Überstundenklau im Bezirk Gmunden
Arbeiterkammer Gmunden zeigt auf: Endabrechnungen und Entgeltzahlungen oft nicht korrekt.
BEZIRK. Dass etwas bei der Endabrechnung nicht stimmt oder im laufenden Arbeitsverhältnis Entgelt nicht korrekt ausbezahlt wird, ist nach wie vor keine Seltenheit – das zeigen die aktuellsten Zahlen aus der AK-Beratung: Seit Beginn des Jahres 2018 wandten sich 4524 Arbeitnehmer/-innen aus dem Bezirk Gmunden an die Rechtsexperten/-innen der Arbeiterkammer. 1491 davon wurden persönlich beraten. Durch außergerichtliche Interventionen und auf dem Gerichtsweg hat die AK Gmunden in den ersten sechs Monaten des Jahres 3,744.767 Euro erkämpft, davon 252.992 in Arbeitsrechtsverfahren. In vielen Fällen ging es um unbezahlte Mehrarbeits- und Überstunden.
Dauerbrenner Überstunden
Überstundenarbeit liegt vor, wenn die gesetzlich zulässige wöchentliche Normalarbeitszeit von 40 Stunden oder die tägliche Normalarbeitszeit von acht Stunden überschritten wird.
Nicht als Überstunden gelten:
Gleitzeitguthaben, die übertragen werden können
Zeitguthaben, die in die nächste Durchrechnungsperiode übertragen werden können
Mehrarbeit von Teilzeitbeschäftigten (d.h. Überstunden liegen hier erst vor, wenn die wöchentliche oder tägliche Normalarbeitszeit überschritten wird)
Derzeit sind bis zu zehn Überstunden pro Woche zulässig. Die Tagesarbeitszeit darf dabei grundsätzlich zehn Stunden nicht überschreiten. Durch Gesetz, Kollektivvertrag oder Betriebsvereinbarung kann die tägliche oder wöchentliche Normalarbeitszeit aber schon jetzt ausnahmsweise verlängert werden.
Bezahlung von Überstunden
Bei Überstunden muss die geleistete Arbeitszeit inklusive Überstundenzuschlag abgegolten werden. Das kann durch Geld oder Zeitausgleich erfolgen.
Grundsätzlich beträgt der Zuschlag 50 Prozent. In vielen Kollektivverträgen ist aber für Nacht-, Feiertags- und Sonntagsarbeit ein 100-Prozent-Zuschlag vorgesehen.
Betriebliche oder vertragliche Vereinbarungen, dass Überstunden im Verhältnis 1:1 abgegolten werden, sind nicht zulässig. Wenn Zuschläge über derartige Konstruktionen vorenthalten werden, können sie mit Hilfe der Arbeiterkammer nachgefordert werden. Dafür sind genaue Arbeitszeitaufzeichnungen erforderlich, auf denen Datum und Uhrzeit von Arbeitsbeginn und -ende klar ersichtlich sind.
Überstundenpauschale
Eine Überstundenpauschale deckt die durchschnittlich anfallenden Überstunden ab. Werden im Durchschnitt eines längeren Zeitraumes (etwa innerhalb eines Jahres) mehr Überstunden geleistet als durch die Pauschale abgedeckt werden, so sind diese zusätzlich zu bezahlen.
Rund ein Fünftel der Überstunden unbezahlt
Im vergangenen Jahr leisteten die österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer rund 250 Millionen Über- und Mehrarbeitsstunden – verteilt auf 663.100 Beschäftigte, die regelmäßig und im Durchschnitt 7,2 Überstunden bzw. Mehrarbeitsstunden leisten mussten. Für diese Über- bzw. Mehrarbeitsstunden gebührten den Arbeitnehmern/-innen geschätzt rund zwei Milliarden Euro an Zuschlägen.
Von diesen Überstunden wurde fast ein Fünftel gar nicht bezahlt, weder in Zeitausgleich noch in Geld. Damit wurde den Arbeitnehmern/-innen innerhalb eines Jahres rund eine Milliarde Euro vorenthalten. Den oberösterreichischen Arbeitnehmern/-innen entgingen durch Mehrarbeits- und Überstundenraub rund 150 Millionen Euro – pro Betroffener/-em sind das durchschnittlich rund 9800 Euro.
So erfolgt der Überstundenklau
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bleiben aus verschiedenen Gründen auf ihren Überstunden sitzen, weil viele Arbeitgeber sehr „kreativ“ dabei sind, ihnen die entsprechende Bezahlung vorzuenthalten.
