Arthur Longin aus Voitsberg
"Mir fehlen in der EU nur noch Bulgarien und Rumänien"

Arthur Longin (m.) mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des ESK-Projekts in Island | Foto: Longin
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Der Voitsberger Arthur Longin befindet sich aktuell mit 32 jungen Erwachsenen in Island, um lokale Strände von Müll zu befreien, Bäume zu pflanzen und persönliche Weiterentwicklung zu erzielen. Er ist nämlich als Betreuer und Trainer des "Europäischen Solidaritätskorps" tätig. MeinBezirk.at wollte mehr wissen und hat ihn trotz rund 3.000 Kilometern Distanz zum Interview gebeten.

VOITSBERG. Im Jahr 2006 schlug der Voitsberger Arthur Longin nach seiner Tätigkeit als Kürschnermeister und Immobilientreuhänder den Weg in Richtung Sozialarbeit ein. Bei seiner Ausbildung in Graz kam er im Rahmen einer Exkursion ins "LOGO! Jugendmanagement" erstmals mit dem EU-Jugendprogramm "Jugend für Europa" in Kontakt. Er bewarb sich für ein erstes Training, um die Antragsformalitäten zu erlernen und hat sich seither an über 50 Projekten entweder selbst als Antragsteller und Aufnahmeorganisation beteiligt, daran in einem anderen Land teilgenommen oder als Projektpartner mitgearbeitet. Er ist als Trainer und Begleitperson des "Europäischen Solidaritätskorps" und im Rahmen von Erasmus+ tätig. 

"Ich möchte gleich Vorausschicken, dass ich seit 2006 ein glühender Anhänger der verschiedenen Jugendprogramme der EU bin und auch stets mit Freude und Begeisterung ehrenamtlich Jugendliche und Junge Erwachsene bis 30 Jahre, in unterschiedliche Länder begleite, um sie aus ihrer gewohnten Umgebung heraus in eine neue Umgebung zu bringen, wo sie viel Neues über andere Länder, aber auch über sich selbst erfahren können. Es ist für mich immer wieder wunderschön zu beobachten, wie junge Menschen in kurzer Zeit ein Stück welterfahrener werden, mutiger eine fremde Sprache mit völlig fremden Menschen in mitunter sehr unterschiedlichen Kulturen sprechen und die anfängliche Schüchternheit ablegen und in ihrer Persönlichkeit wachsen", so Arthur Longin einleitend.

Die EU-Projekte führen Arthur Longin durch ganz Europa | Foto: Longin
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  • Sie sind Trainer und Coach im Europäischen Solidaritätskorps (ESK). Welche Aufgabengebiete hat dieser?

Arthur Longin: Das Europäische Solidaritätskorps ist ein Unterstützungsprogramm der Europäischen Union, das jungen Erwachsenen bis 30 Jahre hilft, ihre eigenen Projekte innerhalb Europas durchführen zu können. Gefördert werden die Reisekosten, der Aufenthalt im ausgewählten Land, die Verpflegungs- und Wohnkosten sowie ein Sprachkurs. Es ist möglich von einem Monat bis zu einem Jahr in ein EU-Land als Freiwilliger alleine oder in Gruppen zu reisen und dort in Solidaritätsprojekten mitzuarbeiten. Es gibt immer eine Entsendeorganisation – in der Steiermark das "LOGO! Jugendmanagement" in Graz – und eine Aufnahmeorganisation irgendwo in Europa. Die Projekte sind sehr vielfältig und abwechslungsreich. Zum Beispiel bin ich derzeit an einem Nachhaltigkeitsprojekt in Island beteiligt, wo wir Bäume pflanzen, Strand von Müll säubern und Workshops über nachhaltige Lebensweisen interaktiv abhalten. Hier sind 32 junge Erwachsene zwischen 18 und 30 aus allen Teilen der EU dabei.

  • Wie sieht Ihr Alltag als ESK-Trainer aus?

