Billige Brennermaut ist Schlag ins Gesicht im Bemühen um Kostenwahrheit

Foto: CIncelli

TIROL. „Das ist das völlig falsche Signal zur falschen Zeit“, ärgern sich die die Grünen Verkehrssprecher Hermann Weratschnig und Georg Willig nach Bekanntwerden der geplanten erheblichen Mautverbilligung am Brenner. Der „Schleuderpreis“ resultiere aus der EU- Wegekostenrichtlinie: dabei werden für die Mautberechnung die Kosten des Baus und der Erhaltung einer Autobahn sowie die externen Kosten – derzeit Lärm- und Schadstoffkosten – erhoben und durch die Anzahl der Fahrten dividiert.
„Das ist geradezu eine Einladung für alle Frachter, ihre LKW Flotten durch Tirol zu disponieren. Diese Pläne wirken völlig kontraproduktiv den Bemühungen Tirols, den Schwerverkehr in Tirol zu reduzieren und auf die Schiene zu verlagern. Auch angesichts der derzeitigen Klimakonferenz kann man über so eine Verbilligung nur den Kopf schütteln“, so Willi und Weratschnig.

Die Rechnung im Detail: Ein Lkw der modernsten Klasse zahlt zwischen Innsbruck und dem Brennerpass künftig um 24 % weniger, 37,87 statt 49,60 €. Im Unterinntal wird die Maut stattdessen um 5 % teurer, 30,90 statt 29,47 €. Ausschlaggebend dafür ist der sogenannte Querfinanzierungszuschlag. Insgesamt verbilligt sich die Strecke Kufstein-Brenner um 13 % für den Schwerverkehr.

Landtagsvizepräsident Hermann Weratschnig spricht von einem Schlag ins Gesicht im Bemühen um die Kostenwahrheit: „In der Praxis heißt das: Der Brenner wird noch günstiger und bleibt der günstigste Alpenübergang. Wenn Verlagerung in der Euregio ernst genommen wird, braucht es endlich mehr Kostenwahrheit zwischen München und Verona. Die gesamte Strecke muss für den Transitverkehr teurer werden. Das geht, wenn Südtirol/Italien und Deutschland die Möglichkeiten der Wegekostenrichtlinie voll ausschöpfen. Denn mit den vorliegenden Mauttarifen wird eine Verlagerung auf die Bahn nicht funktionieren – der Brennerbasistunnel droht völlig nutzlos zu werden und ins Leere zu laufen.“

Das vordringlichste Anliegen für die Grünen sei jetzt die schnelle Realisierung des Müll- und Schrottfahrverbots, mit dem Güter auf die Bahn verlagert werden. In der Folge sei der Druck auf Italien und Deutschland zu erhöhen, ihre Lkw-Mauten endlich auf das Niveau Österreichs anzuheben. „Die Wegekostenrichtlinie ist voll auszuschöpfen. Und es müssen auch Stau- und Unfallkosten in die Wegekostenrichtlinie Eingang finden“, fordert Weratschnig.

Willi verweist abschließend einmal mehr die Alpentransitbörse als langfristige kostengerechte Lösung. Diese müsse endlich zur österreichischen Verlagerungsposition werden. „ Wir brauchen eine Halbierung der Fahrten über den Brenner. Das gelingt nur mit der Alpentransitbörse. Verkehrsminister Stöger ist gefordert für das Recht auf Gesundheit als ehemaliger Gesundheitsminister in den transitgeplagten Tälern zu kämpfen. Die Unterstützung von uns Grünen ist ihm dabei sicher."

