Frauenhäuser Wien
Axt-Femizid – "Der gefährlichste Ort ist eigenes Zuhause"

Am Dienstag, 11. Juni 2024, wurde in Wien der sechste Femizid des Jahres begangen. | Foto: MAX SLOVENCIK / APA / picturedesk.com
4Bilder
  • Am Dienstag, 11. Juni 2024, wurde in Wien der sechste Femizid des Jahres begangen.
  • Foto: MAX SLOVENCIK / APA / picturedesk.com
  • hochgeladen von Johannes Reiterits

Dienstagabend wurde in Floridsdorf der mittlerweile sechste Femizid des heurigen Jahres in Wien begangen. Ein 26-Jähriger tötete seine vier Jahre jüngere Mitbewohnerin mit einer Axt. Der Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser (AÖF) aus Wien nimmt die Politik in die Pflicht.

WIEN/FLORIDSDORF. Im 21. Bezirk haben sich am Dienstag brutale Szenen abgespielt. Zunächst tötete ein 26-jähriger rumänischer Staatsbürger seine Mitbewohnerin. Die vier Jahre jüngere Frau war gerade in einem Videocall, als er sich Zugang zum Zimmer verschaffte und mit der Attacke begann.

Als die Polizei nach der Alarmierung rasch am Einsatzort angelangt war, hielt sich der Mann bereits auf der offenen Straße auf. Weiterhin mit der Axt bewaffnet randalierte er halb nackt, ging auch auf die eingetroffenen Beamten los. Da deren Leben selbst in Gefahr war, entschied man sich zur Schussabgabe. Diese endeten für den Täter tödlich. MeinBezirk.at hat Videoaufnahmen von der Szenerie auf offener Straße:

Videos zeigen Axt-Täter auf offener Straße in Floridsdorf

Es ist der mittlerweile sechste Femizid in diesem Halbjahr 2024 in der Bundeshauptstadt. Bundesweit ist es sogar bereits die 11. solche Tat. Die Autonomen Österreichischen Frauenhäuser (AÖF) führen Statistik zu den Fällen und kümmern sich auch um Frauen, die Opfer von Gewalt werden könnten bzw. bereits wurden. Maja Markanović-Riedl von der Geschäftsführung der AÖF zeigt sich im Interview schockiert.

Täter kennt man meist

MeinBezirk.at: Frau Markanović-Riedl, wie nehmen Sie diese Tat in Floridsdorf wahr?
MAJA MARKANOVIĆ-RIEDL: Jeder Mord an einer Frau ist einer zu viel. Mit den fünf Femiziden innerhalb von 24 Stunden Ende Februar wurden in Wien in diesem Jahr schon so viele Femizide wie im gesamten letzten Jahr verübt. Insgesamt gab es 2024 in Österreich laut Medienberichten bis dato 11 Femizide und 25 Fälle schwerer Gewalt an Frauen.

Es ist der bereits sechste Femizid in Wien. Wie sehen die AÖF die Sicherheitslage für Frauen speziell in Wien?
MARKANOVIĆ-RIEDL: Der gefährlichste Ort für Frauen ist nicht der viel zitierte dunkle Park, sondern das eigene Zuhause. Der Täter bei Gewalt an Frauen ist laut Statistik in den meisten Fällen keine anonyme Person, sondern vielfach ein Mann, der eine Beziehung zu der betroffenen Frau hat oder hatte, wie (Ex-)Partner, ein Verwandter oder Bekannter.

Der Tathergang ist weitgehend rekonstruiert. Das Motiv einen Tag nach dem Mord jedoch noch völlig unklar. | Foto: MAX SLOVENCIK / APA / picturedesk.com
  • Der Tathergang ist weitgehend rekonstruiert. Das Motiv einen Tag nach dem Mord jedoch noch völlig unklar.
  • Foto: MAX SLOVENCIK / APA / picturedesk.com
  • hochgeladen von Barbara Schuster

Darüber hinaus kommt es bei Gewalt an Frauen seitens der Gesellschaft nach wie vor viel zu oft zu einer Täter-Opfer-Umkehr: Der Frau wird indirekt die Schuld an der Tat gegeben, weil sie sich "falsch" verhalten habe, weil sie sich trennen wollte, etc. – jedoch gibt es keine Rechtfertigung für Gewalt an Frauen.

