Biodiversitätskrise in Salzburg
"In den Alpen vertrocknen die Blüten"

MeinBezirk.at trifft den Forscher Andreas Tribsch im botanischen Garten in Salzburg zum Gespräch. | Foto: Anna-Katharina Wintersteller
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Die "Biodiversitätskrise" macht sich auch schon in der Salzburger Pflanzenwelt bemerkbar, sagt Botaniker Andreas Tribsch vom Fachbereich für Umwelt und Biodiversität an der Universität Salzburg. "Es macht einen sehr großen Unterschied für uns Menschen, ob es 37 oder 40 Grad hat, bei den Pflanzen ist es ähnlich", zeigt sich der Forscher besorgt. 

SALZBURG. Andreas Tribsch ist Forscher an der "Natur- und Lebenswissenschaftlichen Fakultät" in Salzburg (NLW).  In seinem Forschungsbereich, der Pflanzenevolution, beschäftigt er sich damit, wie sich historische Umweltveränderungen wie Eiszeiten und Warmzeiten in der Vergangenheit auf die Verbreitung und Zusammensetzung der Artenvielfalt im Alpenraum ausgewirkt haben. Im "Botanischen Garten Salzburg" spricht MeinBezirk.at mit dem Forscher darüber, welche Folgen die aktuelle Biodiversitätskrise bereits in Salzburg hat. 

In letzter Zeit hört man häufig von einer Biodiversitätskrise? Wie würden Sie den Begriff definieren?
ANDREAS TRIBSCH:
Ich mag den Begriff eigentlich ganz gern, weil alternativ könnte man Artensterben sagen.  So viele Arten sterben aber nicht aus. Was vielmehr passiert, ist, dass von vielen Arten nur mehr isolierte Populationen da sind. Das heißt, wenn man sich vorstellt: Da vorne sieht man einen Magerrasen mit haufenweise blühenden Pflanzen, die früher rund um Salzburg extrem häufig waren. Auf 50 Prozent der Wiesen hat es Margeriten gegeben oder andere typische Wiesenpflanzen. Viele davon sind aber sehr selten geworden. Durch die landwirtschaftlichen Änderungen sind von den ursprünglich 50 Prozent der Flächen nur mehr 3 Prozent der Flächen vorhanden, wo die Arten noch vorkommen. Da besteht die Gefahr, wenn nur so kleine Habitate da sind, dass die Population ausstirbt. Es gibt aber noch viel mehr Aspekte der Biodiversitätskrise, da Insekten, andere Tiere und Pflanzen voneinander abhängig sind. 

Was sind Auswirkungen der Biodiversitätskrise auf die Menschen, wenn man die nächsten Jahre betrachtet?
ANDREAS TRIBSCH: Letztendlich verlässt man sich darauf, dass man jetzt gerade etwas anbaut, etwas züchtet, was jetzt gerade bei diesem Klima funktioniert. Wir wissen, dass es in Zukunft Klimaschwankungen geben wird. Dadurch, dass die Wiesenpflanzen sehr viel seltener werden, aber auch viel genetische Variation da ist, würde ich erwarten, dass man auch sehr viel an genetischen Ressourcen verliert.

Botaniker Andreas Tribsch führt durch den "Botanischen Garten Salzburg".  | Foto: Anna-Katharina Wintersteller
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Können Sie dazu ein Beispiel geben?
ANDREAS TRIBSCH: Wenn ich eine natürliche Wiese mit 50 Arten habe, die vielleicht 20 Prozent weniger Ertrag hat, als wenn ich einzige Grasart einsähe, dann habe ich wahrscheinlich bei unterschiedlichen Klimabedingungen bei der natürlichen Wiese einen stabileren Ertrag. Mir fällt in artenreichen Wiesen auf, wenn er sehr niederschlagsreich ist, kommen die Gräser besser. Wenn es sehr trocken ist, kommen die tiefwurzelnden Kräuter besser. Der Ertrag ist da. Zusätzlich würden sich in der Mikroevolution jene Arten besser durchsetzen, die besser Nässe, Trockenheit oder Frost aushalten. Auf diese natürliche Art und Weise sind wir über Jahrtausende mit der Umwelt umgegangen. Das wurde die letzten 50 Jahre gestoppt. Man verlässt sich vielmehr auf Technik und Züchtung. Ich finde, man muss da schon die Balance finden. Ich würde schon erwarten, dass da auch sehr viel negative Effekte, auch wirtschaftlich,  entstehen, wenn man zu sehr auf das falsche Pferd setzt. Sich zu sehr auf das, wie es jetzt funktioniert, zu verlassen, ist wahrscheinlich das falsche Pferd. 

