Energie AG-Chef Schitter:
"Oberösterreich nicht nur Sonnen- oder Wasserland – auch Wind gehört dazu"

Energie AG-Vorstandsvorsitzender Leonhard Schitter geht davon aus, dass die Strompreise bis zu zwei Jahre auf dem aktuellen Niveau bleiben. | Foto: BRS/Siegl
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  • Energie AG-Vorstandsvorsitzender Leonhard Schitter geht davon aus, dass die Strompreise bis zu zwei Jahre auf dem aktuellen Niveau bleiben.
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Energie AG-Vorstandsvorsitzender Leonhard Schitter im Interview mit BezirksRundSchau-Chefredakteur Thomas Winkler und Chefredakteur-Stellvertreter Thomas Kramesberger über die Strompreis-Entwicklung, den Ausbau der Erneuerbaren in Oberösterreich, eine notwendige neue Willkommenskultur, Kinderbetreuung ab dem 1. Geburtstag und Klimakleber.

BezirksRundSchau: Sie haben gesagt, dass der Strompreis nicht weiter sinken wird, womit muss der Privatkunde kalkulieren?  
Schitter: Wir hatten bis Ende 2022 für unsere Kunden eine Preisgarantie und waren unter den günstigsten Anbietern Österreichs. Und wir haben mit 1. Juni nach der Steigerung zu Jahresbeginn die Strompreise wieder erheblich reduziert, zum Teil um ein Fünftel. Wir sehen derzeit aber eine klare Seitwärtsbewegung. Ich gehe davon aus, dass die Preise wahrscheinlich auf diesem Niveau in den nächsten Monaten und ein bis zwei Jahren bleiben. Wir haben zwar eine Entspannung auf den Energiemärkten gesehen, aber es herrscht nach wie vor Krieg in Europa, die Gas-Verknappung bleibt, und der Ausbau von Kapazitäten hat dazu geführt, dass die Preise nach wie vor hoch sind. Die Preise liegen jetzt allgemein um rund ein Drittel über denen vor der Krise. Wir sind beim Privatkunden jetzt auf 23,99 Cent brutto inklusive Rabattierung und Freistromtagen.

Wer den Strom seiner PV-Anlage über die Börse verkauft, hat teils negative Tarife, muss also für das Einspeisen bezahlen – wie ist das zu erklären, dass die Strompreise nicht weiter sinken?
Unternehmen wie die Energie AG kaufen für Ihre Kunden den Strom ein, zwei Jahre im Voraus ein, um in verschiedenen Tranchen die bestmöglichen Preise zu bekommen, damit wir den Kunden eine Preis- und Versorgungssicherheit bieten können, also auch, dass die niedrigeren Preise länger weitergegeben werden können. Der Vorteil ist: Keine bösen Überraschungen. Viele Alternativanbieter, die kurzfristig agieren, haben ihre Kunden letztes Jahr gekündigt, auf der Straße stehen gelassen und sind verschwunden. Das tun wir nicht. 

Die hohe Inflation wird ja mit den hohen Energiepreisen begründet. Hätte man sie verhindern können, wenn man anders eingegriffen hätte? 
Die Antwort auf diese hohen Preise durch den Gaspreisanstieg in Folge des Krieges ist für mich ganz klar. Wir müssen in drei Schwerpunktthemen massiv weiter investieren: Das ist die Versorgungssicherheit, das ist die Unabhängigkeit, und das sind die Erneuerbaren. Wir müssen massiv in die Erneuerbaren investieren, weil wir mit Sonne, Wind, Wasser und auch Biomasse eine regionale Versorgungssicherheit sicherstellen können, damit auch die Unabhängigkeit, und so eine Preisreduktion zusammenbringen. 

