Direkte Demokratie
Bürgerrat fordert Praxissemester für Berufspolitiker
Zehn Salzburger wurden durch Zufallsprinzip in den Bürgerrat gewählt. Dieser setzte sich mit dem Thema "Zusammenleben nach der Krise" auseinander. Forderungen und Vorschläge werden nächste Woche dem Landtag präsentiert.
SALZBURG, ST. JOHANN. "Krisenfestigkeit erfordert Stabilität. Eine Gemeinschaft, die nicht stabil ist, kann in Krisen nicht funktionieren" – das ist die Erkenntnis des Salzburger Bürgerrates, der in St. Johann tagte.
Schlüssel liegt in der Nachbarschaft
Diese Stabilität beginne schon im kleinsten Bereich: "Wenn ich mich in der Nachbarschaft gegenseitig unterstütze, trägt das genauso zur Sicherheit bei, wie wenn das Vereinswesen und das Ehrenamt funktionieren", sagt Thomas Haderlapp, einer der Moderatoren der Veranstaltung. "Wir müssen also in ruhigen Zeiten für diese Funktionstüchtigkeit sorgen, um für die nächste Krise aufgestellt zu sein." Auch der Bürgerrat selbst sorge für Krisenfestigkeit, denn er sei Teil direkter Demokratie und arbeite Politikverdrossenheit entgegen und damit der gesellschaftlichen Stabilität zu – heißt es von der Gruppe.
Neue Sichtweisen auf die Herausforderungen der Zukunft
Der Salzburger Landtag hat den Bürgerrat zum Thema "Zusammenleben nach der Krise" einberufen und bat zehn Teilnehmerinnen und Teilnehmer um neue Sichtweisen auf die Herausforderungen der Zukunft. Nach dem Zufallsprinzip wurden die Salzburgerinnen und Salzburger aus allen Landesteilen und Altersgruppen ausgewählt.
"Das Wissen der Einzelnen ist nicht zu unterschätzen"
"In Salzburg haben wir solche Bürgerräte schon öfters moderiert. Die Themen reichten von der Flüchtlingskrise über das Klima bis zur Mobilität und zum Verkehr", sagt Rita Trattnigg, die den Bürgerrat auch dieses Mal leitete. "Besonders spannend ist, dass sich unbekannte Menschen zusammenfinden und mit einem Thema auseinandersetzen. Wir wissen vorher nie, welche Zugänge diese Leute haben werden, welche Hintergründe und wie sich diese eineinhalb Tage entwickeln werden", so Trattnigg. "Wir lernen dabei jedes Mal: Das Wissen der Einzelnen ist nicht zu unterschätzen."
Herausforderungen am eigenen Leib erfahren
Auch dieses Mal kamen ganz konkrete Forderungen und Ideen zustande, die dem Landtag am 5. Juli präsentiert werden. Eine Ideen des Bürgerrates ist ein verpflichtendes "Praxissemester" z.B. für Berufspolitiker in ihren Zuständigkeitsbereichen. So würden die Politiker die Herausforderungen im jeweiligen Feld selbst erfahren und dort auf Menschen treffen, die Experten in ihrem Bereich sind und die viel zu selten gehört werden würden – heißt es von der Gruppe.
Direktes Stimmungsbild aus der Bevölkerung
Angetan von den Ideen des Bürgerrates zeigte sich Landtagspräsidentin Brigitta Pallauf: „Wir brauchen diese wichtigen Stimmen, die sonst nicht zu Wort kommen würden. Es ist unsere Aufgabe als Parlament ihnen zuzuhören. So erhalten wir ein direktes Stimmungsbild aus der Bevölkerung und können gemeinsam getragene Lösungen von breiter Akzeptanz entwickeln."
"Bürgerrat ist direkte Demokratie"
Ob ihre Stimmen tatsächlich gehört werden, fragt sich Martin Möller aus dem Flachgau noch. Er ist eines der Mitglieder des Bürgerrates: "Mir kommt der Bürgerrat sehr entgegen, weil ich ein Verfechter der direkten Demokratie bin und das Gefühl habe, dass wir Bürger meist übergangen werden. Ich hoffe aber, dass unser Input etwas bewirken kann."
Strukturelle Maßnahmen für die Zukunft
Dass er am Thema Krisensicherheit mitarbeiten konnte, freut Fritz Abraham aus Salzburg besonders: "Krisen müssten eigentlich erwartbar sein, dennoch erwischen sie uns immer am falschen Fuß. Jetzt sind strukturelle Maßnahmen wichtig, um uns für die Zukunft gut aufzustellen."
"Wir schulden ihnen eine Antwort"
Mit einer Antwort aus dem Salzburger Landtag sei erst im Herbst zu rechnen, aber die Landtagspräsidentin ist sicher, dass die Ideen aus dem Bürgerrat dort Gehör finden werden. "Wir schulden ihnen eine Antwort. Der Landtag wird sich mit dem Ergebnis auseinandersetzen. Wir hoffen, die Sichtweisen der Bürger in das politische Handeln der kommenden Monate und Jahre integrieren zu können", sagt Pallauf.
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