Das kommt auf meine Rolle im jeweiligen Projekt an. Für die österreichische Nationalagentur von Erasmus+ und den ESK bin ich als Trainer für "On Arrival Trainings" (OAT), "Mid Term Evaluation Meetings" (MTE) und "Discover EU Treffen" tätig. Diese Trainings finden mehrmals im Jahr in Österreich statt und werden für unsere internationalen Freiwilligen in englischer Sprache abgehalten.
Als Coach begleite ich auch Kurzzeit-ESK-Projekte mit jungen Menschen mit besonderen Herausforderungen. Hier sind dann mitunter meine langjährigen Erfahrungen als Sozialarbeiter gefragt. Es ist für junge Menschen doch oft ein großer Schritt, sich einem Projekt anzuschließen, in einer fremden Sprache zu sprechen, zu arbeiten und sich in einer fremden Kultur zurechtzufinden. Es ist vollkommen anders als Urlaub, sie steigen völlig in ein neues Leben mit den dort jeweils ansässigen Menschen ein.

In Island gilt es, die Strände von Müll zu befreien | Foto: Longin
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  • Darüber hinaus sind Sie auch im Rahmen von Erasmus+ tätig. Welche Ziele verfolgt Erasmus+?

Eine sehr umfangreiche Frage, aber kurz zusammengefasst: Erasmus+ wurde 1988 gegründet unter dem damaligen Namen "Jugend für Europa". Der Grundgedanke war, Erasmus-Förderungen, die es bis dahin nur für Studenten gab, für alle jungen Menschen innerhalb der EU zugänglich zu machen. Erasmus+ heute soll lebenslanges Lernen fördern, nachhaltiges Wachstum ermöglichen, sozialen Zusammenhalt und die europäische Identität stärken sowie Innovationen vorantreiben.
Das EU-Programm Erasmus+ richtet sich an alle Jugendlichen im Alter zwischen 13 und 30 Jahren. Es fördert im Bereich "Jugend" Projekte, die jenseits von Schule, Ausbildung oder Studium stattfinden. Das bekannteste Programm ist eine internationale Jugendbegegnung. Hier treffen sich Jugendliche aus zwei oder mehr Ländern zu einem Projektthema in einem Gastland. In Workshops, beim Sport, in Debatten, Rollenspielen oder anderen Aktivitäten verbringen die jungen Leute gemeinsame Zeit und lernen spielerisch voneinander. Nach nur einer Woche gibt es beim Abschied von den neuen Freundinnen und Freunden oft Tränen.

  • Was unterscheidet Ihre Arbeit im Rahmen von Erasmus+ von der beim ESK?

Bei Jugendbegegnungen in Erasmus+ bin ich für die Entsendeorganisation tätig. Ich bereite die Jugendlichen auf die Reise vor, informiere über das Gastland, die Tätigkeiten, das Programm am Projektort, ich buche die Reise, informiere Eltern, und begleite meist auch die Gruppe ins Gastland und zurück. Diese Tätigkeit ist ehrenamtlich und es macht mir immer noch Freude, das Wachstum und die positive Veränderung an den jungen Menschen mitzuerleben.
Meine Arbeit für das ESK ist an einen genauen Ablauf gebunden, ich bin als Trainer an zwei bis vier Tagen mit den Freiwilligen zusammen und gestalte Workshops zu den jeweiligen Themen. Ein- bis zweimal im Jahr begleite ich auch ESK-Kurzzeit-Projekte von einem Monat mit herausfordernden jungen Erwachsenen wie jetzt gerade in Island.

  • Wie kamen Sie zum ESK und zu Erasmus+?

Bei meiner Ausbildung zum Sozialarbeiter kam ich das erste Mal mit dem EU-Jugendprogramm "Jugend für Europa" anlässlich einer Exkursion ins "LOGO! Jugendmanagement!" in Graz in Berührung. Ich war sofort begeistert, als ich hörte, dass in diesem Programm Jugendliche kostenlos innerhalb der EU an Projekten teilnehmen können und auch noch ein tolles Programm geboten bekommen. Ich bewarb mich zu einem Training, um die Antragsformalitäten zu erlernen und seither habe ich mehr als 50 Projekte entweder selbst als Antragsteller und Aufnahmeorganisation betreut, daran in einem anderen Land teilgenommen oder als Projektpartner mitgearbeitet.

