Von 22 bis 99 Jahren
Alter spielt keine Rolle im Stift Reichersberg

Herr Roman mit Herr Matthias beim 99. Geburtstag des gebürtigen Tschechen. | Foto: Hans Hathayer
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  • Herr Roman mit Herr Matthias beim 99. Geburtstag des gebürtigen Tschechen.
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Seit mittlerweile 940 Jahren ist das Stift Reichersberg die Heimat der Augustiner-Chorherren. Herr Roman ist 99 Jahre alt und seit 77 Jahren im Stift zuhause, Herr Matthias ist 22 und der jüngste Chorherr im deutschsprachigen Raum. Wir haben uns in einem "Doppel-Interview" mit den beiden unterhalten.

REICHERSBERG. Roman Foissner, im Stift Herr Roman, lebt seit 1947 im Stift Reichersberg. Er war Soldat im zweiten Weltkrieg und lebt nun schon seit 77 Jahren in der Chorherrengemeinschaft. Seine Geschichte stand ab dem Jahr 1947 im Zeichen des Augustiner-Chorherrenstiftes.

Wie verlief die Zeit vor dem Stift?
Ich wurde 1924 in Hohenfurth im tschechischen Böhmerwald geboren. Ich verbrachte meine Kindheit in der Nähe des Stiftes Hohenfurth, wo mein Vater als Kammerdiener arbeitete. Daher auch meine Verbundenheit zum Glauben. Im zweiten Weltkrieg verlor ich in Russland durch eine Granate ein Bein. Dabei hatte ich noch Glück, als einer der wenigen Verwundeten von Russland heimzukehren. Das habe ich meinem damaligen Freund Walter Bögl zu verdanken, der mich zum Schluss noch gesucht und gefunden hat.

Wie kamen Sie dann in die Gemeinschaft nach Reichersberg?
Ursprünglich wollten wir nach dem Krieg zurück nach Hohenfurth, aber da ging es nicht, da für unsere Eltern, die schon alt waren, kein Platz mehr vorhanden war. Im Stift Schlägl wurden wir ebenso nicht aufgenommen, durften aber für kurze Zeit dort wohnen. So suchte ich meinen Freund Walter Bögl auf, der uns leider auch nicht helfen konnte. Bei der Heimfahrt nach Schlägl sprachen mein Bruder und ich mit einem Pfarrer, der dem Prälaten von Reichersberg unsere Geschichte erzählte. Und tatsächlich bekamen wir dort einen fixen Platz. Am 20. Oktober 1946 wurden wir ins Novizitat aufgenommen.

Wie ging es dann weiter?
Die ersten Jahre verliefen ruhig, 1951 wurden wir zum Priester geweiht. Ich war immer musikalisch engagiert, und als 1954 der damalige Chorleiter Erwin Breneis erkrankte, sprang ich kurzfristig ein. Nachdem er Reichersberg im selben Jahr noch verlies, wurde mir die Aufgabe zugeteilt. Ich hatte keine musikalische Ausbildung, also besuchte ich am Brucknerkonservatorium in Linz eine Fortbildung zur "Kirchenmusik". Ein paar Jahre später begann ich an anderer Stelle, das Stift umzukrempeln.

Herr Roman war auch Priester in St. Georgen bei Obernberg. | Foto: Hans Hathayer
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Umkrempeln? Wie darf ich mir das vorstellen?
Nachdem ich in den 1950er Jahren nach Klosterneuburg geschickt wurde, um die Kanzleiarbeit und die Buchhaltung zu erlernen, übernahm ich im Oktober 1958 das Rentamt (Finanzverwaltung des Stifts, Anm. d. Red.).

Der Stiftsbetrieb steckte damals tief in finanziellen Schwierigkeiten. Unter anderem musste die Stromversorgung neu und vor allem günstiger aufgestellt werden. Außerdem mussten wir die landwirtschaftlichen Gründe verpachten und den Jagdbetrieb einstellen. Nach und nach haben wir es geschafft, günstigere Alternativen wie eine Zentralheizung für das Stift zu verwirklichen.

Gleichzeitig machte sich unser Chor immer mehr einen Namen und würde des Öfteren zu Konzerten eingeladen. Also als Chor- und Rentamtsleiter war ich ganz schön eingeteilt. (lacht).

