Forschung Umverteilung
Vermögen: Ungleichheit wird oft unterschätzt

Lisa Windsteiger ist die neue Frau im Fachbereich Volkswirtschaftslehre an der Paris Lodron Universität Salzburg. Ihren Forschungsschwerpunkt legt die gebürtige Oberösterreicherin auf das Thema "Ungleichheit und Umverteilung". Dabei hat sie sowohl spannende als auch paradoxe Erkenntnisse gewonnen. Im Interview lest ihr welche das sind.

SALZBURG. Seit Mitte April forscht und lehrt Lisa Windsteiger als Assistenzprofessorin im "Department of Economics", über den Dächern der Salzburger Altstadt. Sie ist bisher die einzige Frau im Professoren-Team des Fachbereichs Volkswirtschaftslehre. Zuvor war sie unter anderem an der "London School of Economics" und am "IFO-Institut" (Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung, Universität München) tätig.

Ökonomin Lisa Windsteiger: "Es liegt nicht an der tatsächlichen Ungleichheit, wie hoch der Ruf nach Umverteilung in der Bevölkerung ist, sondern an der wahrgenommenen Ungleichheit. Und die wahrgenommene Ungleichheit entspricht eben nicht immer der tatsächlichen Ungleichheit." | Foto: Petra Huber
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Frau Windsteiger, wie fühlen Sie sich als erste Frau im Professoren-Team des Fachbereiches Volkswirtschaftslehre (VWL) an der Universität Salzburg?
LISA WINDSTEIGER: Ich bin super hier aufgenommen worden und verstehe mich mit all meinen Kollegen sehr gut. Ich bin die erste Frau im Professorenteam am VWL Department, den Fachbereich gibt es erst seit 2022. Es gab schon vorher Ökonominnen und Ökonomen an der Uni aber es war kein eigener Fachbereich.

Es ist auch sicher gut, dass jetzt einmal eine Frau da ist, ich hätte auch gerne, dass noch mehr Frauen nachkommen, aber ich verstehe mich auch mit meinen männlichen Kollegen sehr gut und habe mich gleich von Anfang an super wohl gefühlt.

Sie forschen zum Thema „Ungleichheit und Umverteilung“. Was sind Ihre wichtigsten Erkenntnisse?
LISA WINDSTEIGER: Was ich hauptsächlich erforsche: Wie die Bevölkerung zu Umverteilungsmaßnahmen steht, ob sie finden, dass es mehr Umverteilung geben sollte und wie das funktionieren sollte, etwa mit Vermögenssteuern, Vermögenszuwachssteuern oder Erbschaftssteuern etc.
Genaueres über die Erbschaftssteuern findest du >>>hier<<<.

Lisa Windsteiger in ihrem Büro des Fachbereichs Volkswirtschaftslehre an der Uni Salzburg. Sie ist die erste Frau im Professoren-Team dort. | Foto: Petra Huber
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Ausgehend für meine Forschung ist die Beobachtung: Wenn die Ungleichheit in einem Land steigt, steigt die Forderung nach Umverteilung in der Bevölkerung nicht automatisch an. Damit habe ich mich während meiner Dissertation beschäftigt und dann analysiert, warum das so sein könnte.

Und da zeigt sich eben: Es liegt nicht an der tatsächlichen Ungleichheit, wie hoch der Ruf nach Umverteilung in der Bevölkerung ist, sondern an der wahrgenommenen Ungleichheit. Und die wahrgenommene Ungleichheit entspricht eben nicht immer der tatsächlichen Ungleichheit.

Besonders wenn die Bevölkerung sehr stark nach sozio-ökonomischen Merkmalen segregiert ist. also Reiche sehr stark mit Reichen interagieren und Arme vorwiegend mit Armen. Dann sehen sie nie, wie es eigentlich den anderen geht. Dadurch wird die Ungleichheit in der Bevölkerung tendenziell unterschätzt. Und dadurch wird die Notwendigkeit für mehr Umverteilung unterschätzt, sei es durch höhere Einkommenssteuer oder höhere Vermögens- und Erbschaftssteuern.

