Liachtbratlmontag in Bad Ischl - Beobachtungen und Gedanken einer Gratulantin

Das Kongress- und Theaterhaus, 2018 | Foto: (c) Edith Mair
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BAD ISCHL. Für mich beginnt der Liachtbratlmontag damit, dass ich schon Monate vor dem großen Ereignis einen Urlaubstag reserviere. Längst muss ich meinem Vorgesetzten nicht mehr erklären, dass dieser Tag zum immateriellen UNESCO-Weltkulturerbe zählt! Längst weiß meine Kollegenschaft, dass an diesem Tag, dem ersten Montag nach Michaeli, das ist der 29. September, dass an diesem Tag die Handwerksbetriebe zum ersten Mal nach dem Sommer das Licht bei der Arbeit wieder angezündet haben! In meiner Abteilung ist längst bekannt, dass zur Feier dieses Tages der Meister seinen Arbeitern ein Bratl, einen Festbraten spendiert hat. (Die geneigte Leserschaft wird sich denken, dass ich nicht in Bad Ischl arbeite, denn hier kennt jedes Kind unseren uralten Brauch). Und alle meine Kolleginnen und Kollegen verstehen, dass ich an diesem Tag frei brauche. Ich will doch den Altersjubilarinnen und Altersjubilaren Blumen oder Päckchen mit Naschereien reichen, wenn sie in Erinnerung an das damalige Ereignis rund ums „Marktl“, um den Bad Ischler Stadtkern, defilieren!

Wenige Tage vor dem Liachtbratlmontag studiere ich die Wettervorhersage. Wird die Sonne scheinen? Wird es regnen? Am Samstag werden Mozartkugeln und andere Süßigkeiten gekauft und in Päckchen aus Zellophan mit langen Schnüren verpackt, um sie den Jubilaren um den Hals zu hängen. Dieses Jahr will das Wetter nicht recht mitspielen, was der Stimmung keinen Abbruch tut. Nein, wie jedes Jahr schwebt auch heuer eine große Glücksglocke über Bad Ischl, die Freude steht allen ins Gesicht geschrieben, ich sehe strahlende Augen, und Jubilarinnen und Jubilare wie auch Gratulantinnen und Gratulanten sind bester Laune!

An diesem Tag heißt es für mich immer früh aufstehen! Die Tasche mit den Süßigkeiten steht schon bereit, ich nehme sie, und los geht es in die Stadt! Zunächst werden Blumen gekauft, besser ein paar Stück zu viel! Ich habe mir vom letzten Mal, sprich, vor zehn Jahren, notiert, wer dieses Jahr seinen runden Geburtstag feiert, aber immer wieder entdecke ich ein neues Gesicht! Der nächste Weg führt mich in den Kurpark, ah, die Fotos auf der Kurhausstiege sind gemacht, gleich beginnt der Umzug! Nein, unser prachtvolles Gebäude heißt schon lange nicht mehr „Kurhaus“, sondern „Kongress- und Theaterhaus“, aber daran werde ich mich vermutlich nie gewöhnen!

Die Blasmusik marschiert los und spielt einen zackigen Marsch, gefolgt von den „Fünfzigern“, ein Bub mit einer verzierten Tafel geht voraus. Und damit beginnt, worauf ich mich jedes Jahr aufs Neue am meisten freue: das Beschenken! Ich gehe auf eine Jubilarin, einen Jubilar zu, überreiche mein Präsent, wünsche alles Gute und einen schönen Tag - und dann geht im Gesicht meines Gegenübers die Sonne auf, und die Augen beginnen zu leuchten! Mir wird warm ums Herz!

Es folgen die weiteren Jahrgänge. Viele sind mit Likörfläschchen und Lebkuchenherzen behängt, und wie fast jedes Jahr sehe ich einen Kranz Knackwurst, diesmal trägt ihn ein älterer Herr stolz um den Hals. Oh, eine Hundertjährige feiert mit! Ich kenne sie nicht, aber natürlich reiche ich ihr eine Rose in die Kutsche. Auch die Neunzigjährigen gehen nicht zu Fuß, bis auf einen rüstigen Bartträger. Der Umzug wandert durch die Pfarrgasse und an der Trinkhalle sowie unserem prächtigen Postgebäude vorbei.