Prävention durch Medien, Schulen, etc.

Was braucht es, um solche Taten verhindern zu können?
MARKANOVIĆ-RIEDL: Gewalt an Frauen ist kein Familiendrama, es ist kein Privatproblem! Hier sind auch die Medien und ihre Berichterstattung in die Pflicht zu nehmen. Daher sehen wir als wichtigsten Punkt die Prävention, wie z.B. durch österreichweit flächendeckende Gewaltpräventionsworkshops in Schulen und Bildungseinrichtungen.

Gewalt an Frauen darf nicht mehr normalisiert und somit kleingeredet werden. Durch Bildung, Sensibilisierung und die aktive Einbeziehung aller Gesellschaftsschichten können wir gemeinsam an der Verbesserung der Sicherheit von Frauen arbeiten. Denn alle Frauen und Kinder haben ein Recht auf ein gewaltfreies Leben.

Maja Markanović-Riedl nimmt auch die Medien in Sachen Präventionsarbeit in die Pflicht. (Symbolfoto) | Foto: Weingartner-Foto / picturedesk.com
  • Maja Markanović-Riedl nimmt auch die Medien in Sachen Präventionsarbeit in die Pflicht. (Symbolfoto)
  • Foto: Weingartner-Foto / picturedesk.com
  • hochgeladen von Johannes Reiterits

Gibt es nach der brutalen Attacke von gestern konkrete Forderungen auch an die Politik?
MARKANOVIĆ-RIEDL: Im Prinzip haben wir in Österreich gute Gesetze im Bereich Gewaltschutz, jedoch gibt es grundsätzlich Verbesserungsbedarf in der Anwendung und Umsetzung. Wir brauchen zur Bekämpfung von geschlechtsspezifischer Gewalt seitens der Politik eine österreichweite, umfassende Gesamtstrategie.

Grundsätzlich umfasst diese eine langfristige und gesicherte Finanzierung von niederschwelliger, mehrsprachiger Beratung und Begleitung von Gewalt betroffenen Frauen und ihren Kindern. Es braucht mehr Nachbetreuungsangebote und leistbaren Wohnraum für Frauen nach einem Frauenhausaufenthalt.

Hilfe suchen bei Gewalt

Was können Frauen tun, die vielleicht schon Gewalt in der Privatsphäre miterleben mussten?
MARKANOVIĆ-RIEDL: Frauen, die das Gefühl haben, dass ihnen gerade Gewalt angetan wird oder wurde – egal ob physische, psychische, ökonomische, sexualisierte Gewalt, Belästigung, Stalking oder Gewalt im Internet – können sich anonym und vertraulich bei der Frauenhelpline unter der Nummer 0800 222 555 melden. Die Frauenhelpline bietet an 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr, österreichweit, anonym und kostenlos Hilfe und Beratung für alle Frauen und Mädchen. Ebenso können sich Frauen und Mädchen an den HelpChat "Halt der Gewalt" wenden. haltdergewalt.at bietet eine kostenlose, rasche, unbürokratische, anonyme und vertrauliche Hilfestellung an. Der HelpChat wird täglich von 18 bis 22 Uhr sowie jeden Freitag von 9 bis 23 Uhr von einem mehrsprachigen Beratungsteam betreut.

Frauen, welche von Gewalt in irgendeinder Form betroffen sind, können sich unter anderem bei der Frauen-Helpline melden und so Hilfe finden.(Symbolbild) | Foto: Pexels / Anete Lusina
  • Frauen, welche von Gewalt in irgendeinder Form betroffen sind, können sich unter anderem bei der Frauen-Helpline melden und so Hilfe finden.(Symbolbild)
  • Foto: Pexels / Anete Lusina
  • hochgeladen von Sandra Koeune

Besonders wichtig ist mir zu betonen, dass Frauen und Mädchen sich auch melden können, wenn sie sich unsicher sind, ob sie an der richtigen Stelle sind oder Fragen bezüglich möglicher Gewaltsituationen haben. Ebenso können sich Personen im Umfeld von betroffenen Frauen, wie Angehörige, Nachbar*innen oder Arbeitskolleg*innen an die Frauenhelpline wenden.

