte acht bis zwölf Monate. Mit viel Unterstützung der Mitschüler und Lehrer habe ich dann das Schuljahr nachgemacht, ein Jahr später maturiert, und anschließend mit dem Studium Wirtschaftsingenieurwesen Technische Chemie an der Uni Linz begonnen.

Vor 40 Jahren wurde auf Barrierefreiheit praktisch keine Rücksicht genommen. Was hat sich seither für Menschen im Rollstuhl gebessert? 
Als ich zurück nach Linz kam, war kaum etwas barrierefrei. Sehr viele Gebäude hatten Stufen am Eingang, öffentliche Verkehrsmittel waren überhaupt nicht barrierefrei, auch ins Kino zu gehen, war mit vielen Hürden verbunden. Auf der Universität in Linz haben mich meine Studienkollegen immer die Stiegen hinaufgetragen. Ungewohnt war es auch bei Lokalbesuchen zu sitzen, während alle anderen rund um mich gestanden sind. Da bekommt man schnell einen steifen Nacken vom ständigen Hochschauen. Im Vergleich zu früher ist zwar das Bewusstsein für Barrierefreiheit gestiegen, aber bei bestehenden Gebäuden ist noch immer sehr viel Verbesserungspotenzial vorhanden. Bei vielen Geschäften gibt es noch immer viele Stufen. Oder auch bei diversen Fitnesscentern, die ich regelmäßig besuche. Es ist schon einiges besser geworden – die Dinge verbessern sich aber nur sehr langsam.

Ich habe damals ab und zu Gastkommentare in einem Printmedium verfasst und auf diese Themen auch aufmerksam gemacht. Gelegentlich bekam ich Feedback von Lesern, die mir meist beigepflichtet haben - geändert hat sich dann aber trotzdem relativ wenig. Ich habe den Eindruck, dass der Wille und das Bewusstsein zwar da sind, es politisch aber sehr lange dauert, bis sich wirklich etwas bewegt. 

Besondere Ehre – bei den Paralympics 2008 in Peking fungierte der geborene Linzer als Fahnenträger. | Foto: Franz Baldauf
  • Besondere Ehre – bei den Paralympics 2008 in Peking fungierte der geborene Linzer als Fahnenträger.
  • Foto: Franz Baldauf
  • hochgeladen von Clemens Flecker


Sie waren 27 Jahre im Leistungssport aktiv und haben die ganze Welt gesehen. Wo steht Österreich – in Bezug auf rollstuhlfreundliche Infrastruktur – im Vergleich zu anderen Ländern?

Wenn ich mehrere Wochen am Stück unterwegs war, dann war ich schon immer sehr froh wieder da zu sein, wo ich mich gut auskenne und zuhause bin. Aber wenn ich in Australien, Kanada oder den USA unterwegs war, dann ist mir erst wieder aufgefallen, wieviele Barrieren es bei uns zuhause noch gibt. Was ich dort vor 30 Jahren erlebt habe, das erlebe ich heute noch nicht einmal in Europa – da sind sie uns in den anglo-amerikanischen Ländern um Jahrzehnte voraus. In den USA hat das natürlich viel mit den Kriegsveteranen zu tun, da wurde sehr viel getan für die Leute. So gesehen, war das immer etwas ernüchternd, wenn ich heimgekommen bin. 

Haben Sie deshalb jemals ins Auge gefasst, Ihren Lebensmittelpunkt ins Ausland zu verlegen?
Das eher nicht. Speziell bei den USA habe ich mir das zwar schon ab und zu gedacht, aber ich habe auch gesehen, dass es viele andere Punkte gibt, die bei uns besser sind – wie unser Sozialsystem zum Beispiel. Für eine begrenzte Zeit fühlt man sich schnell einmal sehr wohl an einem anderen Ort. Längerfristig merkt man aber, dass es auch Dinge gibt, die nicht so toll sind, was den Lebensstandard betrifft. In Oberösterreich fühle ich mich einfach am wohlsten.

