Buchtenwandern in der Morgenstunde

- Strobl: "Das Wort vom 'Seele baumeln lassen' passt gut hierher"
- hochgeladen von Michael Thun
Mit Gottlieb Strobl das Südufer des Millstätter Sees erkunden
MILLSTATT. Wenn sich die letzten Dunstnebel über dem Millstätter See verziehen und die ersten Urlauber in den angrenzenden Hotels ihren Cappuccino trinken, lädt Gottlieb Strobl zu einer "beschaulichen Ruderpartie" ein. Seit 14 Jahren bietet der gelernte Bootsbauer und Tischler im Namen der Millstätter See Tourismus Gesellschaft von Anfang Mai bis Ende September jeden Dienstag und Donnerstag Buchtenwanderungen zum Südufer an - garniert mit allerlei Wissenswertem. Treffpunkt ist um 8 Uhr im Schillerpark.
Morgenstunde ist wichtig
"Die Morgenstunde ist wichtig", kann sich Strobl, Jahrgang 1944, noch immer begeistern, "denn unsere Bootswanderung lebt vor allem von der Stimmung". Jetzt, wo der tiefste Kärntner See noch bar jeden Boots- und Schiffsverkehrs spiegelblank im Morgenlicht glitzert, sticht die heute achtköpfige Schar in See, nachdem der gebürtige Millstätter noch die am Ufer liegenden, stehend geruderten Plätten sowie die übrigen, jetzt von Plastikbooten verdrängten Holzboote erklärt hatte, die mittels Moos zwischen den Planken wasserdicht gemacht wurden.
Schnell wird noch ein Loblied aufs Rudern ausgebracht, das nichts mit Arbeit zu tun habe, sondern ein reines Vergnügen bedeute - vorausgesetzt, man gehe es beschaulich an. Auch dürfe das Ruder nicht so fest angepackt werden, dass eine Reibung entsteht, weil sich sonst an den Händen Blasen bildeten.
Seele baumeln lassen
Wie gemächlich der Ausflug mit "Anna", "Gretl", "Spatz" und "Hansi", die alle schon 50 Jahre und mehr auf dem Buckel haben, verläuft, ist daran abzulesen, dass wir - einschließlich der theoretischen Einweisung - nach einer halben Stunde erst die Mitte des 1.000 Meter breiten Sees erreicht haben. Strobl hält inne, holt tief Luft: "Das Wort von der 'Seele baumeln lassen' passt jetzt gut hierher." Hinter uns sind die um die Wende zum 20. Jahrhundert erbauten Villen zu erkennen, vor uns weitere, von Prominenten wie Werner Schneider, Angelica Ladurner oder Hans Peter Haselsteiner bewohnte Anwesen, bevor wir - endlich - der Zivilisations den Rücken gekehrt haben, in die weitgehend unberührte Welt des Südufers eintauchen.
Unzählige Schleie tummeln sich im kristallklaren Nass, das Trinkwasserqualität hat, Libellen umkreisen die Wasserwanderer, die einem abgestorbenem Baum, dessen Wipfel im Wasser verschwindet, umrunden. "Der Baum hat nicht aufgehört zu Leben", weiß Strobl. "Algen und kleine Muscheln umgarnen ihn, Nahrung für die Fische." Es sind vorwiegend Erlen, Eschen und Fichten, die am schattigen Südufer wachsen. Plötzlich: Weiß gefärbte Bäume. "Das stammt vom kalkintensiven Kot der Kormorane, die hier ihre Nester gebaut hatten", berichtet der fachkundige Wanderführer weiter. Die 20, 30 Exemplare des am Millstätter See geschützten Phalacrocorax carbo seien von sich aus weitergezogen.
Geschmiert wird mit Wasser
Während der Rückkehr der überschaubaren Armada, die Strobl in der Saison auf maximal 18 Personen beschränkt, philosophiert der 73-Jährige: "Ich mag das Quitschen der Riemen. So weiß ich, wo meine Boote sind." Um aber wieder die morgendliche Stille total genießen zu können, der Tipp: "Einmal das Ruder unter Wasser tauchen und schon läuft es wie geschmiert, ohne einen Ölfilm zu hinterlassen."
Nach zwei Stunden ist die Wasserwanderung vorbei, die Weiße Flotte der Schiffahrt, Segler und Surfer bevölkern peu à peu den aufgewachten Millstätter See.
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