Beim Interview im Energie AG-Power Tower mit Blick auf Linz forderte Vorstandsvorsitzender Leonhard Schitter im Gespräch mit Chefredakteur Thomas Winkler und Chefredakteur-Stellvertreter Thomas Kramesberger massive Investitionen in Erneuerbare Energie. Beim Gespräch dabei: Karin Strobl, Leiterin der Energie AG-Konzernkommunikation und Beate Leb, Pressesprecherin. | Foto: BRS Siegl
  • Beim Interview im Energie AG-Power Tower mit Blick auf Linz forderte Vorstandsvorsitzender Leonhard Schitter im Gespräch mit Chefredakteur Thomas Winkler und Chefredakteur-Stellvertreter Thomas Kramesberger massive Investitionen in Erneuerbare Energie. Beim Gespräch dabei: Karin Strobl, Leiterin der Energie AG-Konzernkommunikation und Beate Leb, Pressesprecherin.
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Strompreis sinkt durch Erneuerbare Energie

Je mehr Erneuerbare wir in Oberösterreich haben, desto billiger wird langfristig der Strompreis sein?
Der massive Ausbau der Erneuerbaren ist aus mehreren Gründen notwendig: Einerseits, weil wir klar in Richtung Klimaneutralität gehen müssen, das sind nicht nur die politischen Vorgaben. Auch wir als Energie AG streben bis 2035 die Klimaneutralität an. Also ein umweltpolitisches Ziel. Zweiter Punkt: Der Erneuerbaren-Ausbau in der Region ist ein klarer Weg hin zu Unabhängigkeit. Und ja, je mehr wir ausbauen, desto mehr können wir die Erneuerbaren in den Markt bringen, und nach der Systematik des Merrit Order-Prinzips verdrängt das dann mittelfristig die höherpreisigen fossilen Kraftwerke, also Gas. Gerade als Energie AG liegt uns das am Herzen: Möglichst stabile und günstige Preise für unsere Kunden. Dafür brauchen wir die Erneuerbaren ganz besonders.

Das scheinen in Oberösterreich nicht alle so zu sehen: Schwarz-Blau ist auch laut Kritik der Wirtschaftskammer beim Windkraft-Ausbau sehr zögerlich, für den Umweltanwalt gibt es so gut wie kein Windkraft-Ausbaupotenzial. Was ist Ihre Einschätzung?
Wir als Energie AG setzen den Schwerpunkt auf Dekarbonisierung und Klimaneutralität, weil wir auch dem Kundenwunsch noch stärker entsprechen wollen. Und der Kundenwunsch ist Klimaneutralität. Oberösterreich ist nicht nur ein Sonnen- oder Wasserland, sondern dazu gehört auch Wind. Wir glauben, dass wir mit dem Ausbau im Kobernaußerwald, wo acht bis zwölf Windkraftanlagen geplant werden, gute Schritte setzen können. Aber es wird dort und da noch Möglichkeiten für weitere Anlagen geben. Unabhängig davon versuchen wir, als Energie AG weitere Projekte zu realisieren – nicht nur in Oberösterreich oder Österreich. Wir wollen etwa auch in Slowenien Wind- und Photovoltaik-Projekte umsetzen. 

Herkulesaufgabe 100 Prozent erneuerbarer Strom

Sie haben in einem Fernsehinterview gesagt, eigentlich müsste man alle zwei Tage ein Windrad in Österreich neu errichten ...
Die politische Vorgabe, die ich sehr stark unterstütze, nämlich 2030 100 Prozent des in Österreich verbrauchten Stroms aus Erneuerbaren zu generieren, bedeutet, dass wir bis dahin 27 Terawattstunden zusätzlich an Erneuerbarer Energieerzeugung errichten müssen. Das ist einmal der Gesamtjahresverbrauch von ganz Dänemark. Das schaffen wir nur mit allen Maßnahmen: Wasser, Sonne, Wind und Biomasse. Aber das ist eine extreme Herausforderung, um nicht zu sagen Herkulesaufgabe, die bis 2030 so wahrscheinlich nicht zu schaffen ist. Aber wir sind gar nicht auf einem so schlechten Weg. Wir müssen alles unternehmen, um die Erneuerbaren stärker auszubauen. Und ob es dann 2030, 2031 oder 2032 gelingt, ist dann zweitrangig. Wichtig ist, dass wir's jetzt angehen und umsetzen.

