Christine Maria Grafinger
"Am Anfang war mir vieles fremd"

Landeshauptmann Thomas Stelzer und Christine Maria Grafinger während des diesjährigen Sommerfestes des Landes Oberösterreich in Linz.  | Foto: Land OÖ/Kraml
  • Landeshauptmann Thomas Stelzer und Christine Maria Grafinger während des diesjährigen Sommerfestes des Landes Oberösterreich in Linz.
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Christine Maria Grafinger erblickte am 25. Februar 1953 in Vöklabruck das Licht der Welt. Nach Volksschule und Reifeprüfung studierte die heute 66-Jährige in Salzburg Geschichte, Geographie und Französisch auf Lehramt. Danach absolvierte sie 1980 das Doktorratsstudium im Fach Neue Geschichte. Nach Stationen beim Trauner Verlag, am Historischen Institut Salzburg sowie der Ausstellung "Österreich und der Vatikan" in Rom anno 1986, arbeitete sie von Februar 1996 bis März 2018 als erste Frau in der Vatikanischen Bibliothek. Was sie dort erlebte und wofür Sie verantwortlich war, erzählt die Wahlgmundnerin im Interview.

BezirksRundschau: Frau Grafinger, Sie sind die ehemalige Leiterin der Biblioteca Apostolica Vaticana, hatten eine Anstellung in der Handschriftenabteilung inne und sind unlängst nach Österreich zurückgekehrt. Wie lange waren Sie in dieser Position tätig? War diese Position Ihr Traumberuf?
Grafinger: Ich war 32 Jahre in der Position tätig und bin seit Ostern 2018 wieder zurück in Gmunden. Ich habe den Beruf nicht angestrebt, weil ich eigentlich gar nicht nach Rom wollte. Der Präfekt (Anmerkung: ein mit besonderen Aufgaben betrauter hoher Geistlicher, in diesem Fall für die Bibliothek) hat mir diesen Posten aber vorgeschlagen. Am Anfang war alles fremd, wie ein Wurf ins kalte Wasser. Ich musste einfach schwimmen, sonst ging ich unter. Daher musste ich sehr viel lernen und mir aneignen. Die Arbeit mit diesen vielen alten Büchern – die Sammlung umfasst 150.000 Handschriften und ist demnach die größte weltweit – war ebenso herausfordernd wie gleichzeitig faszinierend.

Wie reagierten Ihre Familie und ihr soziales Umfeld, als Sie den Posten angenommen hatten?
Ich wollte eigentlich für die drei Monate zur Ausstellungsvorbereitung schon nicht Rom gehen. Mein Vater aber meinte: "Drei Monate wirst Du das wohl aushalten."

Wie hielten Sie während Ihrer Zeit im Vatikan Kontakt zu Familie und Freunden zu Hause?

Ich war pro Jahr mindestens drei Mal zu Hause um Energie zu tanken. Das Leben in Rom ist nämlich sehr anstrengend. Genau gesagt war ich zu Weihnachten eine Woche, zu Ostern ein paar Tage und im Sommer zwei bis drei Wochen daheim. Falls ich Vorlesungen oder Seminare an Universitäten hielt, habe ich das Wochenende zuvor in Gmunden verbracht.

Vor welchen Herausforderungen standen Sie während der ersten Monate im Vatikan?
Die größte Herausforderung während der ersten Monate war sicherlich die italienische Sprache. Ich konnte jene ja nicht. In Kombination mit den vielen alten Schriften, die oft sehr schwer zu lesen sind, brauchte ich für meine Arbeit vor allem am Anfang noch mehr Geduld als sonst. 

Was galt es für Sie vor Dienstantritt zu erfüllen?

Bei mir war es eigentlich ein Sonderfall, da mich der damalige Präfekt in der Bibliothek und der Handschriftensammlung haben wollte. Es dauerte jedoch fast sechs Jahre, bis ich endgültig angestellt wurde. Die ersten fünf Jahre wurde meine Stelle durch den Forschungsfond der Akademie finanziert, da bis zu diesem Tag noch keine Frau im Vatikan angestellt war. In der  Handschriftensammlung war ich ebenfalls die erste Frau, die eine Anstellung fand.

