Timo und die Wunderkerze
PALME. Kräutermärchen und Geschichten für Erwachsene, Kinder und Kind gebliebene - Teil 117

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Ich hab mir am Altjahrstag eine Wunderschöne Kerze in Regenbogenfarben gekauft. Auf ihr steht die Aufschrift: "Heilung - Raum für Wunder schaffen". "Schön!" dachte ich, und so passend für das neue Jahr. Ich nahm mir vor, sie am 1. Jänner anzuzünden und hab mich noch gefragt, woraus sie wohl hergestellt worden war. Da war plötzlich diese Geschichte mitten in meinem Kopf. Weder "Öko" noch "Bio" und auch nicht richtig, was die Gewinnung von Palmöl anbelangt - das wird nämlich aus dem Fruchtfleisch der Früchte gewonnen. Palmkernöl  aus den Kernen der Palmenfrüchte. Trotzdem finde ich sie einfach schön. Einen wunderschönen Neujahrsabend wünsche ich Euch!

Timo und die Wunderkerze

Timo war kalt. Er hatte kaum noch Gefühl in den  Fingerspitzen  und sein kleines Näschen war auch schon blau vom Frost. Verzweifelt versuchte der kleine Straßenjunge sich noch fester in die lückrige Decke zu hüllen, die er heimlich vom Heim mitgenommen hatte. Jemand hatte ihm einmal erzählt, sie hätte seiner Mutter gehört.

"Ist dir kalt, Kleiner? Du siehst ja erbärmlich aus!" Ein älterer Herr, der ihm eigentlich nur eine  2 Euro Münze in die Hand drücken wollte, änderte kurzentschlossen die Meinung und setzte sich zu Timo auf die kalten Steinstufen. Kurz kramte er in seinem Rucksack, und brachte dann eine Thermoskanne und ein Wurstbrot zum Vorschein, das in Alufolie gewickelt war. "Hier mein Kleiner, iss und trink, sonst erfrierst du uns noch!" Vorsichtig griff Timo nach der Tasse, spürt wie die Wärme langsam durch seine kribbelnden Handflächen strömte. "Was machst du hier auf der Straße, mein Junge?" wollte der Mann wissen und blickte ihn gütig an. "Hast du kein Zuhause?" Da erzählte ihm Timo vom Kinderheim, in dem er aufgewachsen war und wie schlimm es dort war. Von den Schlägen und der Hartherzigkeit der Menschen um ihn. "Sie haben mir erzählt ich sei der unerwünschte Balg einer jungen Sängerin gewesen.  Oft haben sie mir gesagt, ich wäre so missraten, dass mich nicht einmal meine eigene Mutter haben wollte!  Wissen sie  wie weh das tut? Immer und immer wieder, als kratze eine große schwarze Kralle ständig  in die selbe schmerzhafte Wunde. Zu Weihnachten konnte ich einfach nicht mehr und bin abgehauen. Aber auf der Straße zu leben ist schwieriger als man glaubt!" Der Mann packte die Teekanne wieder ein, die Timo bis auf den letzten Schluck geleert hatte und kramte noch etwas tiefer im Rucksack. Zum Vorschein kam diesmal eine einfache Kerze, die uralt aussah. "Weißt du was das ist?" fragte er den Jungen. Timo schüttelte verständnislos den Kopf. "Es ist eine Wunderkerze. Ich besitze sie schon seit ich so alt war wie du, habe aber nie gewagt, sie anzuzünden. Ich glaube ich weiß jetzt warum - denn du brauchst sie dringender als ich..." Damit legte er die Kerze in die magere Hand des jungen, der sie ganz vorsichtig hielt und zart über das vergilbte Wachs strich. "Man sagt, sie wäre aus Palmöl hergestellt worden. Aber nicht aus irgendeinem und schon gar nicht aus dem einer dieser schrecklichen Plantagen. Auf ihrem Weg nach Bethlehem - so geht die Sage - sollen Maria und Josef unter einer Palme Rast gemacht haben. Der alte Baum spürte, wer sich da in seinen Schutz begab, spendete dem Heiligen Paar Ruhe, Wärme und Geborgenheit, sodass es Kraft für das letzte Stückchen Weges sammeln konnte. Zum Dank wurde die Palme mit einer besonderen Gabe beschenkt. Kam ein auserwählter und bohrte ein Röhrchen in ihren Stamm, so beschenkte sie ihn mit etwas Palmöl, das dieser wie den Saft einer Birke gewinnen durfte. Probierte es einer, der die Palme nur ausbeuten wollte, so wurde ihre Rinde hart wie Stein und ließ sich durch nichts in der Welt durchbohren.  Aus diesem heiligen Öl - das nicht wie sonst aus den Früchten der Palmen gewonnen wurde, wurden Kerzen hergestellt. Man sagt, wer eine dieser Kerzen besitzt, dürfe auf ein Wunder hoffen. Heute ist Silvester. Geh rüber in die Notschlafstelle, dort bekommst du ein Quartier für die Nacht und eine warme Suppe. Morgen früh, nimmst du dann die Kerze und suchst dir einen Platz, zu dem dein Herz dich führt. Dort zünde die Kerze an. Mehr kann ich dir dazu nicht sagen." Damit verabschiedete sich der fremde Mann von Timo und ließ ihn grübelnd auf den Stufen zurück. 