Ist das schon überall durchgedrungen?
Es braucht einen Klimapakt, und der muss Wirtschaft, Politik, vor allem aber auch Bevölkerung umfassen, weil wir alle gemeinsam an dem Strang ziehen müssen, um die Energiewende zu schaffen. Nicht die Wirtschaft muss es richten oder die Politik, sondern wir alle gemeinsam. Daher braucht es das Verständnis für den Ausbau der Erneuerbaren. Und da haben wir noch große Herausforderungen, zum Beispiel braucht es eine massive Beschleunigung der Verfahrensdauer, Abbau von Hemmnissen in Genehmigungsverfahren. Und wir müssen verstehen, dass es nicht nur mit dem Ausbau der Erzeugungsanlagen getan ist, sondern dass wir dazu ganz wesentlich den Netzausbau und den Ausbau der Speicherkapazitäten brauchen. Und dazu haben wir zum Teil noch nicht das Verständnis, weil die Netze und die Anlagen und auch die Speicher sichtbar werden. Es war immer so, dass technischer Fortschritt, der unseren Wohlstand abgesichert hat, sichtbar war – Stichwort Bahn oder Tunnel. Ich glaube, dass das Verständnis für die Klimawende noch nie so groß war wie heute, das sehen wir bei unseren Kunden. 

Geht es bei den Speichern nur um Pumpkraftwerke, wie das geplante in Ebensee, oder gibt es Alternativen?
Neben Pumpspeichern gibt es noch Wasserstoffspeicher oder Großbatteriespeicher. Für uns wäre Ebensee, das ist ein verhandeltes Pumpspeicher-Projekt, ein wichtiger Teil in Richtung grüne Energiewende. Die Anwendbarkeit von grünem Wasserstoff wird in vier Pilotprojekten für Industrie und Gewerbe erprobt. Da geht es darum, wie wir grünen Wasserstoff selbst erzeugen, wie wir ihn zum Kunden transportieren und dort die Verwendung ermöglichen. Eine weitere Frage ist der Einsatz von grünem Wasserstoff in Kraftwerken, um Strom zu erzeugen. Wir befinden uns in Partnerschaft mit der RAG, die sich in Gampern mit der Speicherung von Wasserstoff beschäftigt und auch damit, diesen in Kraftwerke weiterzuleiten, um Energie zu erzeugen. Es gibt derzeit die entsprechenden technischen Überlegungen, zum Beispiel Gaskraftwerke Wasserstoff-fähig zu machen.

Batterie-Großspeicher neben Umspannwerken

Wie werden die Batteriespeicher eingesetzt – als zentrale Großspeicher oder übers Land verteilt in Containern?
Damit setzen wir uns jetzt intensiv auseinander. Grundsätzlich versteht man darunter zusammengefasste Container, die hohe Leistung und Speicherkapazität bieten, zunächst in Nähe zu Umspannwerken, um im Netz auszugleichen. Das wird der Anfang sein.

Könnten dezentral platzierte Batteriespeicher auch das Problem lösen, das private PV-Betreiber derzeit nur begrenzt den von ihnen erzeugten Strom einspeisen können, weil das Netz überfordert ist? 
Das Ziel der Energie AG ist, so viele PV-Anlagen ans Netz anzuschließen, weil wir die Menschen dabei unterstützen müssen, Teil der Energiewende zu werden und unabhängig Energie erzeugen zu können. Die Herausforderung ist aber, dass dieser PV-Boom für uns teils nicht absehbar war und die Netzbetreiber vor ganz neue Herausforderungen gestellt hat. 2021 hat die Netz OÖ 9.000 Netzzutritts-Anträge bekommen, jetzt sind es 35.000, also eine Vervierfachung. Genau deshalb brauchen wir eine Beschleunigung der Verfahren, damit wir den Netzausbau beschleunigen können. Das sind Themen, die nicht von heute auf morgen zu erledigen sind. Aber wir sind dran und versuchen das Bestmögliche. 