ÖVP-Wolf: „Verordnung belastet Wirtschaft in Tirol und fördert internationalen Transit“

Klare Ablehnung kommt von ÖVP-Klubobmann Jakob Wolf zur Entscheidung des Verkehrsministeriums, die Lkw-Maut für Schwerfahrzeuge auf der Brennerautobahn künftig zu senken, zugleich aber die Maut auf der Unterinntalstrecke zu erhöhen. „Während Tirol damit für internationale Frächter als Transitroute attraktiver wird, werden heimische Unternehmen im Unterinntal zur Kasse gebeten“, sieht Wolf darin eine klare Benachteiligung der regionalen Tiroler Wirtschaft.
Die EU-Wegekostenrichtlinie, auf die sich das Verkehrsministerium bei der Verordnung beruft, gehe hier in die völlig falsche Richtung, so Wolf. Die EU unterstütze einerseits den Bau des Brennerbasistunnels als zentrales Verkehrsprojekt Europas mit Milliardenbeiträgen, anderseits aber werden entsprechende Verlagerungsbemühungen massiv torpediert. „Das Verkehrsministerium und die EU handeln hier fahrlässig und widersprüchlich“, verdeutlicht ÖVP-Klubobmann Jakob Wolf, der die Sinnhaftigkeit der EU-Wegekostenrichtlinie in dieser Form massiv in Frage stellt.

AK-Präsident fordert Aufhebung des Lufthunderters

Die neue Mauttarifverordnung ist für die AK Tirol untragbar. So würden alle Bemühungen um eine Reduktion der Transitbelastung unterlaufen. „Deshalb werden wir die Verordnung, die uns zur Begutachtung vorgelegt wurde, auch ausdrücklich ablehnen“, betont Zangerl.
„Das wäre ein Schildbürgerstreich besonderer Güte“, ist AK Präsident Erwin Zangerl fassungslos. „Da kämpft Tirol seit Jahrzehnten um Maßnahmen, mit denen die Belastungen durch den Schwerverkehr sinken. Da werden Unsummen in den Brennerbasistunnel und in die Förderung der Rollenden Landstraße gepumpt. Aber mit der Mauttarifverordnung für 2016 sollen all diese Anstrengungen mit einem Federstrich zunichte gemacht werden.“
Die Folgen wären dramatisch: Wenn ausländische Frächter noch günstiger durchs Land fahren können, bedeutet dies noch mehr Lärm und noch mehr Verkehr für die Tiroler Bevölkerung. „Deshalb spricht sich die AK Tirol entschieden gegen diese neue Mauttarifverordnung aus“, betont AK Präsident Zangerl. „Sollte sie dennoch in Kraft treten, verlangen wir umgehend die Aufhebung des Lufthunderters, also der Fahrverbote nach dem Immissionsschutzgesetz-Luft (IG-L), weil diese dann ja ad absurdum geführt werden.“

"Zangerl ist Gesundheit Wurscht"

Überhaupt kein Verständnis zeigt der grüne Landtagsvizepräsident für die gestrige Reaktion von Arbeiterkammerpräsident Erwin Zangerl. Dieser forderte allen Ernstes den Lufthunderter abzuschaffen, sollte es zur geplanten Mautverbilligung kommen. "Ich dachte immer Präsident Zangerl ist ein Kämpfer für die TirolerInnen und kümmert sich um deren Anliegen. Aber offensichtlich ist ihm die Gesundheit der TirolerInnen wurscht. Wir werden jedenfalls weiterhin alles in unserer Macht stehende unternehmen, um die Tiroler zu entlasten. Denn wenn wir keine Schadstoffreduktion und keine Reduktion der LKW-Fahrten durch Tirol erzielen, steht der AK Präsident und alle TirolerInnen künftig auf der Inntalautobahn im Dauerstau. Dann wird er dem Lufthunderter noch nachtrauern. Der trägt nämlich maßgeblich zur Luftverbesserung bei und ist die Eintrittskarte zur Wiedereinführung des Sektoralen Fahrverbotes“, richtet Weratschnig dem streitbaren ArbeitnehmerInnenverteter aus.

