Seelische Gesundheit
"Jugendliche brauchen Vorbilder, keine Besserwisser"

Das Team der Phönix Jugendberatung: Rene Ramschak, Ines Anette Steinthaler, Anya Bestebner und Manuela Brandstätter | Foto: KK
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  • Das Team der Phönix Jugendberatung: Rene Ramschak, Ines Anette Steinthaler, Anya Bestebner und Manuela Brandstätter
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SPITTAL (ven). René Ramschak weiß um die Sorgen von Kindern und Jugendlichen. Er ist mit drei weiteren Psychologen in der Phönix Jugendbetreuung tätig.

WOCHE: Wie sieht das Klientel der Jugendberatung aus?
RAMSCHAK: Wir betreuen derzeit kärntenweit mit 15 Mitarbeitern rund 100 Familien. Unser Klientel ist in der Regel zwischen sechs und 16 Jahre alt.

Mit welchen Problemen der Kids habt ihr am meisten zu tun?
Das lässt sich nicht so pauschal beantworten, da meistens eine multidimensionale Problematik vorliegt. Um es an einem Beispiel zu verdeutlichen: Wenn sich Kindeseltern voneinander trennen, kann es bei Kindern und Jugendlichen zu Anpassungsstörungen, bzw. zu depressiven Symptomatiken kommen, welche ihrerseits wiederum die Entwicklung von Suchtdynamiken begünstigen. Es ist also immer wichtig, die Probleme/Sorgen/Ängste von Kindern und Jugendlichen systemisch zu betrachten und im therapeutischen Kontext auch das Familiensystem mit einzubeziehen. Wichtig ist auch zu erwähnen, dass Kinder und Jugendliche oft nur Symptomträger der Konflikte ihrer Eltern sind, womit sich Belastungen der Kinder oft nur über Elternberatung entscheidend verbessern lassen.

Sind Jugendliche heutzutage sensibler als früher?
Sensibilität ist uns ja grundsätzlich immanent. Sie kann allerdings gefördert oder unterdrückt werden. In der modernen Erziehung findet glücklicherweise das berühmte "Ein Indianer kennt keinen Schmerz" zunehmend weniger Platz, weshalb es den Kindern immer früher erlaubt wird, Gefühle zuzulassen und diese auch zu zeigen. Dem entgegen wirkt jedoch die Nutzung sozialer Medien. Gespräche werden oft nur mehr schriftlich über das Handy geführt, was zu mangelnder Sicherheit im sozialen Umgang führt. Ein Gespräch besteht nicht nur aus dem gesprochenen Wort, sondern aus einer Vielzahl an Übertragungsmechanismen, welche die korrekte Deutung von Mimik, Gestik, Tonlage, etc. erfordern. Ichs sehe also unsere Jugend im Hinblick auf die Fragestellung als sensibler, aber weniger fähig zur Empathie an.

Nimmt die Zahl von Jugendlichen als Klienten zu?
Grundsätzlich ja. Allerdings hat dies aus meiner Sicht nichts mit gesteigertem Problempotential zu tun. Vielmehr baut sich endlich das Stigma des Jugendamtes und der Psychologen/Psychotherapeuten insgesamt ab, was dazu führt, dass sich immer mehr Menschen frühzeitig Hilfe suchen und Beratungen in Anspruch nehmen. Und nur so kann ein Hilfs-Netzwerk effektiv arbeiten.

Was muss man bei der Arbeit mit Kindern/Jugendlichen beachten?
Meiner Erfahrung nach ist es notwendig, sich ein Stück weit von seinen eigenen Ansichten, Weltbildern und Werten zu distanzieren und zu versuchen, die Welt durch die Augen der Kinder und Jugendlichen zu sehen. Vor allem Jugendliche brauchen keine Besserwisser. Sie brauchen Vorbilder, die sie idealisieren können. Sie dürfen und sollen auch Fehler machen um aus diesen zu lernen. Ich vergleiche gute Erziehung immer gerne mit einem Bild. Es braucht einen starken Rahmen. Der Jugendliche soll aber motiviert sein, die leere Leinwand nach seinen Wünschen zu gestalten.

