Zweitwohnsitze
Das "Wochenend-Waldviertel" ist wieder in Mode
Corona beschleunigt die Flucht aufs Land. Ein Trend, der viel Freude bereitet, aber auch seine Schattenseiten hat.
BEZIRK WAIDHOFEN. Der Ortskern von Thaya ist wunderschön: Die historischen Fassaden zeugen vom einstigen Reichtum der Schweinebarone. Von hier wurden das Schlachtvieh in der ganzen Monarchie verteilt - und viele in Thaya wurden reich. Das sieht man dem Ort heute noch an. Ein schöner Platz zum Leben also. Das denken sich auch viele Nebenwohnsitzer: 59 Personen haben sich im vergangenen Jahr Thaya als ihre zweite Heimat ausgesucht. Das entspricht einer Steigerung von 22 Prozent.
Zurück aufs Land
Während das Waldviertel und insbesondere der Bezirk Waidhofen dramatisch Einwohner verliert, steigt die Zahl der Zweitwohnsitzer seit Jahren massiv an. Die Coronapandemie hat diese Entwicklung noch beschleunigt. Sind die Zeiten schwer, zieht es die Menschen zurück aufs Land, wie exklusive Recherchen der Bezirksblätter ergaben. Aktuell sind wir "nur" noch 25.500 Einwohner in Waidhofen, was einem Rückgang von 5,1 Prozent entspricht. Jedoch stieg die Zahl der Zweitwohnsitzer quer durch den Bezirk im Schnitt um 9,5 Prozent.
Oft wir abschätzig von den "Wochenend-Waldviertlern" gesprochen, aber tatsächlich profitieren die Gemeinden ungemein von den Nebenwohnsitzern. Oft sind sie es, die das soziale Leben mitprägen und oft auch aufrecht erhalten, weil sie die Leitung im Sportverein übernehmen, sich in der Musikkapelle engagieren oder ehrenamtliche Tätigkeit beispielsweise in Büchereien ausführen und mit dem Dorferneuerungsverein im Frühjahr den Müll von den Straßen klauben. Dazu kommt, dass sie Liegenschaften pflegen und erhalten, die ansonsten wahrscheinlich verwildern und verfallen würden, was wiederum dem Ortsbild zugute kommt.
Die Auswahl an Wochend-Häusern wird aktuell schon eng, erklärt Thayas Bürgermeister Eduard Köck. "Wir merken, dass auch viele der kleinen Häuser sehr gefragt sind. Das hat sicher mit der Pandemie zu tun, dass viele aktuell einen Rückzugsort am Land suchen."
Jeder Dritte ist ein Nebenwohnsitzer
Finanziell sieht die Lage aber anders aus. Denn die Gemeinde bekommt Bedarfszuweisungen des Landes nur nach der Zahl der Hauptwohnsitzer. Das hat gravierende Auswirkungen, wie ein Blick nach Raabs zeigt: An der Perle des Thayatals leben erwartungsgemäß die meisten Zweitwohnsitzer - und zwar mittlerweile 1.068 bei einer Gesamteinwohnerzahl von 2.635. Das heißt: Jeder Dritte, den man am Wochenende auf der Straße trifft, ist eigentlich ein "Zuagroaßter".
Das freut den Bürgermeister trotzdem, denn so werden viele Grundstücke und Häuser wieder in Schuss gebracht, die früher als schwer verkäuflich gegolten haben. "Die Nachfrage steigt, das beobachten auch die Mitarbeiter im Rathaus", berichtet Rudolf Mayer (ÖVP) gegenüber den Bezirksblättern. Der Wunsch des Stadtoberhauptes: Dass zumindest ein Teil der Zweitwohnsitzer in den Ertragsanteilen berücksichtigt wird. "So gesehen hätten wir knapp 4.000 Einwohner wie damals in den 1970er-Jahren. Da wären wir nie Sanierungsgemeinde geworden." Dennoch freue man sich über jeden Wohnsitz, egal ob Vollzeit- oder Teilzeit-Raabser: "Die Leute genießen einfach die Lebensqualität."
Dieser Trend zum Wochenendhäuschen am Land ist nicht nur in Raabs und Thaya zu beobachten - durch die Bank verzeichnen die Gemeinden des Bezirks deutlich mehr Zweitwohnsitzer (siehe Grafiken). Zwar sind in den Daten auch ausländische Pflegekräfte enthalten, aber beim Großteil handelt es sich um Wochenendhäusler.
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