Arbeitnehmer/-innen werden bei der Bezahlung von Überstunden und Mehrarbeitsstunden so lange vertröstet, bis die Ansprüche verfallen sind. Diese Verfallsfristen können, je nach Kollektivvertrag, sehr kurz sein.
Viele Arbeitnehmer/-innen wagen es aus Angst um den Arbeitsplatz nicht, im aufrechten Arbeitsverhältnis nichtbezahlte Überstunden einzufordern, was häufig zu deren Verfall führt.
Gewisse Arbeitszeiten (z. B. Vorbereitungs- oder Abschlussarbeiten nach Geschäftsschluss) werden von den Arbeitgebern gar nicht als Arbeitszeiten anerkannt.
Manche Unternehmen fälschen systematisch Arbeitszeitaufzeichnungen von Mitarbeitern/-innen zu ihren Gunsten. Andere wiederum verhindern die Aufzeichnung unzulässiger Überstunden. Und besonders findige Unternehmen verwenden sogar manipulierte Arbeitszeitaufzeichnungssoftware, die z. B. ungesetzliche Arbeitszeiten automatisch falsch erfasst.
Um sich Mehrarbeitszuschläge zu ersparen, ändern manche Unternehmer für Teilzeitkräfte wöchentlich das Ausmaß der Arbeitszeit.
Zwei Fälle aus der Praxis
Bezahlung von Überstunden „vergessen“
Eine Arbeitnehmerin aus dem Bezirk Gmunden war zwei Monate lang als Raumpflegerin vollzeitbeschäftigt. Als sie auf dem Weg zur Arbeit einen Arbeitsunfall
erlitt und in der Folge in den Krankenstand gehen musste, wurde sie vom Arbeitgeber einfach abgemeldet. Das, obwohl die Frau zu keinem Zeitpunkt eine Auflösungserklärung abgegeben hatte.
Die Frau wandte sich an die AK Gmunden um Hilfe. Diese stellte fest, dass es sich um eine fristwidrige Kündigung gehandelt hatte und der Arbeitnehmerin auch die
Bezahlung für zahlreiche Überstunden vorenthalten worden war. Nach mehrmaligen Interventionen durch die Arbeiterkammer wandelte der Arbeitgeber die rechtswidrige Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine einvernehmliche Auflösung um und zahlte der Frau 1690 Euro brutto für die offenen Überstunden nach.
Keine Zuschläge für Nacht- und Sonntagsarbeit
Ein weiterer Fall, den die Arbeiterkammer Gmunden zu einem erfolgreichen Abschluss für die Arbeitnehmerin bringen konnte, betraf eine Konditorin, die drei Jahre lang in einem Betrieb im Bezirk Gmunden beschäftigt gewesen war. Vereinbart waren eine Teilzeitbeschäftigung von 20 Stunden sowie die Arbeitstage Samstag, Sonntag und Montag mit Arbeitsbeginn jeweils 5 Uhr. Das Arbeitsverhältnis endete durch eine einvernehmliche Auflösung. Die Endabrechnung ließ die Frau von der AK Gmunden kontrollieren. Völlig zurecht, wie sich dabei herausstellte. Denn die Rechtsexperten der AK entdeckten sofort, dass die Frau entgegen den Bestimmungen des Kollektivvertrages für Konditoren/-innen in Oberösterreich keine Zuschläge für die geleistete Nacht- und Sonntagsarbeiterhalten hatte. Erst nach Intervention der AK bei ihrem ehemaligen Arbeitgeber erhielt sie fast 6500 Euro brutto nachgezahlt.
Zum Glück hatte die Frau die Endabrechnung gleich nach dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses kontrollieren lassen. Denn nach dem geltenden Kollektivvertrag hatte sie nur drei Monate Zeit, ihre Ansprüche geltend zu machen. Wäre sie später gekommen, wären die ihr die 6500 Euro trotz der dafür bereits geleisteten Arbeit verloren gegangen. Deshalb fordert die Arbeiterkammer Oberösterreich die Abschaffung solcher Verfallsfristen.
Wunsch nach Reduktion der Arbeitszeit
Aus all den genannten Gründen wollen drei Viertel der Beschäftigten, die mehr als 40 Stunden pro Woche arbeiten, die Arbeitszeit reduzieren. Das zeigt der Österreichische Arbeitsklima Index der AK Oberösterreich. Am häufigsten formulieren diesen Wunsch Beschäftigte im Gesundheits- und Sozialbereich, gefolgt von jenen, die im Bereich der unternehmensnahen Dienstleistungen tätig sind und Arbeitnehmern/-innen in Industrie und Gewerbe sowie in der Verwaltung.
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