Austria Center Vienna
Der Weltkongress der Sojaforschung tagt in Wien
Eine kleine Hülsenfrucht, die für viel Aufruhr sorgt: die Sojabohne. Gesund oder nicht? Klimaschädlich oder nachhaltig? Von 18. bis 23. Juni steht die Nutzpflanze im Fokus, denn im Austria Center Vienna findet der 11. Weltkongress der Sojaforschung statt.
WIEN/DONAUSTADT. Eine Bohne, viele Meinungen - wenn es um Soja geht, dann scheiden sich die Geister. Es ist ein vielseitig einsetzbares Nahrungsmittel, allerdings werden große Teile des Regenwaldes abgeholzt, um Soja-Plantagen anzulegen. Beim 11. Weltkongress der Sojaforschung (World Soybean Research Conference) wird die kleine Bohne aus allen Perspektiven beleuchtet.
Dieser Kongress findet von 18. bis 23. Juni im Austria Center Vienna im 22. Bezirk (Bruno-Kreisky-Platz 1) statt. In über 20 Plenarsitzungen wird hier unter anderem über die Genetik oder den Anbau von Soja diskutiert. Weitere Themen sind zum Beispiel Schädlinge und Krankheiten beim Pflanzenanbau, Agrartechnologie, landwirtschaftliche Systeme und der europäische Markt, Soja als Futtermittel sowie als Ernährung der Weltbevölkerung.
Eröffnet wird der 11. Weltkongress der Sojaforschung unter anderem von Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) sowie Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP). Professor der BOKU (Universität für Bodenkultur) Johann Vollmann ist Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats und erforscht Soja bereits seit über 30 Jahren.
"Die Sojabohne ist eine ambivalente Pflanze. Sie ist Klimakiller und Hoffnungsträger zugleich. Als einer der Gründe für die Abholzung des Regenwaldes ist sie Täter. Als Nahrungsmittel ist sie Teil der Lösung und ein Schlüssel zur Ernährungswende", so Vollmann.
Künftige Ernährung der Weltbevölkerung
Beim Kongress stehen vor allem die Überlegungen zur künftigen Ernährung der Weltbevölkerung im Vordergrund. Die Richtung dabei ist klar: Weg vom Futtermittel, hin zum Nahrungsmittel. Derzeit würden jedoch noch über 90 Prozent des weltweit angebauten Sojas für die Tierfütterung verwendet, erläuterte Vollmann in einem Gespräch mit der APA.
Wien ist die erste europäische Stadt, die für diesen Kongress als Austragungsstätte gewählt wurde. Dies ist jedoch kein Zufall. Bereits bei der Wiener Weltausstellung im Jahr 1873 wurde die Hülsenfrucht vor europäischem Publikum präsentiert. In der Sammlung des Weltmuseums Wien befindet sich noch heute eine Truhe mit Exponaten.
Damals begann der erste Pflanzenbau-Professor der Universität für Bodenkultur (BOKU), Friedrich Haberlandt (1826-1878), seine Forschungen. 150 Jahre später hütet Vollmann am Universitäts- und Forschungszentrum Tulln nicht nur Sojabohnen, die einst noch von Haberlandt persönlich geerntet wurden, sondern 3.000 verschiedene Genotypen dieser Hülsenfrucht. Nach den klassischen Methoden von Gregor Mendel wird versucht, aus der Sojabohne noch mehr herauszuholen.
Ackerpflanze mit der viertgrößten Anbaufläche
In Österreich erkannte man bereits früh, dass es sich bei Soja um eine vielversprechende Pflanze handelt. Dies geriet zwischendurch jedoch in Vergessenheit. Erst im 21. Jahrhundert begann eine Trendwende, die sich auch auf hiesigen Äckern bemerkbar macht. Mit 90 bis 100.000 Hektar sei Soja nach Weizen, Mais und Gerste bereits die Ackerpflanze mit der viertgrößten Anbaufläche in Österreich, schildert Vollmann.
Dank einiger einschlägigen Verarbeitungsbetriebe gelangt fast die Hälfte der heimischen Sojaproduktion in Lebensmittel. "Es gibt heute über 30.000 moderne Lebensmittelrezepturen, die Soja enthalten - vom Sojadrink über Schokolade bis zur Tiefkühlpizza."
