Museum sucht Schätze aus den St. Pöltner Kellern
Das Haus der Geschichte braucht Hilfe und sucht Ausstellungsstücke aus dem Bezirk St. Pölten.
ST. PÖLTEN (jg). Während in Wien seit Jahrzehnten über den Bau eines Hauses der Geschichte gestritten wird, werden in Niederösterreich Nägel mit Köpfen gemacht. Im Sommer 2017 eröffnet das Haus der Geschichte im Landesmuseum. Für den Start werden noch Ausstellungsstücke aus dem Bezirk St. Pölten gesucht. Manch Foto, Dokument oder Alltagsgegenstand aus den Kellern oder Dachböden des Bezirkes könnte schon bald zum Star der Schau werden. Dass St. Pölten in dieser Epoche eine bewegte Zeit durchgemacht hat, haben die Bezirksblätter von Thomas Pulle erfahren.
Unter Pulle lud das Stadtmuseum vor drei Jahren zur Ausstellung "Eine Stadt in Bewegung. St. Pölten 1918-1938". Politisch und sozial sei damals viel in Bewegung gewesen, sagt Pulle. Man kann etwa auf den Bürgerkrieg im Februar 1934 hinweisen, bei dem St. Pölten mit Gefechten zwischen dem Schutzbund und den Heimwehren einer der Brennpunkte war.
Eingemeindung und Bussystem
Schon in den Jahren zuvor machte sich diese politische Rivalität vor allem im Umland bemerkbar, wo kleine Fabriken mit sozialdemokratischen oder gar kommunistischen Arbeitern von bäuerlicher, meist christlich geprägter Bevölkerung umgeben waren. "Das war sicher ein Problem in Gemeinden im Pielachtal, im Raum Herzogenburg, Wilhelmsburg und Neulengbach", so Pulle.
In St. Pölten selbst seien diese Reibereien in den 1920ern weniger stark zu spüren gewesen. Die Stadt war stark sozialdemokratisch geprägt, orientierte sich an dem roten Wien und setzte damit Errungenschaften um, von denen noch heute profitiert wird. Ein Beispiel dafür ist die St. Pöltner Wasserleitung. Oder die Gründung der St. Pöltner Wohnungsgenossenschaft. Mit der Eingemeindung von Viehofen, Wagram und Spratzern hatte die Stadt auch räumlich Entwicklungspotenzial und setzte mit Rudolf Wondracek auf einen Architekten, der soziale Ansätze verfolgte. So wurden Randsiedlungen geplant, wo sich Arbeitslose, die u. a. aus Gmünd nach St. Pölten zogen, selbst mit Gemüse versorgen konnten.
Nach dem 1. Weltkrieg herrschte freilich große Not. Trotzdem gelang es etwa mit früh mitgedachter Mütterfürsorge, die Säuglingssterblichkeit zu verringern und mit einem Bussystem nach Herzogenburg, ins Pielachtal oder Neulengbach die Einrichtungen der Stadt auch den Menschen aus dem Umland zugänglich zu machen.
Adolf Hitler in den Stadtsälen
Schließlich trat auch die NSDAP im Raum St. Pölten immer mehr in Erscheinung. 1920 sprach Adolf Hitler in den St. Pöltner Stadtsälen. Hätte ihn die Vorsehung nicht nach Deutschland verschlagen, so wäre Hitler nach 1918 sicherlich der österreichischen Sozialdemokratie beigetreten, erinnerte sich Heinrich Schneidmadl später an den Auftritt, wie Thomas Karl in "Stadt im besten Alter – 850 Jahre Stadt St. Pölten" unter dem Zwischentitel "Wie Hitler beinahe Sozialdemokrat geworden wäre" berichtet.
"Ich hätte viele Dinge, die ich zu St. Pölten im Haus der Geschichte präsentieren könnte", sagt Pulle letztlich und fügt schmunzelnd hinzu: "Man könnte sogar eine ganze Ausstellung zu St. Pölten in den Jahren 1918 bis 1938 machen."
Museum sucht die Superstars im Keller
Bis 31. Mai gibt es im Landesmuseum Niederösterreich jeden Samstag eine besondere "Castingshow". Gesucht werden die "Superstars" fürs neue Haus der Geschichte. Landeschef Erwin Pröll stellte die Aktion vor: „Wir suchen Objekte aus der Zeit der Ersten Republik von 1918 bis 1938, die das Schicksal und die Geschichten einzelner Menschen erzählen.“ Wer also am Dachboden oder im Keller einen potenziellen Star für die Schau hat, kann sein Fundstück bis Ende Mai jeden Samstag von 10 bis 16 Uhr ins Landesmuseum bringen und von Experten begutachten lassen.
Literatur zum Thema:
• Eine Stadt in Bewegung. St. Pölten 1918-1938
• St. Pölten zwischen den Kriegen – Politik, Wirtschaft, Kultur 1918-1938
Beide Bücher sind im Stadtmuseum St. Pölten erhältlich.
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