Hilfe für gewaltbetroffene Frauen und Mädchen

24-Stunden-Frauennotruf: 01/12 345

24-Stunden-Frauennotruf der Wiener Frauenhäuser: 05 77 22

Frauenhelpline: 0800/222 555

Droht akute Gewalt, Polizeinotruf unter 133 oder 112. Gehörlose und Hörbehinderte können per SMS an 0800/133 133 Hilfe rufen.

Alles zu dem Fall:

Frau rief per Videocall um Hilfe, während Angriff begann
Sechster Wiener Femizid in sechs Monaten, Ermittlungen laufen
Mann ging mit Axt auf Polizisten los - erschossen
Frauenleiche entdeckt - Verdächtiger von Polizei erschossen
Am Dienstag, 11. Juni 2024, wurde in Wien der sechste Femizid des Jahres begangen. | Foto: MAX SLOVENCIK / APA / picturedesk.com
Der Tathergang ist weitgehend rekonstruiert. Das Motiv einen Tag nach dem Mord jedoch noch völlig unklar. | Foto: MAX SLOVENCIK / APA / picturedesk.com
Maja Markanović-Riedl nimmt auch die Medien in Sachen Präventionsarbeit in die Pflicht. (Symbolfoto) | Foto: Weingartner-Foto / picturedesk.com
Frauen, welche von Gewalt in irgendeinder Form betroffen sind, können sich unter anderem bei der Frauen-Helpline melden und so Hilfe finden.(Symbolbild) | Foto: Pexels / Anete Lusina

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

UP TO DATE BLEIBEN


Hier gehts zu den aktuellen Nachrichten aus Wien

Breaking News als Push-Nachricht direkt aufs Handy

MeinBezirk auf Facebook

MeinBezirk auf Instagram

MeinBezirk auf Twitter

MeinBezirk auf WhatsApp

ePaper jetzt gleich digital durchblättern

Storys aus deinem Bezirk und coole Gewinnspiele im wöchentlichen MeinBezirk.at-Newsletter


Anzeige
Foto: Bestattung Himmelblau
10

Himmelblau Bestattung
Dem Tod im Leben seinen Platz einräumen

Die eigene Sterblichkeit - ein Thema, das zunächst unangenehm wirken mag, das man gerne zur Seite schiebt und das bis heute als gesellschaftliches Tabu verankert ist. Bis man plötzlich damit konfrontiert wird. Ein geliebter Mensch stirbt, eine Pandemie wirft jahrelang Fragen über Gesundheit und Tod auf, Angehörige erkranken und beginnen ihren Abschied vorzubereiten. Die eigene Vergänglichkeit tritt vermehrt in unser Bewusstsein. Österreichs größtes privates Bestattungsunternehmen Himmelblau...

  • Wien
  • Unternehmen im Blickpunkt

Video einbetten

Es können nur einzelne Videos der jeweiligen Plattformen eingebunden werden, nicht jedoch Playlists, Streams oder Übersichtsseiten.

Abbrechen

Karte einbetten

Abbrechen

Social-Media Link einfügen

Es können nur einzelne Beiträge der jeweiligen Plattformen eingebunden werden, nicht jedoch Übersichtsseiten.

Abbrechen

Code einbetten

Funktionalität des eingebetteten Codes ohne Gewähr. Bitte Einbettungen für Video, Social, Link und Maps mit dem vom System vorgesehenen Einbettungsfuntkionen vornehmen.
Abbrechen

Beitrag oder Bildergalerie einbetten

Abbrechen

Foto des Tages einbetten

Abbrechen

Veranstaltung oder Bildergalerie einbetten

Abbrechen

Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.