2012 wurde die Plattform "Donau Soja" gegründet. Diese machte es sich zum Ziel, die Sojabohne im europäischen Raum populärer zu machen. Heute hat die Organisation über 300 Mitglieder, neben der Wiener Zentrale drei Lokalbüros in Serbien, der Ukraine und Moldawien sowie eine Repräsentanz in Rumänien. Außerdem ist sie Mitveranstalter des Weltkongresses und eine Forschungsplattform.
In den von "Donau Soja" ausgestellten Zertifikaten wird belegt, dass die verwendeten Sojabohnen nicht auf Flächen angebaut wurden, die durch Rodung gewonnen wurden, gentechnikfrei sind, ohne bestimmte Pflanzenschutzmittel auskamen und dabei auch die Standards des Arbeiterschutzes eingehalten wurden. "80 bis 90 Prozent der österreichischen Eier haben so ein Zertifikat, weil den Hühnern entsprechendes Soja verfüttert wurde", erklärt der Experte.
Großer Wasserverbrauch
Hierzulande sei die Sojabohne als subtropische Pflanze zwar "ein Profiteur des Klimawandels", habe mit ihrem großen Wasserverbrauch laut Vollmann jedoch einen Nachteil. Die größten europäischen Anbauflächen befinden sich in der Po-Ebene Italiens und werden künstlich bewässert.
"Wenn es hierzulande etwa im Marchfeld immer trockener wird, bekommt auch die Sojabohne ein Problem." Dabei verfüge die Sojabohne über ein klimabilanztechnisch unschlagbares Asset: Sie stellt den Stickstoff, den sie zur Düngung braucht, selbst her. Verantwortlich dafür sind Knöllchenbakterien, die mit Hülsenfrüchtlern in Symbiose leben, an den Wurzeln den Stickstoff der Luft binden und die Pflanzen damit versorgen.
"Geschmack kann man lernen"
Auch sonst sei Soja mehr als konkurrenzfähig, schildert der Forscher. Bei Mais könne man mit entsprechender Düngung zwar dreimal so viel Ertrag erreichen, der Proteinanteil der Sojabohne sei jedoch mehr als dreimal so hoch. Soja ließe sich deutlich effizienter einsetzen als bei der Verfütterung - zumal der Fleischkonsum in Österreich noch immer mehr als doppelt so hoch sei als das EU-Ziel von 25 kg pro Kopf und Jahr. 40 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen aus Tierhaltung stehen mit Soja in Verbindung.
Schlüsselfaktoren der Ernährungswende sind Geschmack und Akzeptanz. "Geschmack kann man lernen und weiterbilden", sagt Vollmann und verweist etwa auf Kichererbsen, die in Österreich noch vor 20 Jahren ein Exotikum waren und heutzutage in Salat, Falafel oder Humus bereits selbstverständlicher Bestandteil der mitteleuropäischen Küche seien.
Auch die Lebensmittelproduktion macht Fortschritte. "Vor 30 Jahren haben auch mir die meisten Sojaprodukte nicht geschmeckt. Das ist viel besser geworden." Einer der Schlüssel dafür ist, durch Züchtungen zu versuchen, den natürlichen Zuckergehalt der Sojabohne zu erhöhen - was etwa die grüne Edamame-Bohne auch in Europa zu einem attraktiven Lebensmittel gemacht hat.
Einmal bitte durchprobieren
In der "Langen Nacht der europäischen Soja" werden sich am 19. Juni im Weltmuseum Wien an die 30 Hersteller von Sojaprodukten präsentieren und ein Soja-Büffet anbieten. "Man kann sich durch die ganze Palette durchkosten", verspricht Vollmann, der beim Kongress auch selbst als Vortragender in Erscheinung tritt.
Er spricht etwa über den Einsatz von Drohnen beim Soja-Anbau oder vom Anti-Aging-Wirkstoff Spermidin, dessen Gehalt in der Sojabohne besonders hoch ist. Eines der dümmsten Dinge sei es aus Vollmanns Sicht, dieses wertvolle Nahrungsmittel als Tierfutter zu verwenden. "In Soja steckt ein gewaltiges Potenzial."
Mehr Infos zum Kongress erhältst du hier.
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