Als dem Jungen wieder kalt wurde, folgte er dem Weg zur Notschlafstelle, den ihm der alte beschrieben hatte, löffelte gierig die heiße Suppe in sich hinein und rollte sich neben dem warmen Ofen zusammen. Sofort verfiel der Bub in einen tiefen Schlaf.  Da war es ihm, als nehme ihn eine junge wunderschöne Frau an der Hand, die wie ein Engel wirkte. Sie sah ihm sehr ähnlich und hüllte  ihn zärtlich in seine alte rosa Decke, die plötzlich wieder neu und kuschelig war und aussah, als wäre sie sehr teuer gewesen. Die Frau nahm Timo in den Arm und er kuschelte sich in ihrem Schoß zusammen, fühlte sich geborgen, wie nie zuvor im Leben. "Mama! Bist du das?" Doch da rüttelte ihn jemand an der Schulter. Es war wohl Zeit zum Aufstehen und weiterziehen. Traurig machte sich Timo auf den Weg, als ihn eine tiefe Sehnsucht erfasste, die ihn wie magnetisch in Richtung alten Dom zog. Wie in Trance ging er hinein und entzündete seine Kerze an einer der vielen kleinen Kerzen beim Opferstock, deren Flammen zu Hunderten im Dunkeln flackerten. Kaum hatte er jedoch die Kerze entzündet, wurde alles um ihn so leicht und hell und froh. Der kleine magere Waisenjunge konnte gar nicht anders, er begann zu singen. Doch... komisch...  die Lieder, die da jedoch so wunderschön aus  seinem Herzen drangen, hatte er noch nie zuvor gehört. Trotzdem konnte er ihren Text auswendig. Er musste sie wohl noch im Mutterleib vernommen haben..." "Mama? Bist du wieder bei mir?" 

Es war noch früh am Morgen. Monsignore Mattheo  hatte noch über eine Stunde Zeit bis zum Neujahrsgottesdienst. Aber er pflegte immer schon zeitig da zu sein. Heute sollten wieder seine Sängerknaben auftreten und die brauchten erfahrungsgemäß etwas mehr Aufmerksamkeit, bis sie soweit waren. "Nein so etwas? Ist  heute einer schon so bald aufgestanden? Und warum ist er alleine gekommen? Und diese Stimme? Nie zuvor habe ich eine so begabte Stimme gehört? Nein! nein! Von uns ist das keiner!" Da fiel sein Blick auf das zerlumpte magere Kind. Forschend betrachtete er das Gesicht des Jungen und erstarrte. Er trug dieselben Züge wie seine Nichte einst. Durfte es wahr sein? War das das Kind, dass sie in aller Heimlichkeit geboren hatte. Emilia war kurz darauf an Kindbettfieber gestorben so sagte man.  Das Geheimnis um den Kindsvater hat sie wohl mit sich ins Grab genommen. Wieso hatte er nur immer gedacht, das Kind wäre mit ihr gestorben?

Langsam näherte er sich dem Jungen. Setzte sich in die Bank neben ihm. Erst als Timo seinen Gesang beendet hatte, sprach der Priester ihn an. "Möchtest du einer von meinen Sängerknaben werden?" Timo blieb der Mund offen stehen, dann begann er über das ganze verhärmte Gesichtlein zu strahlen. Als die beiden nach der Neujahrspredigt bei Monsignore im Pfarrhof saßen und bei Kakao und dem leckeren Kuchen der Pfarrhaushälterin über Timos Zukunft, nein, eigentlich über seine Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sprachen, war es ihm, als wäre endlich ein großer Puzzleteil in sein Herz zurückgekehrt - genau dort wo immer diese schreckliche Leere gewesen war. Am Schreibtisch des Pfarrers stand neben anderen alten Bildern, das der wunderschönen jungen Frau aus Timos Traum. Sie lächelte ihn an und schien zu flüstern:  "Siehst du mein Schatz... alles wird gut... du musst nur fest daran glauben und manchmal... da braucht es eben ein Wunder!"

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Foto: Cityfoto
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