Die Industrie ist der größte Stromabnehmer, in Deutschland wird ein Industriestrompreis diskutiert, um die Unternehmen wettbewerbsfähig zu halten, in Österreich gibt es ähnliche Forderungen, wie stehen Sie dazu?
Was wir zuerst bräuchten und was uns generell helfen würde, wäre die Zusammenführung des bis 2018 bestehenden gemeinsamen Marktgebietes mit Deutschland. 2018 gab es auf Betreiben Deutschlands die Trennung. Das führte in Österreich zu steigenden Preisen. Wenn wir das gemeinsame Marktgebiet wiederherstellen, wird das zu einer nicht unerheblichen Entlastung für Industriebetriebe führen. Das wäre die schnellere und wichtigere Maßnahme, um eine konstante Entlastung zusammenzubringen. Und die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie ist für mich ein essenzielles Anliegen.

Energie AG-Vorstandsvorsitzender Leonhard Schitter fordert eine neue Willkommenskultur und will über Kinderbetreuung ab dem 1. Geburtstag reden, um der Pensionierungswelle gegenzusteuern, die auch auf die Energie AG zurollt. | Foto: BRS/Siegl
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Kinderbetreuung ab dem 1. Geburtstag

Sie haben eine neue Willkommenskultur gefordert, um Arbeitskräfte aus dem Ausland nicht abzuschrecken – kurz nachdem Österreich in einer Studie unter Expats zum unfreundlichsten Land der Welt gekürt worden ist.
In den nächsten zehn bis 15 Jahren geht bei der Energie AG ein Drittel der Kolleginnen und Kollegen in Pension. Wir müssen nun massiv schauen, wie wir junge und neue Talente gewinnen können. Und dazu müssen wir uns auch um Arbeitskräfte aus dem Ausland bemühen. Dazu braucht es aber eine neue Willkommenskultur in unserem Land. Natürlich müssen wir unsere Werte, unseren Kulturkompass klarstellen und vermitteln, aber gleichzeitig auch ein Umfeld schaffen, dass sich diese neu angeworbenen Arbeitskräfte auch angenommen und willkommen fühlen, um auch zu bleiben. Sonst gehen sie anderswohin. Wir müssen für den Arbeitsplatz Österreich begeistern und Angebote schaffen, damit sie dableiben.
Über diese Willkommenskultur hinaus geht es im Kampf gegen den Arbeitskräftemangel um die Frage des altersgerechten Arbeitens, um die Kinderbetreuung, um die Frage soziale Absicherung. Kinderbetreuung ist für mich ein ganz wesentliches Thema, auch die Frage nach Betreuungsangeboten ab dem ersten Geburtstag. Wir versuchen als Energie AG mit eigener Kinderbetreuungseinrichtung zu unterstützen, auch das verstehe ich unter neuer Willkommenskultur. Wir brauchen den Zuzug und das Anwerben von Mitarbeitern aus Drittstaaten, um den erworbenen Wohlstand absichern zu können.

Energie AG-Vorstandsvorsitzender Leonhard Schitter (Mitte) im Interview mit BezirksRundSchau-Chefredakteur Thomas Winkler (r.) und Chefredakteur-Stellvertreter Thomas Kramesberger (l.) über Klimakleber: "Ich schätze, dass sie sich für diese Ziel einsetzen. Über die Mittel kann man diskutieren." | Foto: BRS/Siegl
  • Energie AG-Vorstandsvorsitzender Leonhard Schitter (Mitte) im Interview mit BezirksRundSchau-Chefredakteur Thomas Winkler (r.) und Chefredakteur-Stellvertreter Thomas Kramesberger (l.) über Klimakleber: "Ich schätze, dass sie sich für diese Ziel einsetzen. Über die Mittel kann man diskutieren."
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"Sollten Ziel der Klimakleber sehen"

Klimakleber: Verstehen Sie die Menschen, die sich auf der Straße als Protest festkleben?
Ich verstehe grundsätzlich, dass man sich für das Ziel Klimaneutralität einsetzt, und dafür gibt es verschiedene Maßnahmen. Wir sollten die Absicht, das Ziel sehen. Die Klimakleber zeigen ja ein Thema auf, das uns allen ein Anliegen ist. Über die Mittel muss man allerdings diskutieren.

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