Ärzte in Not – Mediziner in Tulln stöhnen unter Personalmangel
Ärzte am Limit: Überstunden zum Teil gratis: „Wir lassen Kollegen nicht hängen“
TULLN (wp). Die Landesklinikenholding widerspricht vorliegenden Schriftstücken über Personalnotstand im Ärztebereich im Tullner Landesklinikum.
Ärzte unter Belastung
Durch enorme Sparmaßnahmen bedingt, müssen die Ärzte im Tullner Spital gewaltige Belastungen in Kauf nehmen. Das für 2010 vorgesehene Überstundenkontingent von 70.451 Stunden war bereits zur Mitte des Jahres bis auf wenige Stunden aufgebraucht. Manche Ärzte, vor allem die sich in Ausbildung befindlichen Turnusärzte, stellen zum Teil ihre Arbeitskraft gratis zur Verfügung, denn zusätzliche (offizielle) Überstunden dürfen auch im Krankheitsfall nicht übernommen werden, so heißt es in einer Anweisung der Landesklinikenholding. „Geisterstunden“ wird diese Arbeitszeit spitalsintern genannt.
„Extremer Personalnotstand“
Idealismus ist angesagt: „Wir können unsere Kollegen nicht einfach im Stich lassen, wenn die Stationen voll sind“, erzählt ein Arzt und ersucht um Anonymität. „Lange kann dieses System nicht mehr aufrechterhalten werden“, fügt eine Kollegin hinzu, „das geht an die Substanz der Leute. Ärztefehler sind vorprogrammiert.“
Bereits Ende Mai hieß es spitals-intern: „Die Aufrechterhaltung der Notarztdienste ist nicht mehr möglich, es herrscht extreme Personalnot.“ Daraus resultiert, dass bei der Dienstplanerstellung für die Notarztbereitschaft immer wieder Tage offen bleiben.
Primar Feik: „Alles in Ordnung“
Dann müssen Ärzte eingesetzt werden, die eigentlich das Haus für den Notfall gar nicht verlassen dürften, da sie für die Aufrechterhaltung des Spitalsbetriebs benötigt werden. Vor allem im Bereich der neu geschaffenen „Interdisziplinären Aufnahmestation“ (IAS), die eintreffende ambulante Notfälle erstversorgt und bei Bedarf an die zuständige Fachabteilung im Spital weiterleitet, gab es diesbezüglich, vor allem über den Sommer hinweg, massive Probleme bei der Dienstplangestaltung. Längere Wartezeiten für die zu versorgenden Patienten und daraus resultierende Beschwerden sind die Folge. „Wir haben keine Personalknappheit bei den Notärzten“, dementiert der Organisator der Notarzt-Agenden im Spital, Prim. Herwig Feik, und steht damit im Widerspruch zu einem dem Bezirksblatt vorliegenden Papier.
Holding dementiert
Im Juni mussten aufgrund von herrschender Personalknappheit spitalsinterne Überlegungen angestellt werden, ob man etwa das mitbetreute Versorgungsgebiet Purkersdorf abgeben kann und ob nicht auch zwei Kollegen aus dem Landesklinikum Klosterneuburg für Dienste herangezogen werden können. In Zukunft sollen Ausbildungsplätze an Jungmediziner nur dann vergeben werden, wenn sie über eine gültige Notarztausbildung verfügen bzw. sich für den Einsatz als Notarzt verpflichten. In einer ersten schriftlichen Stellungnahme lässt die Landesklinikenholding den ärztlichen Direktor im LK Tulln Peter Lechner verkünden: „Im Landesklinikum Tulln liegt kein Personalnotstand vor. Das ärztliche Personal wird nach der gültigen Betriebsvereinbarung bzw. den gesetzlichen Grundlagen (Krankenanstaltenarbeitszeitgesetz) eingesetzt.“ Persönlich konnte die Redaktion nicht mit dem Spitalsleiter sprechen.
Dem Bezirksblatt vorliegende spitalsinterne Schriftstücke und Informationen sprechen allerdings explizit von den beschriebenen Personalnotsituationen. In einer zweiten Stellungnahme heißt es seitens der Landesklinikenholding, die bereits getä-tigte Aussage sei aktuell, beziehe sich „auf den Wissensstand vom 4. Oktober“ und sei „vollinhaltlich richtig“.
Zur Sache
Personalprobleme auch im Labor
Akute Personalknappheit herrscht auch im Spitalslabor, das Befunde für die einzelnen Abteilungen erstellen soll. In manchen Nachtdiensten ist kein Facharzt zugegen, eine medizinisch-technische Fachkraft muss einspringen. Die Bakteriologie soll gänzlich nach St.Pölten übersiedeln.
Werner Pelz (Kontakt: Tel.: 0676 700 11 75 / Mail: wpelz@bezirksblaetter.com)
KOMMENTAR
Mut zur Kritik
Früher, als die Krankenhäuser noch nicht von der Landesklinikenholding verwaltet wurden, waren zumindest die Leiter dieser Anstalten, meist Personen einer kollegialen Führung, in der Lage, etwaige anstehende Probleme gegenüber der Presse zu kommentieren. Das hat sich deutlich gewandelt. Die Entscheidungsträger im Spital sind nun zum Mundhalten degradiert. „Bei Fragen wenden Sie sich bitte an die Holding, wir dürfen nichts sagen“, heißt es unisono und ängstlich aus den Krankenanstalten. Personalknappheit, die nicht nur Spitalsmitarbeiter etwa durch Überlastung und Burn-Out gefährdet, sondern auch massiv öffentliches Interesse betrifft, darf daher nicht einmal im Ansatz von Entscheidungsträgern der Spitäler öffentlich diskutiert werden. Was nicht sein darf, kann nicht sein. Es könnte ja ein Schatten auf die politische Führung fallen. Aber Zensur hat noch nie lückenlos funktioniert, egal wo. Gut, dass immer wieder Informationen durch mutige Menschen an die Presse gelangen, die Blicke hinter die Kulissen erlauben. Und gut, dass es das Redaktionsgeheimnis gibt, das es ermöglicht, diese Mutigen zu schützen.
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