REPUBLIK SUCHT OBERHAUPT
Jedes Mal, wenn in Österreich der Posten des Bundespräsidenten zur Nachbesetzung ansteht, wird die Frage nach der Sinnhaftigkeit dieses Amts aufgeworfen. Über Sinn und Unsinn dieses ersten Amts im Staate lässt sich nämlich trefflich diskutieren. Dabei wäre es viel wesentlicher, über die Passung der Kandidat_innen zum verfassungsrechtlich vorgegebenen Kompetenzprofil nachzudenken. Doch wie sieht dieses Profil überhaupt aus?
Eine Ausschreibung für den Arbeitsplatz eines Bundespräsidenten/einer Bundespräsidentin könnte etwa so aussehen:
Die Republik sucht Sie!
Sie …
… interessieren sich für Politik und Verfassung?
… bewegen sich gerne und sicher auf internationalem Parkett?
… sind gegebenenfalls gerne Mediator_in für die österreichische Innenpolitik?
… können Ihre persönliche politische Überzeugung für zumindest 6 Jahre unter dem Mantel der Überparteilichkeit verbergen?
… nehmen gerne repräsentative Ballbesuche und Eröffnungen diverser Institutionen wahr?
Dann sind sie bei uns richtig!
Wir suchen ab 25. April 2016 eine_n neuen Bundespräsident_in in Vollzeit.
Dienstort: Hofburg, Michaelerkuppel, 1010 WIEN
Brutto Jahresbezug: EURO 319.872,00 (Gehaltshöhe nicht verhandelbar, da wir im Verhältnis zum branchenüblichen Jahresbezug bereits deutlich überzahlen: vgl. http://wirtschaftsblatt.at/home/nachrichten/oesterreich/1123249/index)
Und das sind Ihre Aufgaben
Repräsentation der Republik nach außen (Wahrnehmung von Staatsbesuchen)
Mitwirkung an der Gesetzgebung (nur in geringem Umfang, aber umso wesentlicher!)
Festlegung der Urlaubsregelung für die Minister_innen
An- und Abpfiff des Spiels für Regierungsvertreter_innen
An- und Abpfiff der „Arbeitsjahre“ für den Nationalrat
Ernennung der Richter_innen
Ausübung des Gnadenrechts (allerdings nur auf Vorschlag des BMJ)
Legitimation unehelicher Kinder auf Ansuchen der Eltern
Diverse Auszeichnungs- und Personalangelegenheiten
Sofern mutig genug: Auflösung des Nationalrats (schlägt dieser Versuch allerdings fehl, müssen Sie Ihren Arbeitsplatz räumen)
Fallweise, eher unwahrscheinlich: Reiseleitung für die österreichische Bundesregierung
Hoffentlich höchst unwahrscheinlich: Erlass von Notverordnungen
Bonus: Oberbefehl über das österreichische Bundesheer (auch wenn es dem derzeit an einer Strategie fehlt)
Also:
Wenn sie über 35 Jahre alt, unbescholten und österreichische Staatsbürger_in sowie bereit sind, im Falle des Dienstbeginns all ihre Zusatzgeschäfte aufzugeben und fortan für mindestens 6 Jahre (maximal 12) dem österreichischen Volk, das Sie grundsätzlich mögen sollten, als eines der obersten Organe zu dienen, richten Sie bitte Ihre aussagekräftige Bewerbungen an die wahlberechtigte österreichische Bevölkerung.
Näheres zum Auswahlverfahren entnehmen Sie bitte der Bundesverfassung.
Man kann über die Stellung unseres Staatsoberhaupt witzeln
Aber: Wenn ich das Bundesverfassungsgesetz lese und darüber reflektiere, was Hans Kelsen während der Niederschrift seiner Fassung von 1929 wohl gedacht haben mag, kommen mir doch Zweifel. Zweifel daran, ob es richtig wäre, dieses Amt abzuschaffen. Der zentralen Idee, dass es eine Instanz zur Kontrolle des verfassungsmäßigen Zustandekommens von Gesetzen geben muss, kann ich angesichts bedrohlicher Entwicklungen in Europa durchaus etwas abgewinnen. Denn diesbezügliche Bedrohungen unserer Demokratie sind nicht ausgeschlossen – und schon gar nicht weit weg.
Aber Bundespräsident, wir müssen trotzdem reden!
Denn wir sollten das Amt in einer breiten zivilgesellschaftlichen Diskussion hinterfragen: zur Weiterentwicklung unserer Republik im Sinne der Erfordernisse unserer Zeit. Zur Diskussion stehen sollten meiner Meinung nach vor allem folgende Punkte:
Mythos der Überparteilichkeit
Inwiefern kann ein Amt völlig überparteilich ausgeübt werden, wenn der/die Kandidat_in bisher lebenslänglich an das Wohl und Weh einer bestimmten (politischen) Organisation gebunden war?
Überbordende Apparate
Müssen und können wir uns – angesichts der faktischen tagesgeschäftlichen Auslastung der Amtsinhaber wirklich einen derart großen Beamtenstab leisten?
Verhältnismäßigkeit der Bezahlung
Nicht nur Barack, auch Angela und andere Spitzenpolitiker_innen erwägen wohl den Wechsel nach „good old Austria“ – verdiensttechnisch wäre es nämlich für viele eine Verbesserung. Wäre vor diesem Hintergrund und im Sinne einer Signalwirkung nicht auch eine Herabsetzung der Einkünfte des Bundespräsidenten bzw. der Bundespräsidentin anzustreben?
Diese Diskussion wird bis zum 24. März 2016 nicht abgeschlossen sein. Hier stehen wir wahrscheinlich vor einer längerfristigen Aufgabe. Was wir am 24. März, wenn wir zur Wahlurne schreiten, aber tun können und sollten, ist der Abgleich des Kompetenzprofils der Kandidat_innen mit jenem der österreichischen Bundesverfassung. Wir sollten überlegen, wem wir es am ehesten zutrauen, die Präsidentschaft nach modernen Gesichtspunkten ein Stück weit weiterzuentwickeln.
Denn am 24. März sind wir alle Personalchefs!
Und genauso sollten wir an diese Aufgabe herangehen: Indem wir kritische Fragen stellen. Uns die Bewerber_innen genau ansehen. Und dann eine informierte Entscheidung treffen. Dann ist vielleicht der erste Schritt in Richtung Aufwertung des Amts bereits getan.
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