Jedes Jahr amüsiere ich mich aufs Neue über die Gespräche und Rufe des Publikums! Ich habe in meinem biografischen Roman „Die Lana Frieda“ vom Liachtbratlmontag erzählt und folgende Dialoge können Sie dort nachlesen:
„Wås denn, de Anna is a scho’ fuchz’g? Die schaut åber guat aus!“
„Geh Ferdl“, ruft einer, „du sollst do’ net bei de Sechz’ger mitgeh’, du g’hörst doch zu de Siebz’ger“, und erntet großes Gelächter.
Der Ferdl lacht mit.
„So alt, wie du ausschaust, möcht’ i nia werd’n!“, gibt er schlagfertig zurück, zum Gaudium des Publikums.
„Jå schau, wia si’ de Mitzi wieder aussaputzt håt“, flüstert eine mollige Frau laut hörbar. „De glaubt a, dass sie damit jünger ausschaut.“
„Schau, då geht da Werner“, wendet sich eine ältere Dame an ihre Nachbarin, „huhu Werner, all’s Guate! A fescher Kerl is’ er immer no’.“
Einer der „Neunziger“ geht neben der Kutsche her, hält sich an ihr fest und stützt sich zusätzlich noch auf seinen Stock.
„Franz, warum sitzt denn net in da Kutsch’n, des is’ do’ vü’ bequemer für di’!“
„Mi’ bringst in koa’ Kutsch’n, wann i net mehr z’ Fuaß geh’n kann, dann lass i ’s ganz bleib’n!“
Ich will darauf hinweisen, dass all diese Gespräche aus meinem Buch nicht völlig erfunden sind, an jedem Liachtbratlmontag höre ich sie so oder ähnlich wieder! Ja, sogar der Neunzigjährige aus meinem Buch, der nicht in der Kutsche sitzen will, war heuer dabei, was für ein Zufall!

Vor der Kirche versammeln sich die Jahrgänge, und traditionell halten die „Fünfziger“ die Festrede. Diesmal ist es ein fröhliches Gedicht, das mich öfter zum Schmunzeln bringt. Allerdings - die Rede meines eigenen Jahrgangs, damals geschrieben und launig vorgetragen von Malermeister Martin Neureiter, gefällt mir immer noch am besten! Man darf annehmen, dass ich nicht ganz objektiv bin. Nach dem ökumenischen Gottesdienst geht es wie immer in umgekehrter Reihenfolge weiter, zuerst die hundertjährige Dame in der Kutsche, dann die Neunzigjährigen, die Achtziger und so weiter. Vor ein paar Jahren war Stucka, unser umtriebiger Künstler, unter den Fünfzigern und ging nach der Kirche als letzter Jubilar.
„Gebt’s ois, wås nu håbts, mir, nåch mia kummt koana mehr!“, hat er dem Publikum zugerufen, was ihm neben Gelächter auch Geschenke eingebracht hat.

Der Umzug zieht zum Kreuzplatz, auf dem sich traditionell Volksschülerinnen und Volksschüler einstellen, um Fähnchen schwingend zu gratulieren. Letzte Gelegenheit, Blumen oder Süßigkeiten zu verschenken! Dann geht es in die Wirerstraße und zurück in den Kurpark. Damit wird die Runde ums Bad Ischler „Marktl“ abgeschlossen.
Im Park wird vorm Kurhaus gemeinsam das „Hoamatland“, unsere Landeshymne, gesungen. Nun ja, gemeinsam, das ist so eine Sache! Als ich selbst Jubilarin war, hat die Menge bereits gesungen, während die letzten Jubilarinnen und Jubilare erst am Wirer-Denkmal vorbeigingen!

Am Nachmittag unternehmen die Jahrgänge einen Ausflug in die nähere Umgebung, wobei sich Schifffahrten auf unseren einzigartigen Salzkammergutseen großer Beliebtheit erfreuen. Abends gibt es ein gemütliches Beisammensein, bei dem auch das Tanzbein geschwungen werden darf. Und nach ein paar Tagen kann jeder Fotos des Umzugs beim „Foto Hofer“ kaufen. Aus Gründen des Rechts am eigenen Bild habe ich hier keine Fotos von Personen veröffentlicht.

Wäre keine Pandemie, würde ich nach dem Umzug mit einer Freundin auf ein Tratscherl ins Kaffeehaus gehen, so aber gehe ich nach Hause, koche mein Mittagessen und freue mich auf den nächsten Liachtbratlmontag! Sehen wir uns dann?

Eine schöne Zeit in und um Bad Ischl wünscht
Edith Mair

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