Synthesa-CEO Blümel im Interview
"Wollen Nachhaltigkeit in den Markt bringen"

Georg Blümel ist seit 2020 CEO der Synthesa-Unternehmensgruppe mit Sitz in Perg. | Foto: BRS
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  • Georg Blümel ist seit 2020 CEO der Synthesa-Unternehmensgruppe mit Sitz in Perg.
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Synthesa-CEO Georg Blümel spricht im Interview mit der BezirksRundSchau über die Bau-Konjunktur in Österreich, nachhaltige Produkte, die Zukunft der Industrie in Österreich und Europa sowie den sich zuspitzenden Arbeitskräftemangel. Die Firma Synthesa mit Hauptsitz in Perg ist Marktführer im Baufarbenbereich und stellt Lacke, Beschichtungen sowie Dämmstoffe her. Das Unternehmen mit 720 Mitarbeitern erwirtschaftet circa 200 Millionen Euro Umsatz. 

Interview: Thomas Kramesberger

BezirksRundSchau: Als wir zuletzt ein Interview geführt haben, waren die Lieferketten ein großes Thema. Ist das noch aktuell, oder hat es sich entspannt?
Blümel:
Die Lieferkettenproblematik hat sich in erster Linie aus der Corona-Krise ergeben und ist mittlerweile weitgehend im Lot. Wir haben jetzt in keinem Bereich mehr akute Mangelzustände, aber natürlich können immer punktuell Probleme auftreten – die sich aber global ausgleichen lassen. Ein Beispiel: Aufgrund der Energiepreissteigerung hat einer unserer Titandioxid-Lieferanten aufgehört, in Deutschland zu produzieren. Gleichzeitig konnten wir das Material in anderen Weltregionen wieder einkaufen. Es sind also die Schiffswege wieder offen und ebenso hat sich die Geschwindigkeit, mit der Geschäfte global abgewickelt werden, wieder normalisiert.

Weniger gut entwickelt sich derzeit die Konjunktur. Was erwarten Sie für die nächsten Monate?
Die Glaskugel hat am Ende des Tages niemand, aber es gibt meiner Ansicht nach zwei Ebenen: Generell wird Österreich wahrscheinlich mit einem blauen Auge davon kommen, andererseits wird es in der Bauwirtschaft nicht so glimpflich abgehen. Das trifft uns natürlich als Marktführer bei Oberflächenbeschichtungssystemen auch. Auf die Baubranche kommen jedenfalls große Herausforderungen zu. Aufgrund der sich verschärfenden Kreditsituation ist es nicht mehr so einfach zu investieren, wie in den letzten Jahren. Man konnte viele Jahre fast zum Nullzinssatz finanzieren und brauchte weniger Eigenkapital, um ein Eigenheim zu bauen. Diese Situation hat sich nun aber völlig gedreht. Hinzu kommt, dass durch Lieferkettenprobleme, gestiegene Energiekosten und die allgemeine Inflation das Bauen teurer geworden ist. Das hat aber nichts damit zu tun, dass sich die Unternehmen entlang der Lieferketten die Margen in die Tasche stecken – Stichwort Gierflation. Man sieht vielmehr, dass die Margen aller Beteiligten, mit Ausnahme des Rohstoff- und Energiesektors, schmaler werden. Das bedeutet, dass es derzeit weder für Lieferanten noch für Bauunternehmen möglich ist, die Kostensteigerungen voll an den Endkunden weiterzugeben – und trotzdem steigen die Baukosten. All das führt dazu, dass sich die Baukonjunktur deutlich schwieriger entwickeln wird, als die generelle Konjunktur.

Also bleiben die Produzenten bis zu einem gewissen Grad auf den Kostensteigerungen sitzen?
Das ist in der Tat so.