MeinBezirk.at trifft den Forscher Andreas Tribsch im botanischen Garten in Salzburg zum Gespräch. | Foto: Anna-Katharina Wintersteller
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Wo merkt man die Biodiversitätskrise schon in Salzburg?
ANDREAS TRIBSCH: Im agrarischen Bereich mit sehr häufigem Mähen, der starken Überdüngung und weniger Strukturen gibt es kaum mehr die typischen Wiesenschmetterlinge und Ähnliches. Wir glauben zwar, dass wir in einer guten Situation sind, es ist aber zum Beispiel schon nachgewiesen worden, auch gerade bei Schmetterlingen, das sich viele Arten ins Gebirge zurückziehen und immer weiter in die Höhe wandern. Wahrscheinlich durch die Kombination aus: Es wird einfach wärmer und die Lebensräume und Strukturen sind besser als in den Tieflagen. Es ist aber ziemlich schwierig, die Biodiversitätskrise bei Pflanzen nachzuweisen. Wir haben relativ wenige Beobachtungsdaten von vor zwanzig, dreißig Jahren, wo man die exakte Entwicklung von Pflanzenarten auf einer Wiesenfläche beobachtet hat. 

Was kann man jetzt bezogen auf Pflanzen in Sachen Biodiversitätskrise aber schon sagen?
ANDREAS TRIBSCH: Ein gutes Beispiel ist der Rückgang der Moore. Da ist eine Zeit lang sehr viel trocken gelegt worden. Da kommen die Moore mit den wärmeren Sommern unter Druck, weil es einfach eine eine gewisse Niederschlagsmenge braucht. Umgekehrt ist das ein Bereich, wo der Naturschutz ganz gut funktioniert, wo es auch Renaturierungspläne gibt. Eine weitere Veränderung bei den Pflanzen ist, dass sowohl bei Tieren als auch Pflanzen immer mehr Arten einwandern. Thermophile Arten, also Arten, welche Wärme mögen, die man eher aus der Wiener Gegend kennt, kommen jetzt auch schon im Salzachtal vor. Der Kompasslattich wär ein Beispiel. Eine Art, die früher sehr selten war, sich aber jetzt überall ausbreitet. Das hat zwar ökologisch oder ökonomisch kaum einen Effekt, aber es gibt jetzt schon diese Hinweise, dass sich etwas verändert. 

"Die Politik soll anerkennen, dass die Biodiversitätskrise ein Problem ist", sagt Andreas Tribsch.  | Foto: Anna-Katharina Wintersteller
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Wirkt sich die Hitze der letzten Wochen jetzt schon auf die Vegetation aus?

ANDREAS TRIBSCH: Hitzeperioden hat es immer schon gegeben. Aber man sieht es gerade im städtischen Bereich, wenn einmal eine gewisse Temperatur überschritten ist, dann brennt es  die Zierrasen und andere Pflanzen einfach nieder. Ich war die letzten zwei Wochen sehr viel im alpinen Raum unterwegs. Da merkt man es sofort, dass die Blüten vertrocknen, wenn es ungewöhnlich heiß ist. Das hat es natürlich immer schon gegeben. Die Frage ist natürlich, hat es Auswirkungen, wenn das öfter passiert? Ich meine die Daten haben wir ja, das auch an höheren Lagen die Temperaturen ungewöhnlich lang ungewöhnlich warm sind. 

