Raiffeisenlandesbank-Chef Schaller
"Null-Wachstum wäre schon schön"

Raiffeisenlandesbank OÖ-Generaldirektor Heinrich Schaller: Sinken der Inflation auf rund zwei Prozent bis 2024 zweifelhaft.  | Foto: Wakolbinger
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Raiffeisenlandesbank-Generaldirektor Heinrich Schaller im BezirksRundSchau-Interview mit Chefredakteur Thomas Winkler über Wirtschaftsaussichten, Inflation, die richtige Geldanlage in der aktuellen Situation sowie notwendige Schritte der Politik.

2022 soll die Wirtschaft um rund fünf Prozent gewachsen sein – was sind die Aussichten für nächstes Jahr?
Schaller: Es wird niemand erwarten, dass wir kommendes Jahr ein großes Wirtschaftswachstum haben. Wenn überhaupt, wird es sehr gering ausfallen. Viele rechnen mit einer Rezession. Ich bin kein Pessimist, aber ein Null-Wachstum wäre schon schön. 

Also Stagnation – angesichts der schlechten Stimmung könnte man meinen, ohne Wachstum geht es gar nicht mehr ...
Man sollte sich wieder stärker bewusst werden, dass Wirtschaft Zyklen unterliegt. Die Wirtschaft kann nicht in den Himmel wachsen, hohe Wachstumsraten sind nicht von Dauer. 

Hoffentlich sind auch die hohen Inflationsraten nicht von Dauer ...
Ich hoffe und glaube, dass die Inflation, wie von vielen Wirtschaftsforschern prognostiziert, zurückgeht. Aber sie wird weiterhin hoch und vom Zielwert von rund zwei Prozent weit entfernt bleiben. Ob wir die zwei Prozent 2024 wieder erreichen, würde ich mehr als bezweifeln. Denn jetzt kommen die Zweitrundeneffekte. Die  Lohnkosten steigen stark, die Weitergabe der hohen Energiepreise ist noch nicht beendet. Wir können nur hoffen, dass sich die Lieferengpässe zur Gänze auflösen. 

Breites Streuen der Hilfe "gefährlich"

Wenn es nach der Konsumlaune und der Stimmung bei den Unternehmer:innen geht, erscheint die Lage eher hoffnungslos.
Es ist schwierig, gegen die negative Stimmung anzukämpfen, weil die massiven Teuerungen jetzt bei allen ankommen. Solange die Angst da ist, dass man sich das Wohnen, das Leben, das Heizen nicht mehr leisten kann, wird man die schlechte Stimmung nicht wegbringen.

Auf EU- und Bundesebene werden verschiedene Maßnahmen wie Preisdeckel und Preisbremse diskutiert – was davon kann nachhaltig helfen?
Der Preisdeckel-Mechanismus auf EU-Ebene ist nicht klar: Wenn man im europäischen Raum nur bis zu einem bestimmten Preis einkaufen darf, könnte es sein, dass man bald keine Lieferanten mehr findet. Wenn der Staat die Differenz zahlen soll, dann kann es für den extrem teuer werden. Grundsätzlich gehört die Preisbildung am Strommarkt analysiert und überdacht. Bei den hohen Energiekosten muss der Staat insbesondere jene Bevölkerungsschichten unterstützen, die sich das Leben nicht mehr leisten können – und die energieintensiven Unternehmen. Ein breites Streuen der Hilfe halte ich jedoch für gefährlich, weil es kontraproduktiv in Bezug auf inflationsdämmende Maßnahmen sein könnte. 

