Protest-Camp im Votivpark: „Jeder weiß, dass Afghanistan wirklich gefährlich ist"
Im Votiv-Park protestieren Asylwerbende aus Afghanistan gegen vermehrte Abschiebungen in das Land, in dem jeden Tag Menschen bei Anschlägen sterben. Sie fordern ein Ende aller Rückführungen.
ALSERGRUND. Seit Freitag protestieren im Wiener Votivpark zwischen 50 und 200 Menschen gegen Abschiebungen nach Afghanistan. Denn zur Zeit, seit Oktober vergangenen Jahres, werden Männer, Frauen, Kinder vermehrt in das seit vielen Jahren von Krieg und Terror erschütterte Land abgeschoben. Das Protestcamp endet heute Abend. Die Asylwerbenden hoffen, mit ihrer Abschlusskundgebung um 17 Uhr auch die Politik auf sich aufmerksam zu machen.
Fast täglich Anschläge
Von „erfolgreichen Rückführungen“ liest man auf der Homepage des Innenministeriums angesichts der Abschiebungen – von „unmenschlicher Abschiebepraxis“ und einem „tödlichen Geschäft zwischen EU und Afghanistan" sprechen die anderen. Der IS (Islamischer Staat) und die Taliban liefern sich Machtkämpfe, das Land ist vermint und die Städte werden mehrmals pro Woche zum Ziel von Bombenangriffen. Vor wenigen Tagen etwa starben in der Hauptstadt Kabul mehr als 20 Menschen bei einem Selbstmordanschlag. Doch die Anweisungen sind eindeutig - die Abschiebungen werden fortgeführt.
„Nichts in Afghanistan ist sicher“
„Jeder weiß, dass Afghanistan wirklich gefährlich ist. Täglich werden Menschen in Kabul getötet“, sagt Eshan Batoori, Mitorganisator des Protestcamps. Er selbst in vor sechs Jahren nach Österreich gekommen, spricht fließend Deutsch und unterstützt seine Landsleute bei dem Versuch, Abschiebungen nach Afghanistan zu stoppen.
„Ein Freund von uns wurde eine Stunde, nachdem er in Kabul gelandet war, getötet. Davor war er hier, in Sicherheit. Und er hat sich nichts zu Schulden kommen lassen. Nichts in Afghanistan ist sicher. Außer man ist irgendwo hoch in den Bergen. Da, wo nichts und niemand ist, nicht einmal Tiere – nur Kälte“, sagt Batoori.
„Das größte Problem sind die mangelhaften Asylverfahren nach langen Wartezeiten, die diskriminierende Art und Weise, wie von den Behörden speziell gegen Afghanen vorgegangen wird und die ständige Angst, zurück in den Krieg zu müssen“, sagt Rick Reuther, Berater bei Asyl in Not und solidarischer Unterstützer des Camps. „Es haben sich schon junge Menschen mitten im Verfahren deswegen aufgehängt.“ Und trotzdem werde gegen diese Menschen Stimmung gemacht.
Dringende Reisewarnung für Österreicher
Auf der Homepage des Außenministeriums ist bei den Reiseinformationen zu Afghanistan zu lesen: „Im ganzen Land besteht das Risiko von gewalttätigen Auseinandersetzungen, Raketeneinschlägen, Minen, Terroranschlägen und kriminellen Übergriffen einschließlich Entführungen, Vergewaltigungen und bewaffneter Raubüberfälle. Den in Afghanistan lebenden Auslandsösterreichern sowie Österreichern, die sich aus anderen Gründen in Afghanistan aufhalten, wird dringend angeraten das Land zu verlassen.“ Das Risiko wird von allen EU Staaten gleich eingeschätzt. Doch die EU hält an ihrem Abschiebekurs fest.
Bisher keine Politiker im Camp
Bisher wurde das Camp vor der Votivkirche von den heimischen Politikern noch gemieden. Zu heikel ist das Thema offenbar. In Zeiten des Wahlkampfes will sich hier niemand auf der „stimmungsmäßig“ falschen Seite zeigen. Doch die Asylwerbenden wollen keine Skandale provozieren: „Alles was wir wollen, ist dass die Abschiebungen gestoppt werden. Mehr wollen wir nicht“. Das Camp ist von der Community selbst organisiert. Alles Nötige finanzieren die Teilnehmer durch Spenden und auch mit der Polizei gab es keine Probleme.
Auch Margit H. ist vor Ort. Sie ist freiwillige Helferin in Großenzersdorf und hat seit 2015 selbst Flüchtlinge bei sich Zuhause aufgenommen. „Menschen, die sich nichts zu schulden kommen haben lassen, werden abgeschoben. Für sie ist das ein Dolchstoß und für uns Helfer eine ordentliche Watschen“, sagt sie. „Viele sind integriert, lernen Deutsch, finden Freunde und dann müssen sie wieder gehen. Das ist so unglaublich schrecklich.“
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