Als Trainer im Fitness- und Ausdauerbereich unterstützt Etzlstorfer Paralympics-Athleten. | Foto: clemensbernhard.com
  • Als Trainer im Fitness- und Ausdauerbereich unterstützt Etzlstorfer Paralympics-Athleten.
  • Foto: clemensbernhard.com
  • hochgeladen von Clemens Flecker

Wann entstand nach ihrer Verletzung der Gedanke Rollstuhlsport so intensiv zu betreiben?
Ich habe auch vor meinem Unfall schon ein bisschen Sport gemacht – hauptsächlich Laufen, Radfahren oder auch Schwimmen im Pichlingersee. Wir hatten damals in der HTL eine 41-Stunden-Woche und dazu noch Freifächer, so gesehen war da wenig Zeit übrig. Als ich nach meiner Verletzung zurück nach Linz kam, habe ich mein sportliches Pensum ungefähr auf demselben Level gehalten. Anstelle des Laufens, bin ich mit meinem Alltagsrollstuhl in der Gegend herumgefahren.

Irgendwann nahm ich dann an Wettkämpfen teil und das hat mir extrem getaugt. Die Atmosphäre und die Stimmung waren toll und ich bin auch nicht überall Letzter geworden, was mich damals auch gefreut hat. So bin ich nach und nach hineingewachsen und sammelte mit der Zeit immer mehr Erfolgserlebnisse. Es hat sich dann so entwickelt, dass ich täglich bis zu dreimal trainiert und an internationalen Wettkämpfen in Amerika, Japan oder Australien teilgenommen habe.

Gab es damals schon Förderungen oder mussten Sie alles aus eigener Tasche finanzieren?
Im Vergleich zu dem, was Behindertensportler heute an Unterstützung erhalten, war es wenig bis gar nichts. Aber der Sport war einerseits noch billiger und der damalige Behindertensportverband hat bestmöglich unterstützt. Mit der Zeit hat sich der Sport als sich selbst finanzierendes Hobby herauskristallisiert. Da ich ein gutes Leistungsniveau hatte, konnte ich mehrere Sponsoren gewinnen. Am Materialsektor wurde ich von Rollstuhlfirmen unterstützt und war sozusagen wie ein Werksfahrer. Dank guter Leistungen luden mich die Veranstalter teilweise zu den Wettbewerben ein und übernahmen die Kosten für Reise und Unterkunft. Wenn man gewonnen hat, dann gab es auch Prämien in Höhe von 1.000 bis 2.000 Euro – so haben sich Einnahmen und Ausgaben recht gut in Balance gehalten. 

Wie ließ sich Ihr sportliches Vorankommen mit der Arbeit auf der Universität vereinbaren?
Da bin ich der Uni Linz nach wie vor sehr dankbar, insbesondere Professor Falk. Meine sportlichen Aktivitäten wurden mit sehr viel Interesse und Wohlwollen begleitet und ich durfte meine halbtägige Arbeitszeit flexibel einteilen. Wenn ich wieder länger in Linz war, dann konnte ich meine Stunden wieder einarbeiten – das war mir natürlich eine große Hilfe, ohne die es nicht funktioniert hätte. 

Schwelgen Sie gerne in Erinnerungen an die sportliche Karriere?
Nein, das eigentlich überhaupt nicht. Ich hätte auch gar keine Zeit dazu, da ich genug andere Aufgaben habe. Ich trainiere selber weiterhin regelmäßig, außerdem bin ich als Trainer im Fitness- und Ausdauersport aktiv und unterstütze in erster Linie Sportler aus dem Paralympics-Bereich. Ich habe Lehraufträge auf der Fachhochschule für Physiotherapie oder auch an der Uni Krems für Sportwissenschaften und Sportmedizin. Dazu kommen noch jede Menge Funktionen in verschiedenen Verbänden im Behindertensport. 

