Buchrezension "Friss oder stirb"
Vom dick fühlen und dünn sein wollen
Gerade jetzt nach den Feiertagen fühlen sich viele Menschen "vollgefressen" oder haben sich als Vorsatz das Abnehmen vorgenommen. Doch leicht kann man dabei in eine Essstörung geraten, wie die Hauptfigur des Romans "Friss oder Stirb".
SALZBURG. Selbstakzeptanz ist für viele Menschen schwer, vor allem für Anna, die als Hauptfigur im Roman "Friss oder Stirb" in eine Essstörung abrutscht und sich nur schwer an das Wort "Selbstliebe" heranwagt. Den Roman von Barbara Rieger kann man als Coming of Age Roman ansehen, der einen klaren, drastischen Einblick in die Seele von heranwachsenden gibt, aber durchaus für das erwachsene Publikum geschrieben wurde. Eins vorweg, der Roman geht gut aus, wie das vorangestellte erste Kapitel erzählt, denn darin lernt der Leser die Erwachsene Anna kennen, die sich an ihre Jugend erinnert. Da sich die Autorin hier an zwei unterschiedlichen Erzählstile heranwagt, wäre es weniger verwirrend gewesen, wenn die Erwachsene Anna erst im Epilog auftaucht, aber es tut dem Lesen und der Geschichte keinen Abbruch.
Essstörung: weder zu dick, noch zu mager
Anna ist nicht sehr dick und auch nicht zu dünn. Und gerade da liegt der Kern des Problems, denn Annas Essstörung sieht man ihr nicht an. Die Autorin zeichnet gekonnt und in vielen Unterstufungen den Beginn der Essstörung, die auch von der Umwelt beeinflusst werden. Dabei ist neben Anna die Figur der Mutter, die in der Charakterisierung seines gleichen sucht. Mit nur wenigen Sätzen wird Annas Mutter im Buch geschildert, die auch den abwertenden Umgang deutlich macht, der zu Annas negativer Körperwahrnehmung beiträgt.
Anna verdreht den Oberkörper und versucht sich im Spiegel von hinten zu sehen. Sie schlüpft aus der Jeans, in die andere Jeans hinein, blickt in den Spiegel, verdreht sich, so weit sie kann. »Komm heraus«, hört sie die Stimme der Mutter. Anna öffnet die Tür der Umkleidekabine, macht einen Schritt nach vorne, dreht sich einmal um die eigene Achse. »Ist die nicht ein bisschen zu eng«, sagt die Mutter und Anna zuckt mit den Schultern, geht zurück in die Umkleidekabine, schlüpft aus der Jeans, blickt auf das Etikett mit der Größe, die darf nicht zu eng sein, denkt sie.
Das eigentliche "Fressen" und erbrechen kommt bei Anna später, aber der Leser wird bereits von Anfang an die innere Sichtweise auf das Essen herangeführt. Dabei verwendet Rieger eine Sprache, die auf vielen Seiten drastisch und extrem ohne dabei vulgär zu wirken.
„Die Schokolade verklebt Anna den Mund, wird immer mehr, erst süß, dann bitter, dann säuerlich, dann ist sie weg bis auf den schalen Nachgeschmack. Nie wieder ein Stück, denkt Anna, ein Stück noch, denkt sie, nur noch ein Stück“
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