Welches war Ihr genaues Aufgabengebiet?
Ich arbeitete in der lateinischen Abteilung, meine Fachgebiete waren die Handschriften, die Benutzergeschichte wie auch die Betreuung des Archives der Bibliothek. Dabei handelt es sich um einen geschlossenen Bestand. Dieser enthält päpstliche Anweisungen, Korrespondenz sowie Nachlässe und ist direkt dem Präfekten unterstellt. Mein Aufgabengebiet bestand in der Erstellung eines Inventars von 296 Handschriften, das heißt Kurzbeschreibungen der Inhalte jeder einzelnen Seite, das dann den Lesern aus aller Welt als Findbuch diente.

Wie sah ein normaler Arbeitsalltag für Sie aus?
Arbeitsbeginn war um 8 Uhr Morgens. Zweimal in der Woche war ich mindestens bis 18 Uhr – mit einer Stunde Mittagpause – mit Arbeit am Inventar beschäftigt. Oftmals wurde ich in den Lesesaal gerufen, um Lesern behilflich zu sein oder zu übersetzen, falls diese nicht Italienisch konnten. Dazu kamen noch die Beantwortung von Leseranfragen, die Beaufsichtigung des Handschriftenlesesaals an einem Nachmittag sowie Briefe und Übersetzungen für den Präfekten und den Kardinalbibliothekar.

In Bezug auf die Schriften, mit denen Sie arbeiteten: Welche Sicherheitsvorkehrungen galt es für Sie zu erfüllen? 
Die Angestellten der Handschriftenabteilung haben Zugang zu allen Manuskripten im Speicher. Nur für die besonders wertvollen Bücher musste um eine Sondererlaubnis angesucht werden.

Wie alt sind die Schriften mit denen Sie arbeiteten?
Die Schriften sind vom 3. Jahrhundert nach Christus bis ins 19. Jahrhundert datiert. Der Schwerpunkt dieser lag auf dem Spätmittelalter und der Frühneuzeit, also der Gründung der Vatikanischen Bibliothek anno 1450.

Pflegen Sie auch heute noch Kontakt zu Ihren ehemaligen Arbeitskollegen im Vatikan?
Zu einigen schon, ja. So zum Beispiel zum ehemaligen Kollegen in der Restaurierwerkstatt. Ich bin selbst noch drei bis vier Mal jährlich in Rom.

Haben Sie Freundschaften im Vatikan geschlossen?
Ja, vor allem mit Lesern aus der ganzen Welt. Mit Italienern ist es aber etwas schwierig.

Wie gestalten Sie heute Ihren Alltag?
Ich halte dieses Sommersemester ein Seminar in Augsburg zum Thema Benediktiner im Mittelalter in Österreich. Zudem habe ich Besuche in Lambach, Kremsmünster, Sankt Peter, Admont und Sankt Florian vorbereitet – dazu beginnt am 16. September eine Exkursion. Zusätzlich erstelle ich wissenschaftliche Beiträge und Buchbesprechungen. Ansonsten genieße ich die schöne Umgebung von Gmunden.

Während des diesjährigen Sommerfestes des Landes Oberösterreich überreichte Ihnen Landeshauptmann Thomas Stelzer eine Ehrenurkunde und bedankte sich bei Ihnen, „dass Sie die Türen des Vatikans oftmals für Oberösterreich geöffnet“ hätten. Was genau meinte er mit dieser Aussage?
Ich führte immer wieder oberösterreichische Abordnungen, darunter die Bischöfe (Maximilian) Aichern und (Alois) Schwarz sowie die beiden Landeshauptleute (Josef) Pühringer und (Thomas) Stelzer, durch das Vatikanische Archiv und die Bibliothek. Ich zeigte ihnen auch besondere Dokumente und Handschriften.

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