Strauss-Klassiker
Wien bringt "Zigeunerbaron"-Operette in neuer Fassung

- Ein Teil der Besetzung in der Neuadaption des Strauss-Klassikers, v.l.: Tobias Moretti, Miriam Kutrowatz und David Kerber.
- Foto: Victoria Nazarova
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Wien feiert 2025 das große Johann Strauss-Jubiläumsjahr. Da soll auch ein echter Operettenklassiker von Strauss aufgeführt werden. In der Originalfassung heißt er "Der Zigeunerbaron". Die Inszenierenden betonen jedoch, dass sowohl der Name problematisch als auch der Inhalt nicht mehr zeitgemäß ist. Kurzerhand wird daraus das Werk "Das Lied vom Rand der Welt" mit zahlreichen Anpassungen im Stück.
WIEN. Es ist eine Frage, die so alt ist, wie die Kunst wohl selbst: Wie sehr darf man in ein Originalwerk eingreifen? Vor allem, wenn es um echte Klassiker geht, diese aber nicht mehr zeitgemäß scheinen? Auch bei der Wien Holding war man zuletzt mit dieser Frage konzentriert. Denn 2025 wurde zum großen Johann Strauss-Jubiläumsjahr ausgerufen. Und dazu wird auch ein besonderes Operettenstück des großen Wiener Künstlers im Museumsquartier aufgeführt.
Es geht um die – im Originaltitel heißende – Operette "Der Zigeunerbaron". Das Stück ist ein Kind seiner Zeit, es wurde 1885 im Theater an der Wien uraufgeführt und spielt in der Ära von Maria Theresia. Im Originalskript dreht sich alles um die ungarischen Grenzlande der damaligen Habsburger-Monarchie. Von den Kriegen mit den Osmanen geprägt und verwüstet, muss der Pascha fliehen und seine kleine Tochter zurücklassen. Sie wird unter den sogenannten "Zigeunern" aufgenommen.

- Ottilie Collin und Antonia Hartmann in einer Szene aus der Operette "Der Zigeunerbaron" bei der Uraufführung im Theater an der Wien 1885.
- Foto: Österreichisches Theatermuseum / brandstaetter images / picturedesk.com
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Der junge Barinkay aus dem Adelsgeschlecht kehrt in die Grenzlande seiner Eltern zurück und sieht, dass etwa das Schloss seiner Familie von der Gruppe bewohnt wird. Ein Schweinezüchter nennt bereits die Besitztümer von Barinkay sein eigen. Um seine Ansprüche auf das Erbe geltend zu machen, soll er die junge Tochter des Paschas heiraten. Die akzeptiert jedoch nur einen Baron. Die "Zigeuner" akzeptieren ihn als ihren Herren. Es beginnt das Ringen von Barinkay, wieder zu alter Macht und Ruhm aufzusteigen. Parallel dazu gehen die brutalen Wirren von Krieg und Gewalt weiter. Auch gibt es Passagen, in denen die "Zigeuner" wüst beschimpft werden.
Überarbeitete Fassung
Am 25. März soll Strauss-Operettenklassiker im Museumsquartier aufgeführt werden. Doch das mit anderem Namen und inhaltlicher Adaptierung. Es ist die erste szenerische Eigenproduktion im Jubiläumsjahr und soll eine "künstlerische Transformation" des Originals sein, "die das Stück in einen heutigen Kontext stellt".
Roland Schimmelpfennig, der meistgespielte deutsche Gegenwartsdramatiker, will dem Werk eine neue erzählerische Perspektive verleihen. "Die berühmte Originaloperette von Johann Strauss ist musikalisch ebenso reizvoll wie inhaltlich problematisch. Angefangen beim Titel und einer verklärenden, historisierten Scheinfolklore in Bezug auf gleich mehrere Volksgruppen bis hin zur Kriegsverherrlichung", erklärt Schimmelpfennig.

- Roland Schimmelpfennig machte sich daran, das Originalstück in einen heute zeitgemäßen Kontext zu setzen.
- Foto: Jan Woitas / dpa / picturedesk.com
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"Aber der Stoff ist, unter dem Brennglas betrachtet, stark, in seiner atmosphärischen Dichte stellenweise fast dystopisch, ganz und gar untypisch für das, was man vielleicht sonst mit dem Genre 'Operette' verbindet", so der Dramatiker. "In einer versunkenen, untergegangenen Welt am Rand eines Großreiches begegnen sich eine Reihe von Außenseitern, von Gestrauchelten, Gescheiterten, Verlorenen, die verzweifelt ihr Glück zu machen suchen. Die Überschreibung nimmt die schon im Original angelegten Konflikte beim Wort und sucht einen vom historischen Kontext losgelösten, eigenen heutigen Ton." Und so kam es dann auch zu dem neuen Titel: "Das Lied vom Rand der Welt".
Auch an Liedern getextet
Der Übersetzungsvorgang macht sich an einigen Passagen bemerkbar. So wurde aus dem Schweinezüchter kurzerhand ein Fleischfabrikant – gespielt von Tobias Moretti. Aus den sogenannten "Zigeunern" des Originalstücks werden Stahlnomaden. Und aus den ungarischen Grenzlanden eine Sumpflandschaft am Rand der Welt.
Zur Aufführung der musikalischen Elemente wurde das Tiroler Kammerensemble Musicbanda Franui mit an Bord geholt. "Unser Zugang besteht darin, musikalische Werke nicht einfach zu überarbeiten oder zu modernisieren, sondern ihre verborgenen Schichten freizulegen und sie in unsere eigene Klangsprache zu übersetzen", erklärt Andreas Schett, künstlerischer Leiter der Musicbanda Franui.