Fonds-Ansparpläne gegen Inflation

War kann die Politik auf Bundesebene dann jetzt konkret tun, wie kann sie gegensteuern?
Unmittelbar ist das bis auf die Stützungszahlungen schwierig. Mittelfristig muss sie Sorge dafür tragen, dass es für nachhaltige Energiegewinnung so wenige bürokratische Hürden wie möglich gibt und Genehmigungen für Photovoltaik und Windkraft massiv unterstützen. Sie muss auch die Rahmenbedingungen für das Beschaffen der bisherigen Energieträger, also vor allem Gas, das wir noch für eine bestimmte Zeit brauchen, erleichtern, sprich: Transportwege optimieren, Pipelinekapazitäten sichern. Und es stellt sich die Frage, ob man nicht da und dort die eigene Gasgewinnung forcieren sollte. Und die heimische Politik sollte vor allem gegen das Bestreben auf EU-Ebene eintreten, Biomasse, also etwa Holz, als nicht nachhaltig einzustufen

Was können diejenigen tun, deren Ersparnisse jetzt aufgrund der hohen Inflation dahinschmelzen?
Nach wie vor sind Fonds-Ansparpläne vernünftig. Da kann man zwar auch Wertverluste einfahren, aber die sind zeitlich begrenzt. Wenn man kontinuierlich investiert hat man die Chance auf langfristig gute Erträge. Man kann auch in längerfristige Anleihen gehen und die Zinserhöhungen in der Veranlagung nutzen. 

Krypto: "keine Währung"

Keine gute Anlage waren anscheinend die Krypto-Investments – nach dem Krypto-Börsen-Crash gab es Hilferufe an die Politik und die Forderung nach einer Regulierung ...
Der Finanzsektor hat oft darauf hingewiesen, dass dieser Markt schleunigst reguliert gehört – das hat sich nun bestätigt. Ich bin für eine rasche Regulierung dieser Märkte, um Private zu schützen, die sich da engagieren, ohne zu wissen, was im Hintergrund abläuft. Als Raiffeisen waren wir bei diesen Krypto-Assets – und ich sage bewusst nicht Währungen, denn das sind keine Währungen – immer sehr zurückhaltend. Uns trifft dieser Crash nicht. 

Hart treffen die Banken aber die neuen Kreditrichtlinien im Wohnbaubereich – gibt es schon Signale, dass den Vorschriften die Giftzähne gezogen werden?
Von August bis Oktober ist die Zahl neuer Wohnbaukredite um 63 Prozent eingebrochen – im ersten Halbjahr hatten wir noch ein Plus von sechs Prozent, im Juli gab es wegen der neuen Richtlinie gewaltige Vorzieheffekte. Jetzt will die Aufsicht die angeführten Auswirkungen von den Banken übermittelt haben und wird dann im ersten Quartal des nächsten Jahres darüber nachdenken, inwieweit sich etwas an der Verordnung ändern sollte.

Das klingt nach einer längerfristigen Angelegenheit ...
Ich würde sagen mittelfristig – bin aber jedenfalls der Meinung: Es geht zu langsam. 

Zahl der Filialen sinkt auf 335 bis 350

Was bedeutet die aktuelle Situation für Raiffeisen in Oberösterreich?
Es ist in Abschwungzeiten nichts Neues, dass sich die Insolvenz-Quote bei Unternehmen und Privaten erhöht. Wir bei Raiffeisen Oberösterreich haben dafür gute Vorsorge getroffen und werden das gut überstehen. Wichtig ist, im Gespräche mit den Betroffenen gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Auf Raiffeisen Oberösterreich selbst hat die aktuelle Situation keine unmittelbaren Auswirkungen: Es ist kein Sparprogramm, kein Mitabeiterabbau geplant – im Gegenteil: Wir haben derzeit alleine in der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich 40 offene Stellen. Das Thema Arbeitskräfte wird in den nächsten Jahren eine riesen Herausforderung.

Raiffeisen in Oberösterreich ist ja dabei, das sehr große Netz an Filialen zu verkleinern – wie viele Standorte bleiben langfristig?
Wir hatten Anfang 2022 392 Standorte, die Zahl soll um 10 bis 15 Prozent sinken – jetzt sind es 366. Aber dort, wo man vernünftig und intensiv mit allen Beteiligten und Betroffenen darüber spricht, funktioniert das auch gut.

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