Was ist wenn die Reichen wüssten wie arm die Armen sind, wären sie dann für mehr Umverteilung?
LISA WINDSTEIGER: Aus gesamtgesellschaftlicher Sicht vielleicht schon aber aus ihrer eigenen ökonomischen Sicht macht das wenig Sinn. Aber besonders die Unter- und Mittelschicht wären, wenn sie die Ungleichheit so wahrnehmen würden wie sie ist, tendenziell mehr für Umverteilung. Weil ihnen bewusst werden würde, wie sehr sie selbst von Umverteilung profitieren könnten, was sonst vielleicht nicht so präsent ist.

Über den Dächern der Salzburger Altstadt liegt das internationale Forschungszentrum, in dem Lisa Windsteiger im Bereich Volkswirtschaftslehre tätig ist. | Foto: Petra Huber
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Und diese Wahrnehmung findet in der breiten Bevölkerung nicht ausreichend statt?
LISA WINDSTEIGER: Das Problematische ist ja: Je höher die Ungleichheit ist, desto stärker ist der Anreiz für Reiche sich abzugrenzen. Sie wollen in den besseren Wohnvierteln leben, Kinder in private Schulen schicken etc.. Und das alles führt dazu, dass eben diese zwei getrennten Gesellschaften entstehen, die Ärmeren und die Reicheren, und dass sich ihre Wege seltener kreuzen.

Das kann dann zu der paradoxen Erscheinung führen, dass die Ungleichheit steigt und sich die Reichen dadurch stärker abgrenzen. Deshalb wird die Ungleichheit wiederum weniger wahrgenommen und es kommt nicht automatisch zu mehr Forderungen nach Umverteilung.

Welche Aspekte spielen noch eine Rolle, wie Menschen das Thema „Ungleichheit und Umverteilung“ wahrnehmen?
LISA WINDSTEIGER: Was wir auch oft in unserer Forschung gefunden haben ist, dass es bei Themen die schon sehr stark politisch besetzt sind – links oder rechts – schwierig ist, Leute vom Gegenteil zu überzeugen.

Wenn Menschen eine bestimmte Meinung zu einer bestimmten Politikmaßnahme haben und diese teilweise politisch motiviert ist, dann haben sie bestimmte Argumente verinnerlicht. Es ist also schwierig jemanden der links ist und die Argumente von linken Parteien intus hat, von der anderen Seite zu überzeugen und umgekehrt.

Findest du Vermögen bzw. Erbschaften sollten versteuert werden?

Was halten Sie von der Vermögensteuer, die im Moment heiß diskutiert wird?
LISA WINDSTEIGER: Aus gerechtigkeits- und sozialpolitischer Sicht bin ich grundsätzlich für Vermögenssteuern. Aus ökonomischer Sicht sind Vermögenssubstanzsteuern (Anmerkung Redaktion: Steuern auf bereits bestehendes Vermögen) aus verschiedenen Gründen problematisch. Etwa aus administrativer Sicht, weil es dann tatsächlich darum geht, welches Vermögen jetzt genau wie bewertet und besteuert wird. Es gibt ja viel nicht-finanzielles Vermögen, das schwierig zu bewerten ist z.B. ein Haus oder ein Grundstück.

In Deutschland gibt es eine Vermögenssteuer, die im Moment unter anderem aus diesem Grund ausgesetzt ist. Da gab es Probleme damit, dass unterschiedliche Vermögenswerte unterschiedlich bewertet wurden. Vermögenssubstanzsteuern würden außerdem rezessiv wirken, wenn die Wirtschaftsleistung zurück geht.

Da macht es, finde ich, mehr Sinn, Vermögenszuwachs zu besteuern. Wenn das Vermögen steigt, dann soll ein Teil dieses Wertes als Vermögenszuwachssteuern abgegeben werden. Vermögenszuwachssteuern gibt es in Österreich schon, z.B. die Kapitalertragssteuer, aber man kann natürlich diskutieren, ob diese Steuern höher (oder progressiv) sein sollten. Und was natürlich sehr wichtig in Österreich ist, ist die Erbschafts- und Schenkungssteuer wieder einführen. Das ist der erste Hebel an dem ich ansetzten würde.

Das war der erste Teil des Interviews. Wenn du wissen möchtest, was genau für eine Erbschaftssteuer spricht, welche Möglichkeiten eine Vermögensverteilung haben kann und wie man am besten reich wird:
Den zweiten Teil des Interviews mit Lisa Windsteiger findest du >>> hier <<<.

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