Die U6 im Fokus
Wiener Alltagspoet Andreas Rainer veröffentlicht neues Buch
Andreas Rainer wurde mit seinem Instagram-Account "Wiener Alltagspoeten" österreichweit bekannt, über 177.000 Menschen folgen dieser Seite. Jetzt hat er ein Buch geschrieben – über Wiens bekannteste U-Bahn-Linie, die U6.
WIEN. Die U6 durchkreuzt in Wien mehr Bezirke, als sie nicht durchfährt. Insgesamt 13 Bezirke liegen an der U6. "Wer wissen möchte, wie Österreichs Hauptstadt wirklich lebt, atmet und riecht, der muss nur einsteigen und mitfahren", schreibt Andreas Rainer über die berühmt-berüchtigte U-Bahnlinie in seinem neuen Buch "Der Wiener Alltagspoet fährt U6".
Bekannt wurde Rainer mit seinem Instagram-Blog "Wiener Alltagspoeten". Darauf teilt er lustige, traurige, jedenfalls aber einprägsame Zitate von Wienerinnen und Wienern, die im Alltag fallen.
Nun erscheint Rainers neues Buch, worin er sich exklusiv der U6 widmet. Die BezirksZeitung hat ihn vorab zum Interview getroffen.
BezirksZeitung: Herr Rainer, was mögen Sie so gern an der U6?
Andreas Rainer: Ich habe sie immer spannend gefunden, weil sie so viel oberirdisch fahrt. Und ich habe es immer total lässig gefunden, aus dem Fenster rauszuschauen. Das machen eh viele gern. Aber ich mag es wahnsinnig gern.
Was ist der Unterschied zwischen Ihrem Buch und Ihrem Instagram-Account?
Rainer: Die Idee vom Projekt der Wiener Alltagspoeten ist es, die Stimmen der Stadt einzusammeln. Da veröffentliche ich auch die Stimmen von anderen Menschen, die mir Zitate zusenden. Im Buch ist es mehr meine eigene Stimme. Das ist eine andere Facette.
Und warum jetzt der Fokus auf die U6?
Rainer: Die U6 bietet einen wahnsinnig schönen Querschnitt von Wien. Wenn du einmal von einer Endstation zur anderen fährst, hast du mehr erlebt, als wenn du zwei Tage durch den ersten Bezirk spazierst und dir das Sissi-Museum anschaust.
Machen Sie das auch in anderen Städten, dieses Dasitzen und beobachten?
Rainer: Ja. Ich schau mir eigentlich keine Sehenswürdigkeiten laut Reiseführern an. Ich mach das auch in Paris so, dass ich mich in ein Café setze und einfach Leuten zuschaue.
Und wenn Sie die Sprache nicht verstehen?
Rainer: Auch dann. Mich interessieren die Menschen. Das ist das, was mich an einer Stadt am meisten reizt. Klar, auch eine Kirche kann schön sein. Aber es ist irgendwie nicht das echte Leben. Wenn ich mir den Buckingham Palace in London anschaue, ist das genauso ein Disneyland wie wenn ich im 1. Bezirk den Stephansdom besuche.
Apropos "echtes Leben": Im Buch beschreiben Sie etwa viele Szenen aus Gürtellokalen. Haben Sie sich da in Ihrer Jugend oft herumgetrieben?
Rainer: Ja, das ist quasi autobiografisch. Das leiwande an den Gürtellokalen ist, dass es ein regelfreierer Raum ist. Wien ist eine Stadt, die ja nach strengen Regeln funktioniert. Es gibt Sperrstunden, man darf nicht laut sein. Wenn du im Gastgarten zwei Minuten länger sitzt als erlaubt, stampert dich der Keller schon an. Verständlich: Die haben Angst, dass die Oma oder der Opa oben eine Anzeige macht.
Und wie ist das am Gürtel?
Rainer: Die Gürtellokale bilden eine Insel zwischen dem stark befahrenen Gürtel. Da schaute man nie so genau hin, da war alles wurscht. Du konntest so laut sein, wie du wolltest. Man hat immer das Gefühl gehabt, da kann was passieren, da ist was los. Wenn es in einem Lokal fad ist, gehst du weiter und sitzt am nächsten.
Während der Corona-Pandemie ging da natürlich einiges verloren...
Rainer: Irgendwann während eines Lockdowns spazierte ich die Gürtelbögen entlang, vorbei an all diesen geschlossenen Lokalen. Das war total trist. Diese Orte sind bei Tageslicht und ohne Menschen nicht gerade die schicksten Lokalitäten. Vor zwei Jahren gab es da jeden Tag Halligalli, vor allem am Wochenende. Und dann war das komplett tot. Aber jetzt geht’s wieder los. Ich war letztens einmal wieder im Chelsea, und das war komplett voll.
Das Buch besteht aus vielen Kurzgeschichten aus Ihrem Leben, Sie erleben dabei viel alleine. Einmal besuchen Sie Alterlaa, ein anderes Mal belauschen Sie ein Gespräch nahe der Neuen Donau. Ist das Ihr Leben als Alltagspoet?
Rainer: Ich wünschte, ich könnte ja sagen, weil es so romantisch klingt. Schau, die Geschichten sind im Lauf von zehn, fünfzehn Jahren gesammelt. Als Student war ich ein klassischer Kaffeehaussitzer, bin aber zum Beispiel auch stundenlang an der Donau gesessen. Ich mach das jetzt noch leidenschaftlich gern, aber habe leider nicht mehr viel Zeit dafür. Deshalb werden auch bei den "Wiener Alltagspoeten" sehr viele Einsendungen von meinen Followern veröffentlicht. Ich kann nicht den ganzen Tag herumfahren kann und warten, bis etwas passiert.
Wie oft fahren Sie selbst mit der U6?
Rainer: Es gibt keine Woche, in der ich nicht mit ihr fahre. Im Sommer fahre ich wirklich fast jeden Tag U6, wenn es sich irgendwie ausgeht: Ich fahre nämlich gern von meiner Wohnung in Hietzing zur Donau. Da muss ich zur U6-Station Neue Donau. Das ist auch der Ort, wo die erste Geschichte meines Buchs spielt. Bewusst setze ich mir dabei nie Kopfhörer auf. Sich aus allem ausklinken und abschalten, das wäre dann schließlich doch nicht der Alltagspoet.
Zum Buch
Rainer erzählt in "Der Wiener Alltagspoet fährt U6" Kurzgeschichten und Beobachtungen aus seinem Leben, die er entlang dieser Lebensader Wiens sammelte. Das Buch erscheint am 21. März im Verlag story.one.
Am Freitag, 25. März, ab 19:30 präsentiert Andreas Rainer sein Buch außerdem im Thalia an der Mariahlfers Straße 99 (1060).
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