Mitarbeiter des Finanzamts Villach soll mehr als 100 Steuererklärungen manipuliert haben
WOCHE exklusiv: Ein Beamter soll Steuererklärungen nachträglich manipuliert – und die erschlichenen Nachzahlungen selbst kassiert haben.
VILLACH (Wolfgang Kofler). Das Bundesamt für Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung sowie das Büro für interne Angelegenheiten ermitteln gegen einen Beamten des Finanzamts Villach. Die Vorwürfe und vor allem die Vorgehensweise sind spektakulär – und österreichweit einzigartig: Der Mann soll über Jahre hinweg weit mehr als hundert Steuererklärungen manipuliert haben.
Ministerium bestätigt
Das Finanzministerium bestätigt die Ereignisse auf WOCHE-Anfrage, bleibt sonst aber wortkarg. "Der Fall ist gerichtsanhängig. Wir bitten um Verständnis, dass wir laufende Verfahren nicht kommentieren", sagt Pressesprecher Johannes Pasquali.
Manipulierte Steuererklärungen
WOCHE-Recherchen ergaben Folgendes: Der Verdächtige soll Steuererklärungen, bei denen die Rückzahlungen an die Steuerpflichtigen bereits erfolgt sind, eigenmächtig noch einmal geöffnet haben. Dies unter dem Vorwand, man habe bestimmte Angaben vergessen. In der Folge erfand der Beamte zum Beispiel Kinder, um Absatzbeträge geltend machen zu können. Oder er ergänzte ein ursprünglich nicht vorhandenes Fahrtenbuch, das eine Nachzahlung zur Folge hatte. Da die Änderungen von einem eigenen Mitarbeiter getätigt wurden – teilweise sogar mit dem Hinweis, er selbst habe den ursprünglichen "Fehler" gemacht –, galten sie als in Ordnung. Gleichzeitig änderte der Mann im finanzinternen EDV-System aber die Kontodaten des Steuerpflichtigen auf seine eigenen – und kassierte so die Nachzahlungen.
Kontodaten ausgetauscht
Kaum war das Geld am Konto eingelangt, setzte er, um die Spuren zu verwischen, bei den Steuerakten wieder die richtigen Kontodaten ein. Das bedeutet: Kein einziger Bürger wusste von den Manipulationen. Es wurde auch niemand direkt geschädigt, wohl aber die Republik.
"Diese Art von kriminellem Potenzial haben wir noch nie erlebt", sagt ein ranghoher Finanzer kopfschüttelnd zur WOCHE. Wie hoch die Gesamtschadensumme ist, kann noch nicht gesagt werden.
Verdächtiger suspendiert
Aufgeflogen dürfte der Mann wegen der auffällig hohen Anzahl an Verfahrenswiederaufnahmen sein. Er wurde suspendiert, oder wie es Pressesprecher Pasquali formuliert: "Wir haben dienstrechtlich mit voller Härte Schritte gesetzt." Als Hintergrund für die Betrügereien wird unter anderem Spielsucht und ein generell kostenintensiver Lebenswandel vermutet.
Bereits 2016 ein Prozess
Es ist nicht das erste Mal, dass der beschuldigte Beamte mit dem Gesetz in Konflikt geraten ist. Bereits 2016 wurde er am Landesgericht Klagenfurt verurteilt, nachdem er eine Frau als Prostituierte verleumdet hatte.
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