Gibt es ein Highlight, an welches Sie in Ihrer Zeit im Stift heute noch zurückdenken?
Nun, da gehört sicherlich die Landesausstellung 1974 dazu, die die erste ihrer Art war. Die berühmte "Schwanthaler-Ausstellung" war damals auch ein absolutes Highlight. 2004 beendete ich nach 50 Jahren auch meine Zeit als Chor-Leiter und danke Gott bis heute, dass er mich durch diese Zeit hindurch begleitet hat.

Herr Roman und Herr Matthias mit Probst Andreas Grasl. | Foto: Hans Hathayer
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Alter spielt keine Rolle

Das in einem Stift aber nicht nur ältere Personen hausen, beweist Matthias Gassner – Herr Matthias – mit seinen 22 Jahren. Er entschloss sich im vergangenen Jahr, in die Chorherrengemeinschaft in Reichersberg einzutreten.

Warum entscheidet man sich in diesem jungen Alter für ein Leben im Stift? 
Ganz einfach gesagt: Man wächst in eine Lebensform hinein. Man wächst in und mit einer
Beziehung mit. Vielleicht ist genau das Berufung. Ich hatte keine Visionen und Erscheinungen oder sonst irgendwelche sonderbaren Erlebnisse, noch Schicksalsschläge die mich jetzt ins Kloster gebracht hätten. Nein - da ist in erster Linie eine große Faszination für diese Lebensform da, die einen nicht loslässt, da können dann auch die rationalen Gründe gegen das Kloster nicht anhalten.

Wenn ich mich Hals über Kopf verliebe, dann sehe ich in diesem Menschen immer das Gute, auch wenn es zu zweit nicht immer einfach ist. Es gibt tatsächlich Parallelen zum Verliebtsein: Irgendwann muss man dann Entscheidungen treffen, sich etwas trauen - den Heiratsantrag eben - in meinem Fall die Bitte um Aufnahme ins Kloster.

Wie geht es jetzt für Sie weiter? Möchten Sie jetzt Priester werden?
Ich werde - so Gott und meine Mitbrüder wollen - im August dieses Jahr mein Noviziat in
Reichersberg beenden und mich mit der zeitlichen Profess für drei Jahre an das Stift binden. In diesen drei Jahren geht es für mich wieder zurück nach Salzburg, um mein Theologiestudium fortzusetzen. Mein Ziel ist es natürlich nach beendetem Studium Priester zu werden. Ich setze mir meine konkreten und absehbaren Ziele etwas kleiner an. Bis zur Priesterweihe wird noch einiges auf mich zukommen. Ich bin ja noch am Anfang meines Weges, den ich mit viel Vertrauen nach Oben, zu meinen Nächsten und zu mir zu gehen versuche.

Man merkt ja zunehmend, dass sich die jüngeren Generationen nicht mehr so viel für den Glauben interessieren. Kann man die Kirche wieder "interessanter" machen?
Die Erfahrung in der Firmvorbereitung hat mir gezeigt, dass sich vor allem auch junge Leute
tatsächlich intensiv mit Fragen des Glaubens und des Lebens beschäftigen. Natürlich ist es in unserer Gesellschaft nicht gerade cool wenn man sich als Anhänger der Institution Kirche outet. Neben den Skandalen die wir jetzt schon geraume Zeit mit uns tragen und an deren Aufarbeitung wir arbeiten kommt noch der eigentliche Auftrag der Kirche dazu: Die Botschaft des Reiches Gottes, die uns Jesus vor circa 2.000 Jahren vor Augen gehalten hat. Die
Kirche als menschliche Institution wird dieser gewaltigen Botschaft auch nicht gerecht und auch ich als Ordenschrist bin jeden Tag wieder aufs neue gefordert, es ist also sicher nicht der angenehmste Weg, aber ein erfüllter. Ich denke auch dass diese Botschaft in der Gesellschaft nie den großen Beifall fand, zumindest nie von der Mehrheit.

Wir feiern bald Karfreitag, den Tod Jesu am Kreuz, aufgrund seiner radikalen Person. Ich vermute, dass wenn er heute wieder hier auf Erden wäre - wir würden ihn schätzungsweise wieder beseitigen wollen.

Lösungen hab ich für dieses Dilemma auch nicht. Ich glaube dass Gott in dieser Welt immer einen Raum haben wird, spätestens dann wenn wir Menschen auf unsere eigene Beschränktheit und Vergänglichkeit in dieser Welt stoßen. Die Aufgabe die wir als Kirche haben ist es, Gott Platz zu geben in der Welt, unter allen Menschen, sie dort zu erreichen wo sie sind.

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