Seine Expertise ist gefragt – Etzlstorfer (re.) mit einer Handbike-Trainingsgruppe. | Foto: clemensbernhard.com
  • Seine Expertise ist gefragt – Etzlstorfer (re.) mit einer Handbike-Trainingsgruppe.
  • Foto: clemensbernhard.com
  • hochgeladen von Clemens Flecker

Wo liegen zurzeit die größten Herausforderungen im Behindertensport?
Wie viele andere Organisationen, tun wir uns immer schwerer, ehrenamtliche Funktionäre zu finden. Das betrifft alle Ebenen, also die Vereine, den oberösterreichischen sowie den österreichischen Behindertensportverband. Und so gibt es immer mehr Bestrebungen beziehungsweise Umsetzungen, die Strukturen zumindest teilweise zu professionalisieren und Personen fix anzustellen. Das zweite Thema ist, wie man die Sportmöglichkeiten zu den Betroffenen transportiert. Man könnte meinen, dass das nicht so schwer ist, dennoch erleben wir immer wieder, dass Leute vom bestehenden Angebot im Behindertensport nichts mitbekommen. 

Wie hat sich die Pandemie auf die Mitgliederzahlen in den Vereinen ausgewirkt?
Da sprechen wir mittlerweile von einer Zeitrechnung vor und nach Corona. Wir machen im Volkshaus Pichling seit knapp acht Jahren Indoor-Training für Paracycling, also für Hand-Biker und andere Radfahrer mit Behinderung. Da hatten wir vor der Pandemie im Schnitt 13 Teilnehmer, danach nur noch sieben. Das ist ein Rückgang auf fast 50 Prozent. Viele haben wohl gemerkt, dass es zuhause auch recht nett sein kann, da kam es bei einigen Leuten zu einer gewissen Bequemlichkeit. Ich merke selbst bei mir, dass ich nicht mehr überall dabei sein muss und ich mich genauso auf einen ruhigen Abend daheim freue – aber vielleicht ist das auch nur eine Alterserscheinung. 

Wenn Sie für den Behindertensport einen Wunsch ans Christkind deponieren könnten, welcher wäre es?
Wir müssen Möglichkeiten finden, wie wir die Wichtigkeit von Sport und Bewegung für Menschen – ganz allgemein – viel stärker noch ins Bewusstsein der Gesellschaft bringen, vor allem auch für Menschen mit Behinderung.

Die größten Erfolge von Christoph Etzlstorfer:

  • Goldenes Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich
  • zweifacher Sportler des Jahres Oberösterreich 1996 und 2004
  • acht Paralympics-Medaillen/Gold im Zeitfahren Handbike, Athen 2004
  • mehrere Rollstuhl-Marathon-Weltrekorde und Weltmeistertitel
  • achtfacher Österreichischer Meister im Rollstuhlrugby
Anzeige
1:46
1:46

WKOÖ Maklertipp
Rechtsschutzversicherung: Sichern Sie Ihr Recht!

Eine Rechtsschutzversicherung schützt Sie vor den Folgen von vielen möglichen Konfliktfällen – vor allem finanziell.  Es gibt viele Gründe für einen Streit vor Gericht: Angenommen, Ihr Vermieter erhöht den Mietzins in ungerechtfertigter Weise, Ihr Hund läuft einem Biker vor das Rad, Ihnen wird nach einem Verkehrsunfall das Schmerzensgeld verwehrt oder Ihr Arbeitgeber zahlt die Überstunden nicht. Von all diesen Fällen haben Sie schon gehört oder Sie haben sogar schon selbst eine solche oder eine...

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

UP TO DATE BLEIBEN

Aktuelle Nachrichten aus Oberösterreich auf MeinBezirk.at/Oberösterreich

Neuigkeiten aus deinem Bezirk als Push-Nachricht direkt aufs Handy

BezirksRundSchau auf Facebook: MeinBezirk.at/Oberösterreich - BezirksRundSchau

BezirksRundSchau auf Instagram: @bezirksrundschau.meinbezirk.at

ePaper jetzt gleich digital durchblättern

Storys aus deinem Bezirk und coole Gewinnspiele im wöchentlichen MeinBezirk.at-Newsletter


Du willst eigene Beiträge veröffentlichen?

Werde Regionaut!

Jetzt registrieren

Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.