"Das Leben spielt sich unter Sehenden ab"
Die Mölltalerin Marie-Theres Fürstauer meistert ihr Leben als Blinde und studiert in Graz Inklusionspädagogik. Facebook und Co. sind auch für sie kein Problem.
WINKLERN, GRAZ (ven). Wenn man ihre Hobbys und ihren Lebenslauf so verfolgt, glaubt man, eine ganz normale junge Frau vor sich zu haben. Das ist sie auch, allerdings mit einem kleinen Detail: Marie-Theres Fürstauer ist seit ihrer Geburt blind. Die WOCHE sprach anlässlich des Welttages des Sehens am 12. Oktober mit der Mölltalerin.
Matura 2011
Im Kindergarten in Winklern wurde sie integrativ betreut, in der Volks- und Hauptschule unterstützte sie eine zweite Lehrkraft im Unterricht. "In der Oberstufe im Borg Lienz gab es das auch noch zwei Jahre lang für mich, dann aber ist die Stützlehrkraft weggefallen", so die heute 25-Jährige. "Aber es war kein Problem, die Lehrer haben sich sehr bemüht, auf mich einzugehen. So konnte ich 2011 die Matura machen."
"Draußen" ist es was anderes
Auf die Frage, warum sie keine Blindenschule besuchte, sagt sie: "Das wollte ich nie. Das Leben als Blinde spielt sich unter den Sehenden ab. Wenn man nur unter Gleichgesinnten ist, hat man keine Vorstellung davon, wie es 'draußen' abläuft. Das ist ganz was anderes." So wurde sie lieber integrativ unterrichtet.
Blindenfreundliche Universität
Der nächste Weg führte sie nach Graz zum Studieren. "Hier ist alles viel blindenfreundlicher als in Kärnten. Das fängt im Straßenverkehr an. Es gibt akustische Ampeln, Ansagen in öffentlichen Verkehrsmitteln und Haltefelder bei Haltestellen, der Busfahrer bleibt dann genau dort stehen, damit ich einsteigen kann. Das funktioniert super", erklärt sie. Nach dem Bachelor-Studium der Pädagogik hängte sie den Master in Sozialpädagogik ran, seit Oktober zusätzlich auch noch das Masterstudium der Inklusionspädagogik. Auf der Universität gibt es das "Zentrum Integriert Studieren", so sie Unterlagen, Skripten und Bücher in Braille-Schrift aufbereitet erhält. Für Prüfungen hat sie ein bisschen länger Zeit als ihre Kommilitonen. "Ich kann ja nicht so schnell lesen wie ein Sehender", erklärt sie.
Sportlich unterwegs
Wenn sie nicht im Studium vertieft ist, ist sie sehr sportlich unterwegs. "Freunde treffen, Kino, schwimmen, aber auch skifahren und radfahren", so die Studentin. Beim Skifahren fährt ihr jemand verkehrt herum voraus und gibt Kommandos, wenn sie eine Kurve fahren soll. Radfahren macht ihr mit dem Tandem mit ihrem Vater besonders großen Spaß. "Ich fahre auch gerne mit dem Scooter", schmunzelt sie. "Eigentlich habe ich keinen guten Gleichgewichtssinn, aber mit dem Scooter klappt das ganz gut. Bei Schlechtwetter tobe ich mich mit Computerspielen aus."
Facebook und Co.
Aber auch auf Facebook ist die junge Mölltalerin vertreten - wie jeder andere auch. Wie das funktioniert? "Ich habe am Computer eine blindenspezifische Software mit Sprachausgabe und auch eine Braille-Zeile, mit der ich lesen kann." Die Interview-Anfrage der WOCHE erreichte sie per Facebook, "da habe ich mit dem Handy geantwortet. Jedes Iphone hat eine Voice-Over-Funktion, die man nur aktivieren müsse." Und wenn ihre Freunde ihr im Dialekt schreiben? "Daran habe ich mich schon gewöhnt, das klappt auch", lacht sie.
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