8. und 9. Bezirk
Ein botanischer Spaziergang vom Schönbornpark ins Alte AKH
Gemeinsam mit ihrer Kollegin Cristina-Estera Klein bietet Birgit Lahner "Botanische Spaziergänge" in Wien an. Zusammen mit der BezirksZeitung begab sich Lahner nun auf eine Entdeckungstour in zwei Bezirke, die nicht für ihre üppige Vegetation bekannt sind: die Josefstadt und den Alsergrund.
WIEN/JOSEFSTADT/ALSERGRUND. Im Schönbornpark stehen viele schöne Bäume – aber einer sticht aus dem Ensemble hervor. Unweit des Steinbrunnens, gleich an der Straßenseite zur Langen Gasse, steht ein ehrwürdiger Baum samt einem gelben Schild mit der Nummer 645. Seine üppige Krone mit prallen Blättern wird von einem dicken Stamm mit einer knorrigen Rinde getragen.
"Das ist eine besonders schöne Sommerlinde", erklärt Botanik-Expertin Birgit Lahner: "Sie ist eines der seltenen Naturdenkmäler im 8. Bezirk." Denn die Josefstadt hat nur fünf solcher geschützten Objekte. Zum Vergleich: im Flächenbezirk Hietzing gibt es gleich 66 davon.
Ein Naturdenkmal ist dabei laut Definition der Stadt Wien ein "Naturgebilde" wie Bäume, Felsen, Gewässer oder seltene Tier- oder Pflanzenarten. Durch den Bescheid einer Naturschutzbehörde werden sie zum "Naturdenkmal" erklärt und genießen dadurch einen besonderen Schutz und können nicht mehr so einfach entfernt werden. Sprich: das Ganze ist eine Art Denkmalschutz für Pflanzen.
Linden von Hitze bedroht
"Linden können normalerweise bis zu 1.000 Jahre alt werden", erklärt Lahner: "Allerdings tut ihnen das aktuelle Klima nicht gut." Denn Sommerlinden vertragen Trockenheit und Hitze genauso wenig wie stark verdichtete Böden und Luftschadstoffe – die Lebensbedingungen werden durch das sich verändernde Klima ungünstiger für die Baumart. "Manche exotischen Gehölze tun sich hier etwas leichter", so Lahner. Daher werden Sommerlinden nicht mehr so häufig gepflanzt, was natürlich das Exemplar im Schönbornpark umso besonderer macht.
Lahner hat zusammen mit Cristina-Estera Klein das Buch "Botanische Spaziergänge: 11 Routen durch die Welt der Wiener Pflanzen und ihre Geschichte" geschrieben und bietet jetzt entsprechende Touren in Wien an. Dabei lernt man nicht nur viel über die Biologie dessen, was am Boden der Großstadt so wächst und gedeiht, sondern auch einiges über die Kulturgeschichte der Pflanzen.
Gift zum Schutz vor Dinos
So erspäht Lahner zum Beispiel im Schönbornpark eine Eibe, sie steht gleich neben einem Ballsport-Käfig. "Eiben sind sehr giftige Gehölze", sagt Lahner: "Das kommt daher, dass sich Eibengewächse im Zeitalter der Dinosaurier zu entwickeln begonnen haben." Um damals die großen Tiere auf Distanz zu halten, bildeten sie recht starke Giftstoffe aus. "Auch die von einem roten Samenmantel umschlossenen Kerne sind äußerst gefährlich", sagt Lahner.
Ungefähr so läuft also ein botanischer Spaziergang also ab: man geht mit offenen Augen durch Wien und erhält Erklärungen über diese und jene Pflanze, die am Wegrand, im Park oder sonst wo auffällt.
Und so macht sich Lahner mit dem Redakteur der BezirksZeitung von der Sommerlinde und der Eibe im Schönbornpark in Richtung des Alten AKH auf, wo man gleich nochmal an einem Eibengewächs vorbeikommt. Da fällt Lahner gleich noch eine Anekdote ein: "Eiben wuchsen früher viel häufiger in den Wäldern rund um Wien. Aber ihre Bestände gingen im ausgehenden Mittelalter stark zurück."
Langbögen führten zum Eiben-Rückgang
Warum? Weil damals die besonders durchschlagskräftigen englischen Langbögen in Mode kamen und das Eibenholz für diese elastischen Waffen besonders gut geeignet war. "Das Holz wurde daher in großen Mengen auf die Britischen Insel exportiert", so Lahner. Ganze Eiben-Haine dürften um Wien dafür abgeholzt worden sein. In der Stadt findet sich die Eibe allerdings noch häufig, da das immergrüne Gehölz als Parkbepflanzung sehr beliebt ist.