  • Seit wann sind Sie dort tätig?

Ich war immer als ehrenamtlicher Begleiter tätig, da ich ja meine Arbeit als Sozialarbeiter in der Steiermark als Mittelpunkt hatte. Oftmals habe ich aber meine Schützlinge auch zu Jugendbegegnungen mitgenommen, um den meist aus schwierigen Verhältnissen stammenden Jugendlichen ein Fenster in eine andere Welt zu öffnen. Jetzt mache ich es noch immer mit derselben Begeisterung wie beim ersten Projekt. Es ist immer anders, und es ist immer herausfordernd und doch sehr erfüllend.

Reisen wie diese werden die Teilnehmenden sicher nicht so schnell vergessen. | Foto: Longin
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  • Was haben Sie davor gemacht? (Ausbildung, Berufe usw.)

Ich habe als ersten Beruf Kürschner gelernt, war dann lange selbstständig, habe als nächste Ausbildung die Immobilientreuhänder-Konzessionsprüfung gemacht und bin dann durch Zufall 2006 zur Jugendarbeit gekommen. Ich habe da von vorn angefangen und dann berufsbegleitend auf der FH Kärnten den Bachelor und Master in Soziale Arbeit abgeschlossen. 

  • Aktuell sind Sie in Island auf Reisen. Wie lange und warum?

Ja, ich bin nach wie vor viel auf Reisen. Zurzeit begleite ich ein Kurzzeit-ESK-Projekt in Island zum Thema Nachhaltigkeit. Wir sind hier in einem Workcamp in Bru im Norden Islands und beschäftigen uns mit dem Reinigen der Strände von Unrat der Zivilisation wie Fischernetze, Bojen, Plastikgefäße aller Art und vieles mehr. Der Müll wird danach von uns getrennt, katalogisiert und zur Recyclingstation gebracht.
Auch beschäftigen wir uns mit der Aufforstung des Landes, indem wir Bäume pflanzen und lernen über nachhaltige Lebensweise in gemeinsamen Workshops. Gekocht wird abwechselnd, wie auch alle Tätigkeiten im Camp möglichst fair aufgeteilt werden. Es war selbst für mich eine Herausforderung, ein Mittagessen für 32 Leute auf einem normalen Herd zu kochen. Auch musste auf verschiedene Essgewohnheiten wie vegetarisch, vegan, glutenfrei und so weiter Rücksicht genommen werden. Alles geht, wenn man will.

  • In wie viele unterschiedliche Länder hat Ihre Arbeit Sie schon geführt?

Mir fehlen in der EU nur noch Bulgarien und Rumänien, sonst war ich überall mit Projekten dabei. Auch die Überseedepartements von Frankreich wie La Reunion im Indischen Ozean und Französisch Guyana waren dabei.

Arthur Longin (l.) mit den Teilnehmenden einer Jugendbegegnung in La Reunion | Foto: Longin
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  • Was gefällt Ihnen an Ihrer Tätigkeit besonders?

Wie bereits erwähnt ist es für mich sehr erfüllend zu sehen, wie sich junge Menschen in kurzer Zeit in einem fremden Kontext entwickeln und entfalten können. Es reizt mich einen Rahmen für informelles Lernen zu gestalten und Jugendliche zu motivieren über die Komfortzone hinauszuwachsen und sich selbst neu zu erfinden. Viele ehemalige Teilnehmerinnen und Teilnehmer schreiben mir noch immer von Zeit zu Zeit, es ist wie eine große Erasmus+ Familie.

  • Warum sollten junge Menschen Erasmus und ESK-Angebote nutzen?