Wie läuft es derzeit mit der Gratis-Psychotherapie für Jugendliche im Bezirk?
Kostenlose Psychotherapieangebote gibt es ja schon länger. Es freut mich allerdings, dass diese immer stärker in Anspruch genommen werden. Dem entgegen steht allerdings, dass es aufgrund der Nachfrage zu teils langen Wartezeiten kommt, was vor allem in akuten Krisensituationen ein großes Problem ist. Hier würde ich mir im Sinne unseres Gesundheitssystemes noch mehr Mittel wünschen, um eine flächendeckende Versorgung ohne lange Wartezeiten garantieren zu können.

Gerade unter Jugendlichen gibt es öfter Selbstmordfälle. Kann man hier als Psychologe überhaupt helfen?
Suizid ist ja meist das tragische Ende langfristiger depressiver Symptomatik, gepaart mit einem Gefühl der Ausweglosigkeit der Situation. Wenn Leitsymptome wie Antriebslosigkeit, Interessensverlust, sozialer Rückzug, Schlafstörungen, etc. vom Umfeld früh genug erkannt werden und sich um entsprechende fachliche Hilfe bemüht wird, kann die Situation meist durch entsprechende Interventionen gut stabilisiert werden. In jedem Fall ist bei potentieller Suizidalität aber auch immer ein Facharzt mit einzubeziehen, da es oft kurzzeitig auch medikamentöser Unterstützung bedarf.

Was raten Sie Eltern, die bemerken, dass ihre Kinder Hilfe brauchen?
Ich kann nur an alle Eltern appellieren, sich in diesem Falle vertrauensvoll an das zuständige Jugendamt zu wenden. Viele haben leider noch immer die Vorstellung, dass das Jugendamt nur für Kindesabnahmen zuständig ist. Dem ist natürlich nicht so. Der Hauptaufgabenbereich des Jugendamtes liegt in präventiven Maßnahmen. Es gibt eine Vielzahl von verschiedenen Unterstützungsmöglichkeiten durch das Jugendamt, welche in unverbindlichen Beratungsgesprächen situationsspezifisch besprochen werden können. Meist erfolgt eine Weitervermittlung an Psychologen, Neurologen, Hilfsorganisationen, bzw. werden in dringenden Fällen auch direkte Unterstützungen im Sinne von Betreuungen installiert.

Was sind Alarmzeichen?
Grundsätzlich sind alle Formen der kurzzeitigen Verhaltensveränderungen zu beachten. Am Beispiel: Wenn ein sehr extrovertierter Mensch plötzlich nicht mehr – oder nur mehr wenig – am gesellschaftlichen Leben teilnimmt, offensichtlich antriebslos und motivationslos wird, lohnt es sich die Situation genauer zu beobachten. Sollte diese Phase länger als zwei Wochen andauern, würde ich bereits fachlichen Rat in Erwägung ziehen. Wir alle sollten beginnen, unsere psychische Gesundheit in gleichem Maße wie unsere körperliche Gesundheit zu pflegen. Belastungen, Probleme und Stressreaktionen sind keine Schande und werden erst unbehandelt irgendwann zu essentiellen Problemen.

Zur Sache:

Phönix Jugendbetreuung ist eine vom Land Kärnten akkreditierte Trägereinrichtung der Freien bzw. Privaten Kinder- und Jugendhilfe.
Sie fördert und begleitet die gesamte Familie durch Beratung bei Erziehungsschwierigkeiten, Problemen in Schule, Kindergarten und bei Entwicklungsrückständen, Gewalt und Missbrauch, Paarkonflikten und Konflikten in der Familie.

Sie unterstützt darüber hinaus bei der Arbeitssuche, in der Haushaltsorganisation und Freizeitgestaltung und bei psychischer Überlastung durch Tod, Trennung, Scheidung.

Ein oder zwei Mitarbeiter/innen kommen zur Beratung ins familiäre Umfeld. Die elterliche Erziehungskompetenz wird gestärkt um die Kinder wieder dem Kindeswohl gemäß zu fördern und zu erziehen.

Mehr zum Thema:
www.meinbezirk.at/rundumgesund

Das Team der Phönix Jugendberatung: Rene Ramschak, Ines Anette Steinthaler, Anya Bestebner und Manuela Brandstätter | Foto: KK
René Ramschak kümmert sich um Kinder und Jugendliche | Foto: Ramschak
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