Was bedeutet außergewöhnliche Hitze für Pflanzen?

ANDREAS TRIBSCH: Es macht einen sehr großen Unterschied für uns, ob es 37 oder 40 Grad hat. Bei den Pflanzen ist es ähnlich. Ab einer gewissen Temperatur funktioniert die Physiologie nicht mehr. Eine nicht angepasste Pflanze könnte absterben. So wie heuer, es ist doch ein sehr warmes Jahr, da ist die  Vegetation sehr weit vorne. Man sieht schon, dass einige Arten, die empfindlicher sind, sehr früh gelbe Blätter kriegen.

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Als Botaniker beschäftigten Sie sich in Ihrer Forschung viel mit der Evolution von Pflanzen. Gibt es schon jetzt Pflanzen, die sich aufgrund der Biodiversitätskrise genetisch angepasst haben?

ANDREAS TRIBSCH: Jein, man merkt bei Pflanzenpopulationen, wie schnell Evolution sein kann. Um ein Beispiel zu nennen: Das Wettrennen von Spritzmitteln und Pflanzenarten, die dagegen resistent werden, ist ja auch ein Evolutionsschritt. In der Natur ist das relativ normal, auch dass es relativ schnell gehen kann. Schnell kann das aber nur gehen, wenn eine gewisse genetische Variation da ist. Man sieht das zum Beispiel bei Ackerunkräutern oder zum Teil in den Wiesen. Es wird sehr viel gemäht, aber trotzdem kann sich der Löwenzahn da sehr gut anpassen. Die Pflanze passt sich also an, um zu überleben. Anpassung ist in der Evolution kein aktiver Prozess sondern ein oft sehr langsamer selektiver Prozess und auch oft Zufall. Wir sind auch nicht alle gleich. Manche sagen: "Mir ist Wurst, wenn es heiß ist". Die sind auch besser angepasst, als die bei 30 Grad schon umfallen. Was ich nicht mehr hören kann ist die Argumentation "Die Natur richtet's sich eh". Das stimmt nicht.  Das geht bei langsamen Umweltveränderungen, aber nicht bei den schnellen Änderungen in der Landwirtschaft und des Klimas der letzten Jahrzehnte.

Es ist ein sehr großer Unterschied für uns, ob es 37 oder 40 Grad hat. Bei den Pflanzen ist es ähnlich.  | Foto: Anna-Katharina Wintersteller
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Was kann man als Einzelner machen, damit man die Pflanzen so unbescholten wie möglich lässt?
ANDREAS TRIBSCH: Ein Tipp wäre, das sage ich als jemand der gerne draußen ist und auch gern wissen will, welche Schmetterlinge und welche Pflanzen um mich herum sind: Einfach beobachten. Ich glaub, man kann wenig machen im Sinn von "Wenn man weniger in den Rasen steigt, dann tut man was Gutes." Zu beobachten: "Was passiert da eigentlich? Welche Arten werden häufiger, welche Arten werden seltener?" finde ich sinnvoll. Die Hauptverantwortung derjenigen, die die Biodiversitätskrise eindämmen und stoppen können, liegt bei der politischen Ebene. Alle Grundbesitzer können aber auch entscheiden, ob sie unbedingt eine Betonparkplatz haben möchten oder die Wiese stehen lassen. Einen kleinen Beitrag kann jeder leisten, aber Biodiversität findet in der Fläche statt. Ich werde jetzt nicht durch einen Insektenhotel auf meinem Balkon den Fehler ausgleichen, dass ein riesengroßer Moorkomplex austrocknet. 

Was würden Sie von der Salzburger Landespolitik fordern, um der Biodiversitätskrise zu begegnen?

ANDREAS TRIBSCH: Der wichtigste Punkt: Die Politik soll anerkennen, dass die Biodiversitätskrise ein Problem ist. Das ist nichts, was nur in Brasilien stattfindet, sondern wirklich auch hier in Salzburg.

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