Serie "Wir für Tirols Wirtschaft" – mit Umfrage
Jirka: "Fachkräftemangel weiter akut"

Franz Jirka ist der Spartenobmann in der Sparte Handwerk und Gewerbe in der Tiroler Wirtschaftskammer.
  • Franz Jirka ist der Spartenobmann in der Sparte Handwerk und Gewerbe in der Tiroler Wirtschaftskammer.
  • hochgeladen von Sieghard Krabichler

Franz Jirka, Sparte Handwerk und Gewerbe, ist diese Woche zu Gast bei "Wir für Tirols Wirtschaft".

Wie geht es dem Handwerk in Tirol im Juli 2020?
Franz Jirka: „Dem Handwerk und Gewerbe geht es ganz unterschiedlich. In unserer Sparte sind vom Baugewerbe bis zu den Lebens- & Sozialberatern viele verschiedenen Brachen vertreten. Das Bau- und Baunebengewerbe ist mit einem blauen Auge durch die Krise gekommen. Manche Ein-Personen-Unternehmen haben hingegen heute noch keine Umsätze, so wie etwa die Veranstaltungstechniker – für diese Berufsgruppen ist die Situation dramatisch."

Heißt das, ein Privater bekommt noch heuer einen Handwerker für spontan geplante Vorhaben?
„Ja, schon, aber es hat einen gewissen Auftragsrückstau gegeben, der nun abgearbeitet wird. Aber es beginnt langsam die Auftragslage etwas einzubrechen. Eine gerade stattgefundene Umfrage unter den Tiroler Handwerksbetrieben hat ergeben, dass 46 % der Unternehmen sofort Aufträge ausführen können. Letztes Jahr waren das nur 35 %. Demnach müsste sich ein spontanes Vorhaben auch noch verwirklichen lassen."

Investiert die Tourismus- und Hotelbranche trotz Corona? Und wie sieht es mit privaten Investitionen aus?
"Unterschiedlich in allen Bezirken. Während im Oberland und auch in Ischgl kräftig investiert wird, ist das Tiroler Unterland eher verhalten. Aber ja, die Tourismus Branche investiert. Bei den privaten Investitionen war erstaunlicherweise die Krise, das zuhause sein, ein Schub für Gewerbe und Handwerk, Gott sei Dank! Die Tiroler sind fleißige Menschen, die sich etwas aufgebaut und auch eine Reserve auf der Bank haben. Auch die Fördermaßnahmen durch die Landesregierung tragen dazu bei."

März bis Juni waren von massiven Umsatzrückgängen gekennzeichnet. Wie sieht der Herbst aus?
„Viele Unternehmer haben Geld zurückgehalten und nicht investiert und es wird für einige Unternehmen wohl schwierig werden. Einige Gewerbe- und Handwerksbetriebe werden diese Krise nicht überleben, leider. Vernünftige Prognosen sind nicht zu erstellen, weil der weitere Verlauf der Corona-Infektion nicht vorherzusehen ist. Fakt im Gewerbe & Handwerk ist, dass im 1. Quartal 2020 gegenüber dem Vergleichszeitraum 2019, die Auftragseingänge bzw. die Umsätze um 12 % zurückgegangen sind." Den großen Einbruch für viele gab es dann in den Folgemonaten, der in den Herbst nachwirken wird."

Das Jahr 2021 könnte aber erneut eine Herausforderung werden oder sind Sie eher optimistisch?
„Im kommenden Jahr sollte ein Impfstoff oder eine Medikation vorhanden sein, davon hängt viel ab, dann wird sich die Situation beruhigen. Alle wirtschaftlichen Auswirkungen werden aber nicht vor dem Frühjahr 2022 endgültig beseitigt sein. Ich bleibe optimistisch. Die Menschheit hat schon vieles durchlebt, wir werden auch das schaffen."

Hat die Krise das Handwerk und Gewerbe in Tirol verändert?
"Viele wollten die Krise dazu nutzen, um einen Neustart abseits des pausenlosen Arbeitens am oder über dem Limit zu machen. Aber wie es aussieht, ist es bei manchem sogar ärger als vor Corona. Die Unternehmen sind getrieben, können immer weniger planen. Angebotslegung, Auftragsvergabe und der Abschluss der Arbeiten, rücken immer enger zusammen. Das löst Stress aus und verursacht dadurch, dass muss man offen und ehrlich sagen, Fehler. Natürlich liegt es auch an uns Unternehmern, darauf zu achten, dass es nicht mehr so wird wie vor Corona. Dazu brauchen wir aber auch die Gesellschaft."

Speziell im Handwerk gibt es den Pfusch. Ein großes Thema in Tirol?

"Der Pfusch war vor Corona in Tirol natürlich präsent, aber er spielt keine so große Rolle mehr wie etwa in den 80er-Jahren. Nun gibt es eher organisierte Pfuscher, die wie Firmen agieren. Das ist hochgradig unfair und klarer Sozialbetrug und hat auch nichts mehr mit der viel zitierten 'Nachbarschaftshilfe' zu tun. Für sowas gibt es die Finanzpolizei. Wenn die Menschen aus der Kurzarbeit wieder in ihre Jobs kommen, wird das Pfuschproblem auch wieder kleiner. Aber aussterben wird der Pfusch nicht."

Betriebe sind noch in Kurzarbeit. Wie wird sich die Arbeitslosensituation entwickeln, wenn diese zu Ende ist?
"Das wird der Herbst zeigen. Hier sind wir auch von der Entwicklung im restlichen Europa abhängig. Auch das wirkt sich schlussendlich auf uns aus, ob wir wollen oder nicht. Bei den Arbeitslosenzahlen und was die Kurzarbeitszeit betrifft, hatten wir einen sprunghaften Anstieg und sehen aber auch das sie sich schnell wieder erholen."

Ist damit das Problem des Facharbeitermangels etwas entschärft?
"Der Fachkräftemangel ist nach wie vor akut. Und wir suchen immer noch händeringend Lehrlinge. Eine gut ausgebildete Fachkraft wird auch in Zukunft in Tirol beste Bedingungen vorfinden. Das Handwerk hat goldenen Boden und ist auch in Krisenzeiten unersetzbar, das hat sich in den vergangenen Wochen deutlich gezeigt."

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