Jugend ohne Kult: Wo sind die Mods, Punks und Gruftis?

Treffpunkt Donnerbrunnen: Am Neuen Markt trafen sich einst die Mods, zu denen Flappo Deejay (l.) und Michi Gaissmaier von "Heinz aus Wien"(2.v.r.) gehörten. | Foto: Flappo Deejay privat
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  • Treffpunkt Donnerbrunnen: Am Neuen Markt trafen sich einst die Mods, zu denen Flappo Deejay (l.) und Michi Gaissmaier von "Heinz aus Wien"(2.v.r.) gehörten.
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WIEN. Einst belebten Mods, Gruftis und Punks das Stadtbild. Mit dem Millenium ist diese offensichtliche Individualität aus Wiens Gassen verschwunden. War es vor zwanzig Jahren auf den ersten Blick ersichtlich, für welche Band der junge Herr vis á vis in der U-Bahn sterben würde, werden diese Leidenschaften im Jahr 2017 nicht mehr plakativ zur Schau getragen.

Da ich selbst einst Teil dieser Jugendkultur war, habe ich mich auf die Suche nach den Helden von gestern gemacht. Wo sind noch Überreste der Subkulturen in Wien zu finden? Warum sind sie verschwunden? Und vor allem: Warum gibt es keine Nachkommen? Diese Fragen wird in einer Reihe von Artikeln nachgegangen.

"Wir leben in der allgemeinen Durchschnittlichkeit"

Den Anfang macht die Frage: Was wurde aus der Subkultur und wie sieht diese 2017 aus? Bernhard Heinzlmaier, der Vorsitzende des Instituts für Jugendkulturforschung, bringt Licht ins Dunkel.

Sie sind der Fachmann für Jugendkultur – waren Sie selbst in einer Gruppierung als Jugendlicher?
BERNHARD HEINZLMAIER:
Ja, leider, denn ich hätte meine Zeit damals sinnvoller nutzen können als jemand, der nirgendwo dabei ist. Das Dabeisein ist ja eines der größten Probleme unserer Zeit. Die Leute haben verlernt für sich zu sein.

Darf man erfahren, welcher Subkultur sie angehörten?
In meiner Schulzeit war ich Punk.

Gruftis, Mods und Punks sind aus dem Stadtbild verschwunden – wieso sind diese Sukulturen verschwunden?
Sie sind nicht verschwunden, sie leben in Nischen, die uns Normalos nicht mehr zugänglich sind, weil wir in der Nische der allgemeinen Durchschnittlichkeit leben, die alles nicht Normale ausfiltert. Das ist der Medienfilter des Boulevards. Er macht alles Abweichende unsichtbar.

Hat sich das Ende dieser Jugendgruppen abgezeichnet? Wann?
Wie gesagt, die Gruppen sind existent. Gothics in Leipzig sind einmal im Jahr ein Massenphänomen. Aber die Welt ist überschwemmt mit von der Outfittery eingekleideter Durchschnittlichkeit, die blind ist für alles, das nicht so aussieht wie sie. Das Verschwinden der Jugendszenen ist keine Frage des Realen, sondern eine Frage der eingeschränkten Wahrnehmungsfähigkeit der so genannten Normalen.

Gibt es eine wissenschaftliche Erklärung, warum diese Gruppierungen überhaupt entstanden sind?
Gruppen entstehen, um ihren Mitgliedern Gemeinschaftlichkeit, das Gefühl von Zugehörigkeit und die Abgrenzung gegenüber einer feindlichen, langweiligen, gleichförmig-uninteressanten oder inakzeptablen Außenwelt zu ermöglichen. Gruppenbildung ist eine anthropologischen Konstante des menschlichen Zusammenlebens.