- Des Künstlers Werk so anzupassen, dass es zeitgemäß ist, jedoch nicht seinen Charakter verliert. Das war die große Herausforderung, betont man.
- Foto: Cieslar
- hochgeladen von Richard Cieslar
Eine herausfordernde Arbeit bei der Neugestaltung, denn nicht nur der Sprech-, sondern auch der Gesangstext müssten teilweise adaptiert werden: "Mit den wunderbaren Sängerinnen und Sängern, Schauspielerinnen und Schauspielern und dem Arnold Schoenberg Chor gemeinsam schrauben wir an allen Stellen der Strauss’schen Partitur, nur die Melodielinien bleiben mehr oder wenig original", so Schett.
Vieles werde aber auch seinen Original-Charakter behalten, denn: "Schimmelpfennig hat das Stück an einen neuen Schauplatz geholt, die neue Geschichte ist so stark, dass auch die ursprünglich gesungenen Texte großteils geblieben sind. Der sogenannte 'Zigeunerbaron' wird damit übermalt und verliert trotzdem seine Kernaussage nicht".
"Wie eine Fliegerbombe"
Als Regisseur für das Stück wurde der designierte Schauspieldirektor des Salzburger Landestheaters Nuran David Calis gewonnen. Er ist bekannt für seine sozialkritischen Inszenierungen, die Themen wie Migration, Jugendprobleme, Flucht und Religionssuche behandeln.

- David Kerber wird die Hauptrolle des Sándor Barinkay übernehmen.
- Foto: David Kerber
- hochgeladen von Ricarda Stengg
Mit der Anpassung des "Zigeunerbaron" befasst sich Calis erstmals mit dem Genre: "Operetten behandeln im Kern stets tiefgreifende soziale Fragen. Da ich aus dem Sprechtheater komme und es mir ein Anliegen ist, politische Themen aufzugreifen und gesellschaftliche Verhältnisse zu hinterfragen, fühlte ich mich von Anfang an mit dieser Aufgabe und Auseinandersetzung sehr verbunden", versichert Calis.
Er stellt jedoch genauso klar: "Ein Stück wie der 'Zigeunerbaron' ist schon beinahe wie eine Fliegerbombe, wenn man ganz unbedacht an dieses Werk rangeht. Aber von Anfang an war der künstlerischen Leitung des Festjahres Roland Geyer bewusst, dass man drumherum Künstlerinnen und Künstler positionieren muss, die wirklich extrem geistesgegenwärtig sind und die auch so ein Werk anfassen und es in ein gegenwärtiges Spannungsfeld hineintragen können. Auch bei meinem ersten Gespräch mit Roland Schimmelpfennig war uns sofort klar, dass wir die soziale Frage, den sozialen Sprengstoff, der in diesem Werk steckt, herausheben müssen."
Die Neufassung "Das Lied vom Rand der Welt" feiert am 25. März Premiere. Es folgen weitere Inszenierungen am 27. bzw. 30. März sowie am 1. und 3. April. Beginnzeit ist jeweils um 19 Uhr, die Einführung jeweils um 18.15 Uhr im Foyer.
Die Besetzung:
- David Kerber, Bárinkay
- Nadja Mchantaf, Saffi
- Helene Schneiderman, Czipra
- Tobias Moretti, Zsupán
- Miriam Kutrowatz, Arsena
- Miriam Maertens, Mirabella
- Paul Schweinester, Ottokar
- Otto Katzameier, Graf Homonay
- Samouil Stoyanov, Carnero
- Andreas Schett, Musikalische Leitung
- Anna Sushon, Dirigat
- Nuran David Calis, Regie & Video
- Anne Ehrlich, Bühne
- Anna Sünkel, Kostüme
- Bernd Purkrabek, Licht
- Clara Bender, Dramaturgie
- Musicbanda Franui & Strings
- Arnold Schoenberg Chor (Ltg.: Erwin Ortner)
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