Zum einen ist es eine einmalige Gelegenheit kostenlos oder kostengünstig in ein EU-Land zu reisen, ohne sich um alles selbst kümmern zu müssen. Ein weiterer Vorteil ist die Möglichkeit, sich neu zu erfinden zu können und Neues auszuprobieren. Schließlich kommt man in einen neuen Kontext, wo einen niemand kennt und niemand von der persönlichen Geschichte weiß. Es hat etwas Befreiendes und man weiß, dass man bei einem solchen Projekt keinen Erfolgsdruck hat. Es gibt weder Prüfungen noch Beurteilungen jeglicher Art. Die einzige Beurteilung seiner Lernerfahrungen macht jede und jeder Teilnehmende selbst bei der schriftlichen Selbstbeurteilung im "Youth Pass". Das ist ein Dokument, welches die Lern- und Arbeitserfahrungen der jungen Erwachsenen erfasst und von der Aufnahmeorganisation bestätigt wird. Als Anhang zum Lebenslauf eröffnet der "Youth Pass" wesentliche Vorteile, bestätigt er doch Praxis und Auslandserfahrung sowie neu erworbene "Soft Skills". Ein Vorteil, der nicht unterschätzt werden sollte.

Die persönliche Weiterentwicklung junger Menschen steht bei den EU-Projekten ganz weit oben. | Foto: Longin
  • Die persönliche Weiterentwicklung junger Menschen steht bei den EU-Projekten ganz weit oben.
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  • Was war Ihr bisheriges "Karriere-Highlight"?

"The Anholt Project" in Dänemark. Das war ein sechsjähriges Programm mit 28 Leuten, zu dem auch ein Film gedreht wurde. Wir wollten damit beweisen, dass man informelles Lernen steuern kann, indem man einen Rahmen setzt und den Kontext verändert, ohne etwas frontal beizubringen. Die FH Kärnten und die Aahrus Universität aus Dänemark haben das Projekt beobachtet, ausgewertet und bestätigt, dass unsere These zumindest in diesem Kleinversuch gilt. Der Film dazu ist auch auf YouTube zu finden.

  • Wie machen Sie im Bezirk Voitsberg auf diese EU-Jugendangebote aufmerksam?

Zum Beispiel war ich heuer beim Europatag im Gymnasium Köflach. Zu solchen Veranstaltungen, vor allem an Schulen, lasse ich mich generell gerne einladen. 

  • Läuft ihre ganze Arbeit bei diesen Jugendprogrammen ehrenamtlich?

Eigentlich bin ich mittlerweile Pensionist. Die ESK-Trainings mache ich beruflich. Sonst werden eben die Kosten für die Reisen gezahlt, meine Gegenleistungen sind dann die Betreuung und Begleitung der Teilnehmer. Es ist mir einfach genug, dass ich das machen kann. Was sich da hinsichtlich persönlicher Weiterentwicklung in zehn Tagen entwickeln kann, ist enorm. Selbst die schüchternsten Teilnehmenden werden richtig mutig. Sie erfinden sich richtig neu.

  • Werden Sie jemals aufhören zu reisen?

Nein, solange ich kann und mich die Jugendlichen so annehmen, wie sie es bisher tun, werde ich sicher nicht aufhören. Das ist meine Passion und meine Familie unterstützt das vollkommen.

Übersicht zu den EU-Angeboten

Als Entsendeorganisation fungiert in der Steiermark das "LOGO! Jugendmanagement" in Graz. Auf der Website gibt es weitere Infos zu den Jugendangeboten der EU. Bei "LOGO!" findet auch vierteljährlich die Veranstaltung "Fernweh" statt, bei der man sich zu kostenlosen Auslandsprogrammen informieren kann. 
Außerdem verweist Arthur Longin auf zwei anstehende Projekte, jeweils mit Anmeldefrist bis 26. Mai: "Bau eines Lerngartens in Altamura" und "Labyrinth-Garten und Permakultur".

Darüber hinaus gibt es für Personen, die sich informell weiterbilden wollen und mit Menschen zu tun haben wie beispielsweise Lehrer, kostenlose internationale Weiterbildungen in europäischen Hauptstädten. Eine Übersicht solcher Angebote gibt es im Veranstaltungskalender auf www.salto-youth.net

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