Transitforum: Brutalster Anschlag

"Der Entwurf des BMVIT betreffend Mauttarife für 2016 mit dem Vorschlag, die Brennermaut für schwere Lkw, insbesondere Transit-Lkw, sowohl am Tag als auch bei Nacht um rund 25 % zu senken, ist seit Jahren der brutalster Anschlag auf den Nordtiroler Zentralraum sowie die Brennerstrecke im Anwendungsbereich der Alpenkonvention von Rosenheim bis Verona", sagt Transitforum-Obmann Fritz Gurgiser. Er fordert diesen Entwurf zurückzunehmen und die Maut-Millionen in aktive Schutzmaßnahmen zu investieren, damit die anrainende Bevölkerung und Wirtschaft zu entlasten. Gurgiser Richtung Stöger: „Denn dort, wo unsere Familien willkürlich und bewusst in ihrer Gesundheit eingeschränkt und durch immer noch mehr Lkw Transit ihres Lebens-, Erholungs-, Kultur- und Wirtschaftsraumes beraubt werden sollen, verstehen wir keinen Spaß“.

FPÖ: Sektorales sofort verordnen

Für FPÖ-Landesparteiobmann LAbg. Markus Abwerzger ist die geplante Reduzierung der LKW-Maut am Brenner ein „Anschlag auf die Transit geplagte Tiroler Bevölkerung.“ Für Mag. Abwerzger steht fest: „Nicht mit uns, denn wir wollen ja seit Jahren ein sektorales Fahrverbot in Tirol haben, auch wenn es den Brüsseler-Behörden nicht passt.“
Abwerzger verweist auf die aktuelle Debatte um das sektorale Fahrverbot: „Wie man sieht, ist die Haltung der Landesregierung das sektorale Fahrverbot, welches dringend notwendig wäre, am Tempo-100-Limit festzumachen, nicht ausgegoren. Daher wäre und ist es notwendig und somit das Gebot der Stunde das sektorale Fahrverbot sofort wieder zu verordnen, und den Brüsseler-Behörden die Stirn zu bieten, anstatt obrigkeitshörig auf die Knie zu gehen.“

SPÖ: Wegekostenrichtlinie überarbeiten

Die EU-Wegekostenrichtlinie sieht vor, dass Mauteinnahmen die Kosten für Infrastruktur nicht überschreiten dürfen. Für den Brenner bedeutet das, dass die Lkw-Maut um 24% gesenkt werden muss. Da der Querfinanzierungszuschlag auf der A12 Inntalautobahn EU-rechtskonform von 20 % auf 25% angehoben wird, beträgt die Senkung für den gesamten Brennerkorridor zwischen Kufstein und Brennerpass rund 13%.
„Gurgiser soll sich seinen billigen Populismus sparen und sich stattdessen genauer informieren. Wird die Maut nicht angepasst, droht ein Vertragsverletzungsverfahren. Die Konsequenz wären Strafzahlungen und Rückzahlungen der zu Unrecht einbehaltenen Maut“, erklärt SPÖ-Verkehrssprecher Georg Dornauer.

„Umso wichtiger ist es, dass das sektorale Fahrverbot ehestmöglich und rechtlich korrekt wieder eingeführt und der Schwerverkehr nach und nach auf die Schiene verlagert wird. Die SPÖ steht voll hinter dem Projekt Brennerbasistunnel. Was wir dringend brauchen, sind Verlagerungsgarantien für den Schwerverkehr, sonst nützt der beste Tunnel nichts“, nimmt Dornauer das Land in die Pflicht, hier rechtzeitig vorzusorgen.
Die Tiroler SPÖ-Europaabgeordnete Karoline Graswander-Hainz hat für kommende Woche bereits einen Termin mit Verkehrsminister Stöger vereinbart. „Im kommenden Jahr soll außerdem die Wegekostenrichtlinie überarbeitet werden. Ich werde mich natürlich im Sinne Tirols für eine Änderung stark machen“, versichert Graswander-Hainz.

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