Lahner weiß aber natürlich auch viel über unscheinbarere Pflanzen zu berichten – so etwa über diverse kleine Blümchen am Boden. Am Rande eines Weges unweit des Narrenturms erspäht sie so etwa eine kleine, gelbe Blüte.
Eine Symbiose zwischen Mensch und Blume
"Eine Nelkenwurz", so Lahner: "Botanisch heißt die Pflanze Geum urbanum." Der lateinische Ausdruck ist in diesem Fall wichtig, weil das Wort "urbanum" auf das urbane Umfeld hinweist, in dem die Pflanze besonders gut wächst. Die Nelkenwurz hat sich nämlich auf mehrere Arten den Menschen angepasst.
"Die Samen der Nelkenwurz bleiben mit feinen Haken an Kleidungsstücken oder Tierfell hängen und verbreiten sich so", erklärt Lahner. Auch gedeiht die Pflanze besonders dort gut, wo sie viel Stickstoff im Boden findet – und gerade den produzieren menschliche Siedlungen im Übermaß.
"Zum Beispiel kommt Stickstoff in die Böden, wenn Menschen ihre Hunde Gassi führen", erklärt Lahner. Die Nelkenwurz ist daher auch eine "Zeigerpflanze" für Gebiete, in denen es besonders viel Stickstoff gibt. Für Lahner ist das an Wiens städtischer Botanik das Spannende: "Man sieht, wie alles zusammenhängt. Pflanzen passen sich an die Menschen an und spiegelt sie in ihrer Lebensweise."
Gänseblümchen als des Menschen Gefolge
Ein Beispiel dafür ist ausgerechnet ein Gänseblümchen, das auf dem Boden des Alten AKH gedeiht und Lahner beim Vorbeigehen gleich auffällt. Dieses brauche laut ihr zum Wachsen vor allem gemähte Wiesen. Es kam daher erst mit dem Menschen aus dem Mittelmeer-Raum in unsere Breiten, als unsere Vorfahren die alten Urwälder schrittweise zurückdrängten, um Wiesen und Weiden anzulegen. „Die meisten Menschen denken vermutlich, Gänseblümchen wären einfach schon immer da gewesen“, sagt Lahner: „Dabei sind sie uns in diese Breitengrade gefolgt.“
Der Botanische Spaziergang mit der BezirksZeitung endet schließlich inhaltlich wieder dort, wo er begonnen hat: bei einem Naturdenkmal. Denn auch im Alten AKH gibt es ein solches, hier wächst im Hof 2 ein sogenannter "Judasbaum".
Das Gehölz, welches aus dem östlichen Mittelmeerraum und aus Westasien stammt, ist in der Wiener Innenstadt naturgemäß eine echte Rarität. Trotzdem wächst dieses stolze Exemplar hier seit weit über 100 Jahren. Zehn dicke Stämme treiben in alle Richtungen aus, dazu gibt's unzählige Jungtriebe. "Dieser Baum fällt besonders im Frühling mit seinen unzähligen, rosa gefärbten Blüten auf", weiß Lahner.
Diese Vielfalt steht sinnbildlich für die Botanischen Spaziergänge, die Lahner und Klein anbieten. Sie führen durch mehrere Grätzl Wiens und man lernt hier ganz unterschiedliche Pflanzen und Orte kennen. "Der Blick auf die Stadtvegetation ermöglicht, in der Geschichte zurückzugehen und die vielfältigen Verflechtungen zwischen Mensch und Pflanze zu erkennen", so Lahner. Der heutige Spaziergang zeigt: Dieses Konzept funktioniert sogar in zwei sehr innerstädtischen Bezirken, wo man dies vielleicht weniger vermuten würde.
Zur Sache
Der nächste Spaziergang steht am 17. Juni 2023 von 15 bis 17 Uhr am Programm und führt vom Burggarten ins Freihausviertel. Anmelden kann man sich per E-Mail unter office@birgitlahner.at oder an klein@cristina-estera.at. Die Kosten betragen 30 Euro pro Person.
Am 20. Juli und 17. August 2023 führt Birgit Lahner zwischen 18:30 und 20:00 Uhr im Rahmen eines „Sunset Walks“ durch die städtische Flora des 3. Bezirks. Dabei werden auch Kunstinstallationen der Outdoor-Ausstellung CLOSE/D des Kunst Haus Wien angesteuert. Anmeldung unter: kunstvermittlung@kunsthauswien.com.
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