100 Jahre NÖ
Als das Waidhofner Kino der Treffpunkt schlechthin war
- Das Tonkino des Carl Knoll in den 30er Jahren.
- Foto: Privatarchiv Erwin Pöppl
- hochgeladen von Daniel Schmidt
Über 70 Jahre lang, von 1924 bis 1994 gab es in Waidhofen/Thaya ein Kino. Es war über Jahrzehnte ein beliebter Treffpunkt, kulturelles Zentrum und lange Zeit die einzige Möglichkeit "etwas von der Welt da draußen" zu erfahren.
WAIDHOFEN/THAYA. In der Bezirkshauptstadt ist der Begriff Kino mit der Familie Knoll-Willvonseder untrennbar verbunden, wie Stadtchronist Erwin Pöppl erklärt.
"Familie Willvonseder hat es in Linz zu Geld und Wohlstand gebracht und ist damit nach Waidhofen zurückgekehrt, hat für einige Jahre hier das Gasthaus Haberl gepachtet und 1908 das Haus Böhmgasse 20 erworben, das damals ein Gasthaus mit Tanzsaal („Brauhofsaal“) gewesen ist, wo das Bier der Waidhofner Brauerei Ziegengeist (bis 1924) ausgeschenkt wurde," so Pöppl über die Anfänge.
Das Ehepaar Willvonseder blieb kinderlos. Rosina Wais aus Jasnitz, mit Familie Willvonseder verwandt, heiratete Carl Knoll, Besitzer eines Wanderkinos aus Muckendorf bei Tulln. Dieses Ehepaar wurde von Familie Willvonseder adoptiert, damit kam auch das Kino in die Stadt. Es war in eben diesem ehemaligen Brauhofsaal untergebracht. Am 28. März 1924 wurde der Vertrag mit der Gemeinde Waidhofen geschlossen.
Die Ära Knoll beginnt
In den 1920er Jahren startete in Waidhofen die Zeit der Stummfilme, die mit Klaviermusik begleitet wurden. Das elektrische Klavier und ca. 100 Lochstreifen für das automatische Abspielen der Melodien sind heute im Besitz des Stadtmuseums.
Karl Knoll jun. erblickte am 22. Dezember 1929 das Licht der Welt und wächst in dieser Welt des Filme-Vorführens auf. Nach dem Besuch von Volksschule, Gymnasium (Maturajahrgang 1948/49) und einigen Semestern Technik-Studiums sowie eines HAK-Abiturientenlehrganges stieg er als Mitarbeiter seines Vaters in den Kinobetrieb ein.
40er und 50er Jahre
Die Außenansicht des Kinos, wie man es bis zum Abriss in den 90er Jahren kannte, stammte aus der NS-Zeit, in der die Nationalsozialisten das Kino neben dem „Volksempfänger“ als ideales Propagandamedium sahen. Ein Kino sollte ein „Palast“ sein, daher auch die Säulen (siehe Foto). Entsprechend den Vorgaben des Propagandaministeriums wurde das Gebäude umgebaut.
In den Jahren der Besatzungszeit mussten Carl und Sohn Karl Knoll gratis russische Filme zur Unterhaltung der Soldaten spielen und alle Filme von der sowjetischen Kommandantur genehmigen lassen.
Kino am Höhepunkt
Der Höhepunkt des Kinobesuches waren die späten 50er und die 60er Jahre, in der alle Kinos ständig „volles Haus“ melden konnten und es praktisch keine Konkurrenz in Sachen Freizeit und Unterhaltung gab. Gespielt wurde außer Dienstag täglich, am Wochenende mehrmals, bei hoher Nachfrage gab es am Sonntag vier Vorstellungen. Die nahe liegende Konditorei Schützner hat von diesem Boom mit profitiert. 23 Prozent des Umsatzes waren als Lustbarkeitssteuer an die Gemeinde abzuliefern. Da das TV noch in den Kinderschuhen steckte, hat die „Austria tönende Wochenschau“, die jede Woche neu erschien, die Funktion von „Zeit im Bild“ erfüllt.
Mit dem Aufstieg des Fernsehens mit Beginn der 70er sinkt der Besuch in den Kinosälen, mit Videoband und Videothek beginnt das allgemeine Kinosterben. "Die best besuchten Filme waren nach Aussage von Irmtraud Knoll „Der weiße Hai“ und „ET“ sowie der Klassiker „Vom Winde verweht“, erinnert sich Erwin Pöppl.
Das Ende
Im Frühjahr 1994 neigt sich die Ära des Waidhofner Kinos und des Karl Knoll dem Ende zu. Der letzte Film, den Karl Knoll vorgeführt hat, ist „Schindlers Liste“, der u. a. auch von vielen Schulklassen gesehen wurde. Drei Wochen später, am 9. Juli 1994 erliegt er seinem Krebsleiden.
Die Vorführapparate landeten danach bei einem Kärntner Filmklub, das Gebäude hat Irmtraud Knoll an die Stadtgemeinde verkauft. Heute steht der Volksbank-Komplex an der Stelle des ehemaligen Kinos, in dem Generationen von Waidhofnern und „Auswärtigen“ Unterhaltung und Spannung fanden und so mancher wird noch ein damaliges Monatsprogramm irgendwo zu Hause haben.
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