Jugendgruppen waren stets ein musikalisches Statement. Ist der Jugend von heute Musik nicht mehr so wichtig wie der Generation davor? Wo liegt heute der Fokus?
Musik ist weiter zentral in den Jugendkulturen, aber es ist heute überwiegend eine kommerzialisierte Breitbandmusik ohne jegliche Individualität. Sie wird produziert wie Massenwaren in automatisierten Fabriken. Sie stellt die Massenkultur nicht mehr in Frage. Die Musik der Jugend hat heute überwiegend systemlegitimierende Funktion, wie der Schlager. Nur mehr in den unsichtbaren Nischen gibt es das Abweichende, Vitale und Innovative.

Wie sieht Subkultur heute aus? Wer sind die neuen Mods und Gruftis?
Die Subkulturen sind heute Randerscheinungen. Es dominieren angepasste Mitmachkulturen wie die Startup-Kultur. Die heutige Jugend will unbedingt konstruktiv sein. Sie baut mit Vergnügen an dem weiter, was die Alten hinterlassen haben. Die letzten Rebellen sind in der AntiFa oder bei den Identitäten. Alles andere ist Spiel mit Dekor, ein oberflächliches ästhetisches Vergnügen. Wie im allgemeinen ist in den Jugendkulturen wenig echt. Das meiste ist ein Theaterspiel mit Rückfahrkarte ins Normale.

Wird es jemals ein Revival der Subkulturen der Achtziger Jahre geben?
Die Globalisierte Welt ist gleichgeschaltet. Es gibt keine Alternativen mehr. Die Zeit der Revolten ist vorbei.

Wieso braucht die Welt keine Jugend-Subkultur mehr? Spielt Migration eine Rolle? Oder ist Rebellion einfach nicht mehr nötig?
Rebellen sind die Migranten. Sie sind rückwärtsgewandt konservative Rebellen. Sie klammern sich an alte Gewissheiten, um die moderne Welt in der sie nun leben müssen ertragen zu können. Aber auch ihre Kulturen werden mittelfristig ausgelöscht werden und zur Folklore herabkommen.

Gab es in der Geschichte immer spezielle Jugendgruppierungen, die sich abheben wollten? Wie sahen diese aus?
Schon im 19. Jahrhundert gab es Dandys. Sie provozierten durch exaltierte Bekleidung und snobistisches Verhalten. Die Geschichte der Menschheit war eine Geschichte der Rebellion. Diese Geschichte ist zu Ende geschrieben.

Wie würden Sie mit drei Worten einem Teenager von heute diese Subkultur der 70er/80er/90er Jahre beschreiben?
Das kann ich nicht!

Ausblick: Wie wird „die Jugend“ in 20 Jahren aussehen?
Im Allgemeinen so wie die Jungen Liberalen. Ordentlich, sauber, adrett und willig.

Zur Person

Bernhard Heinzlmaier wurde 1960 in Wien geboren und ist als Sozialwissenschaftler in der Jugendforschung tätig. Er ist Mitbegründer des Instituts für Jugendkulturforschung in der Alserbachstraße 18 am Alsergrund und seit 2003 ehrenamtlicher Vorsitzender. Heinzlmaier hat zahlreiche Publikationen zum Thema Jugendsoziologie und Jugendkulturforschung veröffentlicht.

Hintergrund

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Treffpunkt Donnerbrunnen: Am Neuen Markt trafen sich einst die Mods, zu denen Flappo Deejay (l.) und Michi Gaissmaier von "Heinz aus Wien"(2.v.r.) gehörten. | Foto: Flappo Deejay privat
Ein Leben für die Ausfahrt: Die Subkultur der Mods (abgeleitet vom englischen Modernist) war untrennbar mit Vespas und Lambrettas verbunden. Mit dabei: DJ-Legende Elk (auf orangener Vespa Rally). | Foto: Flappo Deejay privat
Bernhard Heinzlmaier beschäftigt sich seit über zwanzig Jahren mit Jugendforschung. | Foto: Foto Wilke 1010 Wien

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