Im Interview
Der neue "Stadt-Pfarrer" Alois Dürlinger über Zölibat und eine Öffnung der Kirche
Pfarrer Alois Dürlinger ist seit Anfang Oktober für die vier Stadtpfarren Herrnau, Morzg, Gneis und Nonntal verantwortlich.
SALZBURG. Mit einem Festgottesdienst unter offenem Himmel beim Uni-Campus Nonntal hat Pfarrer Alois Dürlinger am sechsten Oktober sein neues Amt übernommen. Seither ist er für die vier Stadtpfarren Herrnau, Morzg, Gneis und Nonntal verantwortlich. Was er den Salzburgern vermitteln möchte, wie er zum Thema gleichgeschlechtliche Liebe steht und warum die Kirche für ihn zu weit weg von den Menschen ist, darüber spricht der 61-Jährige im Stadtblatt-Interview.
Sie wollten Ihre Amtseinführung – kombiniert mit einem Erntedankfest – ganz bewusst im Freien abhalten. Warum war Ihnen das ein Anliegen?
ALOIS DÜRLINGER: Es ist für mich ein Zeichen der Öffnung der Kirche nach außen. Man tut nicht Gutes, wenn man die Feier des Glaubens abgrenzt vom pulsierenden Leben draußen, ich will keine Schwellen errichten, sondern diese abbauen. Manche Menschen wollen eine Kirche nicht betreten und entfernen sich vom Glauben. Dabei übersieht die Kirche oft, dass sie es ist, die sich zu weit vom Leben der Menschen entfernt hat.
Wie muss Kirche heute sein, um für die Menschen wieder "greifbarer" zu werden?
ALOIS DÜRLINGER: Es passiert zu viel aus einer gewissen Prinzipientreue heraus, nach dem Motto "Das haben wir immer so getan." Das ist mir völlig fremd. Denn wenn nur die Prinzipien bleiben, dann muss man sich fragen, wie lebenstauglich diese denn heute noch sind? Ich denke hier an das Festhalten an einer Sexualmoral, die längst nicht mehr zeitgemäß ist, oder den Umgang der Kirche mit Randgruppen.
Sie sprechen wohl den Zölibat und den Umgang der Kirche mit gleichgeschlechtlicher Ehe an?
ALOIS DÜRLINGER: Der Pflichtzölibat für Priester ist ein von Menschen geschaffenes Gesetz und das kann auch von Menschen geändert werden. Besser heute als morgen. Ich sage klar: Die Öffnung des Weihamtes soll auch für Frauen gelten. Und was die Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung, ihrer Hautfarbe oder Herkunft betrifft: Das ist eine der größten Sünden, die man begehen kann. Das Leben schreibt seine Geschichten und es gibt nicht nur schwarz oder weiß, es gibt alle Formen dazwischen und hier sollte der Mensch nicht eingreifen. Jesus hat Menschen, die an den Rand gedrängt wurden, wieder aufgerichtet und in die Mitte genommen, das sollte sich die Kirche vergegenwärtigen.
Worauf werden Sie in Ihren Messen Wert legen?
ALOIS DÜRLINGER: Den Menschen zu vermitteln, dass alle Menschen gleich behandelt werden müssen. Ich möchte aus den vier Pfarren einen Ort der Begegnung schaffen, verschlossene Pfarrhöfe sind mir völlig fremd. Die Menschen leiden immer mehr an Einsamkeit, hier müsste die Kirche noch mehr ein Ort des Zusammenführens sein. Einsamkeit passiert im anonymen Wohnblock in der Stadt, genauso aber in der noblen Villa hinter hochgewachsener Hecke. Menschen, die immer ihre Ruhe suchen, haben diese Ruhe – auch dann, wenn sie einem weniger lieb ist.
Sie wurden von Erzbischof Franz Lackner aus Anlass der Fluchtbewegung zum "Sprecher in Asyl- und Flüchtlingsangelegenheiten" ernannt. Ein Herzensanliegen von Ihnen?
ALOIS DÜRLINGER: Gott zu lieben und die Menschen nicht zu lieben und ihnen nicht zu helfen, das funktioniert nicht. Man muss den Menschen auf der Flucht eine Heimat bieten. Einer der syrischen Flüchtlinge, die damals bei mir im Pfarrhof in St. Veit gelebt haben, hat etwas sehr Schönes gesagt: "Wenn du nach dem Gottesdienst hinausgehst und den Menschen Gutes tust, dann beginnt der wirkliche Dienst an Gott." Das ist genau das, worum es geht.
Wie würden Sie Kirche beschreiben?
ALOIS DÜRLINGER: Bei einer Reise nach Amerika stand auf einem Gotteshaus geschrieben: "Church ist not a museum for good people, but a hospital for the broken" – zu deutsch: Die Kirche ist kein Museum für die Braven, sondern ein Krankenhaus für die Gebrochenen. Und wenn man sich diesen Satz vor Augen führt, kann die Kirche nicht mehr mit allem so weitermachen.
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