Georg Blümel ist seit 2020 CEO der Synthesa-Unternehmensgruppe mit Sitz in Perg | Foto: BRS
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Ist Synthesa eigentlich überwiegend im Einfamilienhausbau engagiert?
Wir beschichten eigentlich alle möglichen Oberflächen – vom Einfamilienhaus, über Stromtrassen bis hin zur Donaubrücke in Linz. Da ist alles dabei. Aber der Wohnbau ist natürlich ein wichtiger Teil und macht etwa 40 Prozent des Geschäfts aus. Unter Wohnbau verstehen wir aber nicht nur das Ein- oder Zweifamilienhaus, sondern genauso Mehrfamilienhäuser und Wohnungen.

Also wird die Situation in der Baubranche noch prekärer werden?
Schon im Vorjahr hat die Bauwirtschaft einen Abschwung erlebt und heuer wird es sicher noch einmal schwieriger werden. Wenn man unterwegs ist, sieht man ja schon viel weniger Baustellen, weniger Kräne und dementsprechend weniger Silos mit Bauvorprodukten auf den Baustellen. 2024 könnte dann das erste Jahr mit einer kleinen Erholung sein – aber ob das wirklich so wird, bleibt abzuwarten.

Könnte die Politik was machen, um die Baukonjunktur zu beleben?
Ja, natürlich kann man gegensteuern – beispielsweise über Abschreibemodelle für Eigenheimbesitzer, die investieren wollen. Das wäre unmittelbar und sofort wirksam – weil jeder, der sich überlegt, Geld zu investieren, derzeit wegen der hohen Zinsen zurückhaltend ist. Wenn es aber möglich wäre, die Investition gleich bei der Einkommenssteuer anzusetzen, dann hätte man sofort mehr verfügbare Finanzierungsmasse.
Generell ist die Bauindustrie für ungefähr sieben Prozent der volkswirtschaftlichen Leistung verantwortlich und neun Prozent der Österreicher – vom Architekten bis zum Polier – sind in der Bauwirtschaft beschäftigt. Damit hat jeder Euro, der in der Bauwirtschaft landet, einen Multiplikator, der quer durch die Gesellschaft geht. Das schafft Einkommen, Arbeitsplätze und jeder, der mehr Geld in der Tasche hat, kauft wieder ein und belebt die Konjunktur.
Und die Politik hat ja bereits einen sehr guten Anreiz gesetzt – es wurde der Sanierungsscheck deutlich angehoben. Man bekommt bei der Vollsanierung eines Hauses bis zu 21.000 Euro Förderung und es gibt nochmal 50 Prozent oben drauf, wenn man mit nachhaltigen Dämmstoffen, also etwa mit einer Hanfdämmung, saniert. Es sind also schon Möglichkeiten für jene da, die in ihr Eigenheim investieren wollen.

Wir haben zuvor über die Energiepreise gesprochen. Wenn Energie in Zukunft weiter teurer bleibt – kann da die Industrie in Europa überhaupt noch gehalten werden?
Ich denke, dass sich die Situation in den nächsten zwei Jahren neu einpendeln wird. Jedenfalls wurden auf europäischer Ebene, und auch von den großen Nachbarstaaten Österreichs, wie Deutschland und Italien, gute Entscheidungen bezüglich der Energieengpässe getroffen. Denn das Wichtigste ist, überhaupt Energie zu haben – das haben wir geschafft und man kann davon ausgehen, dass auch für den kommenden Winter genug Energie verfügbar ist. Deshalb und weil wir jetzt alle den Fokus mehr auf das Energiesparen legen, hat die Preisthematik ein Stückweit weniger Bedeutung. Das Thema geht zwar nicht ganz weg, die Herausforderung bleibt groß, aber es ist nicht so, dass es eine überbordende Belastung ist. Und unterm Strich heißt weniger Energieverbrauch auch immer mehr Nachhaltigkeit, das darf man nicht vergessen.

In Deutschland wird bereits über einen Industriestrompreis diskutiert. Braucht es Unterstützung der Politik in Europa, um Industrie halten zu können?
Bei jenen Industrien, die primär für die lokale Wirtschaft und die umliegenden Länder produzieren – und dazu gehört unsere Industrie maßgeblich – ist das weniger relevant, da alle Unternehmen die gleichen Voraussetzungen haben. Aber für jene Industrieunternehmen, die im globalen Wettbewerb stehen – wie etwa die Chipindustrie – ist die Situation ganz anders. Diese Industrie ist energieintensiv und global. Somit ist die Produktion in Österreich unmittelbar mit der in Amerika oder Asien vergleichbar.

