Angebot im Pongau
Stammtisch für queere Jugendliche startet im Herbst
Im Pongau fehlen aktuell dezidierte Anlaufstellen für queere Jugendliche. Die Kinder- und Jugendanwaltschaft übernimmt daher oft die Beratung, wenn es beispielsweise um Behördengänge für Namens- oder Geschlechtsänderungen geht. Durch die Einrichtung eines queeren Stammtisches will eine Initiative rund um Julia Watschonig ab Herbst ein neues Angebot schaffen.
BISCHOFSHOFEN, ST. JOHANN. "Es gibt für queere Jugendliche aktuell keine dezidierte Anlaufstelle im Pongau", erklärt Julia Watschonig, Sozialpädagogin und Betreuerin in den Jugendzentren der Kinderfreunde in Bischofshofen und Altenmarkt. "Queer" ist ein Sammelbegriff für Menschen, die nicht heterosexuell sind oder deren Geschlechtsidentität nicht mit ihrem im Geburtenregister eingetragenen Geschlecht übereinstimmt. Mit der Einrichtung eines queeren Stammtisches wollen die Jugendzentren in Bischofshofen und St. Johann gemeinsam mit "Streetwork Pongau" ab Herbst ein neues Angebot schaffen, um diese Lücke zu füllen.
Die Probleme sind die gleichen
In ihrer täglichen Arbeit ist Watschonig immer wieder mit den Problemen queerer Jugendlicher konfrontiert. "Die Herausforderungen sind die gleichen wie für cis (Adjektiv für Personen, deren Geschlechtsidentität mit dem Geburtsgeschlecht übereinstimmt; Anm. d. Red.) oder heterosexuelle Menschen. Wegen der Angst vor Stigmatisierung fällt es ihnen aber wesentlich schwerer, offen über Themen wie Sexualität, Liebe oder Partnerschaft zu sprechen", schildert Watschonig.
Hosi unterstützt "queer durchs Land"
Aktuell bleibt queeren Jugendlichen im Pongau auf der Suche nach dezidierten Anlaufstellen nur der Weg in die Landeshauptstadt. Die dort ansässige Homosexuellen Initiative (Hosi) Salzburg versucht daher seit Herbst des vergangenen Jahres mit der Aktion "queer durchs Land" jungen Menschen in allen Salzburger Bezirken entgegen zu kommen. "Im Fokus der Aktion, die federführend von Anton Cornelia Wittmann betreut wird, steht die außerschulische Bildungsarbeit", erklärt Hosi-Geschäftsführerin Conny Felice.
Man arbeite intensiv mit den Jugendzentren im Innergebirg zusammen. "Dabei unterstützen wir Betreuer:innen bei Queerness-Fragen und Anton Cornelia Wittmann bietet im Bedarfsfall auch Beratungstermine für Jugendliche direkt in ihren Heimatbezirken an", betont Felice. Gleichzeitig räumt sie ein, dass der Zugang zu den Angeboten der Hosi für Menschen in Stadtnähe freilich niederschwelliger sei.
Stigmatisierung verschärft Probleme
Auch deshalb ist eine der ersten Anlaufstellen für queere Jugendliche mit Problemen oft das Team der Kinder- und Jugendanwaltschaft (Kija) in St. Johann. Barbara Frauendorff ist seit fast 25 Jahren für die Kija tätig. "Sexualität oder Geschlechtsidentität sind meistens nicht das Hauptproblem. Durch die damit verbundene Stigmatisierung können sich aber die klassischen Teenager-Probleme weiter verschärfen", berichtet die Kija-Regionalbeauftragte für das Innergebirg. So hätten queere Jugendliche etwa in Relation zu ihren cis Altersgenossen öfter mit Isolation und Mobbing zu kämpfen.
"Für uns spielen Identität und Sexualität in der Betreuung aber keine übergeordnete Rolle. Wir heißen alle jungen Menschen gleichermaßen willkommen", betont Frauendorff. Dennoch bringt die Betreuung queerer Jugendlicher auch spezifische Aufgaben mit sich. Die Mitarbeiterinnen der Kija helfen etwa auch bei Behördengängen, wenn es um Namens- oder Geschlechtsänderungen geht. "Wir haben schon viel Erfahrung gesammelt und lernen immer mehr dazu. Die Jugendlichen sind bei uns gut aufgehoben", meint die Psychologin mit Blick auf das Angebot für queere, junge Menschen im Pongau.
Neuer Stammtisch als "Safe-Space"
Sowohl die Hosi als auch die Kija befürworten zusätzlich zur eigenen Arbeit die Initiative des Teams rund um Julia Watschonig hinsichtlich des Starts eines queeren Stammtisches. "In ländlicheren Gegenden ist die Gefahr für queere Jugendliche höher, sich mit ihrer Geschlechtsidentität oder Sexualität alleine zu fühlen. Es ist gut, wenn hier die Möglichkeit für einen regelmäßigen Austausch geschaffen wird", meint etwa Felice. Der Start des Stammtisches ist für September geplant. "Wir wollen einen sicheren Raum für queere Menschen zwischen 14 und 24 Jahren schaffen, wo sie sich offen austauschen können", erklärt Watschonig. Die Treffen sollen einmal pro Monat in St. Johann und Bischofshofen stattfinden.
Dass es für einen derartigen Safe-Space überhaupt ein spezielles Angebot braucht, bedauern Felice und Watschonig gleichermaßen. "Das Ziel ist natürlich, dass in Zukunft jedes Jugendzentrum auch ein Safe-Space sein kann. Aber das ist eben ein Querschnitt der Gesellschaft und da gib es nach wie vor negative Vorurteile", meint etwa die Hosi-Geschäftsführerin. Um die gesamtgesellschaftliche Situation für queere Jugendliche zu verbessern sieht Watschonig vor allem einen Bedarf an mehr Sichtbarkeit: "Man müsste diese Menschen etwa bei Veranstaltungen aktiv willkommen heißen und Beschimpfungen klar entgegentreten", schildert sie ihre Vorstellungen. Felice pflichtet ihr bei: "Es braucht einfach einen respektvollen Umgang unter allen Menschen. Dazu können wir alle beitragen", fasst sie zusammen.
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