Ein Flaschenhals ist derzeit der Arbeitskräftemangel. Finden Sie noch genug Mitarbeiter bzw. was macht Synthesa, um ein attraktiver Arbeitgeber zu sein?
Das Mitarbeiter-Thema wird uns in Zukunft weiter beschäftigen. Die Babyboomer gehen in Pension, weniger Menschen kommen neu in den Arbeitsmarkt. Daher wird die Mitarbeiter-Knappheit etwas sein, mit der alle Unternehmen lernen müssen umzugehen. Kurzfristig bringt die schwächelnde Konjunktur eine leichte Entlastung, weil Unternehmen etwas zurückhaltender bei der Einstellung neuer Mitarbeiter sein werden. Gleichzeitig ist jedes Unternehmen gut beraten, sich um seine Mitarbeiter zu kümmern. Aber es geht für Mitarbeiter nicht immer nur um das Gehalt, auch das Team muss passen. Man möchte in einem Umfeld arbeiten, in dem man sich wohl fühlt. Darüber hinaus müssen Führungskräfte darauf achten, Mitarbeiter entsprechend zu fördern und ihnen die Chance geben, sich weiterzuentwickeln. Darauf legen wir bei Synthesa großen Wert.

Es gibt in einigen Firmen schon eine 4-Tage-Woche oder 100 Prozent Homeoffice. Wie stehen Sie zu solchen Maßnahmen?
Was wir alle durch Corona gelernt haben ist, dass wir deutlich flexibler sein können. Homeoffice war ein Aufreger, der mittlerweile keiner mehr ist. Jedoch halte ich nichts von 100 Prozent Homeoffice, denn das Umfeld und die Menschen im Unternehmen binden die Mitarbeiter. Wenn man also nur mehr im Homeoffice ist, fehlt genau dieser Kontaktpunkt. Und dieser soziale Kontakt ist genauso wichtig, wie die Flexibilität von zuhause aus arbeiten zu können.

Muss sich der Arbeitgeber mittlerweile mehr auf den Arbeitnehmer einstellen?
Das ist ein Stückweit sicher so. Aber ich habe nicht das Gefühl, dass sich die Welt um 180 Grad gedreht hätte. Gute Unternehmen haben auch früher schon auf die Mitarbeiter geachtet, nur denkt man nun vielleicht ein Stückweit anders, was Flexibilität und Unternehmensorientierung bedeutet.

Stichwort Klimaschutz: Was macht Synthesa bereits im Hinblick auf Nachhaltigkeit und Klimaschutz?
Allein durch unser Produktportfolio haben wir bereits eine sehr nachhaltige Ausrichtung. Unsere Dämmstoffe, mit denen Eigenheime und Bürogebäude gedämmt werden, führen dazu, dass an diesen Gebäuden so viel CO2 eingespart wird, wie vier Millionen Bäume jährlich binden. Das ist eine riesige Menge. In der Produktion versuchen wir natürlich auch, nachhaltiger zu werden – in erster Linie über das Einsparen von Energie. Beispielsweise sind wir schon seit vielen Jahren an das Biomasse-Heizkraftwerk in Perg angebunden. Für unsere Dämmstoffproduktion haben wir eine große PV-Anlage in Betrieb genommen – alleine dort sind es 750 Megawattstunden, die wir damit erzeugen. Und an anderen Standorten planen wir noch weitere Photovoltaik-Anlagen in der Größenordnung von 2.700 Megawattstunden. Wir wollen an all unseren Standorten unsere Energie möglichst selbst und vor Ort produzieren.

Georg Blümel ist seit 2020 CEO der Synthesa-Unternehmensgruppe mit Sitz in Perg. | Foto: BRS
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Gibt es eine aktive Nachfrage von Kunden nach klimaschonenden oder „grünen“ Produkten? Oder ist es in erster Linie der Preis und dann erst der Klimaschutz-Gedanke?
Man muss den Kunden erklären, wofür sie ihren Euro ausgeben. Und wenn der Kunde die Möglichkeit versteht, damit einen Beitrag zu leisten, dann ist er auch bereit, das zu tun. Aber ist das die Mehrheit des Marktes? Derzeit leider noch nicht.

Könnte man überhaupt bei Farben oder Lacken vom Erdöl ganz wegkommen – oder geht das technisch gar nicht?
In der DAW (Deutsche Amphibolin Werke, Mutterkonzern von Synthesa, Anm.) gibt es eine Musterproduktion von nachhaltigen Rohstoffen aus Getreiden und Ölen, die zur Farbenproduktion eingesetzt werden. Das ist aber noch in der Entwicklung und noch nicht für die Massenproduktion geeignet.

Will Synthesa in Zukunft mehr in diese Richtung gehen?
Ja, absolut. Defacto müssen wir in jeder Industrie nachhaltiger werden. Und Nachhaltigkeit definiert sich nicht nur über einen geringeren Energieverbrauch, sondern ganz stark über einen wirtschaftlichen Kreislauf. Wir versuchen jedenfalls, dass ein immer größerer Anteil der eingesetzten Materialen aus erneuerbaren oder rezyklierten Rohstoffen stammt. Diesen Anteil zu vergrößern, ist unser Ziel.

Hat Synthesa derzeit eigentlich Ausbau- oder Zukaufspläne?
Wir sind im Dämmstoffbereich in Österreich Marktführer, mit ungefähr 35 Prozent Marktanteil. Bei Farben, Lacken und Lasuren liegen wir ebenfalls bei einem Drittel Marktanteil. Insofern wird die Luft nach oben immer dünner (lacht). Unser wesentliches Ziel ist es, diese starke Marktposition zu halten und dadurch immer mehr Nachhaltigkeit in den Markt zu bringen. Beispielsweise sind ein großer Teil unserer Innenfarben sogenannte „Sensitivfarben“. Und in diesen Produkten sind absolut keine Konservierungsmittel mehr drinnen. Es wäre in Österreich sogar erlaubt, diese Farben mit geringen Mengen an Konservierungsmitteln herzustellen – aber bei unseren Sensitivprodukten verzichten wir komplett darauf. Genau das sind die Innovationen, die wir als Marktführer in den Markt bringen können und müssen – das ist unsere Verantwortung. Wir haben durch unsere Größe die Möglichkeit, solche Akzente zu setzen.

Zum Schluss noch: Sie sind 2020 bei Synthesa an Bord geholt worden. Seither reihte sich eine Krise an die nächste – Corona, Lieferketten, Inflation. Hatten Sie überhaupt Gelegenheit, Ihre Vorhaben umzusetzen oder ist man da, wie alle anderen Unternehmen, einfach viel mit Krisenbewältigung beschäftigt?
In Wahrheit ist eine Krise auch immer eine Zeit, in der man Dinge verändert und hinterfragen kann. Insofern haben wir in den letzten Jahren viele Digitalisierungsprojekte umgesetzt und unsere Produktportfolios stärker in Richtung Nachhaltigkeit aufgestellt – also unterm Strich sind wir, trotz Corona, Lieferketten und Co., sehr zufrieden. Synthesa ist jedenfalls gut in Bewegung (lacht). Und, ein Wort noch zu den Krisen: Am Ende des Tages sind wir alle Teil der Wirtschaft, nicht nur die Unternehmen. Deshalb müssen wir uns die Zuversicht bewahren und weiterhin leben, arbeiten, investieren und konsumieren. Denn nur der Euro, den ich beim Fleischhauer um die Ecke ausgebe oder in die Sanierung meines Hauses investiere, erzeugt wieder Wertschöpfung. Und so halten wir die österreichische Wirtschaft am Laufen. Zuversicht in Krisenzeiten holt uns immer auch wieder aus den Krisen heraus – davon bin ich ganz fest überzeugt.

Georg Blümel im Gespräch mit Thomas Kramesberger (BezirksRundSchau). | Foto: BRS
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